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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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10.07.2006
 

Irreführende Werbung
Auch das ÖWB täuscht die Kunden

Es wird mit dem Satz beworben, nun liege die "endgültige" Fassung der amtlichen Regeln vor.
Der Rechtschreibrat hat niemals beschlossen, keine weiteren Änderungen zu erarbeiten. Zwischen Frühjahr und Herbst 2006 gibt es eine Pause, aber dann geht es weiter, wie auch der Vorsitzende eindeutig angekündigt hat. Es wird sich zeigen, ob die Wörterbuchverlagslobby die gesamte Arbeit des Rechtschreibrates zu stoppen vermag – wenigstens so lange, bis die Neuauflagen verkauft sind. Dann stünde allerdings der Vorsitzende noch dümmer da als jetzt schon.



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Kommentare zu »Irreführende Werbung«
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Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 28.03.2007 um 03.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#8104

Mir war schon immer aufgefallen, daß gerade bei Verlagshäusern der "pedantische" Bindestrich fehlt, — den ich allerdings gar nicht als pedantisch empfinde, weil er eben das Lesen derjenigen Leute erleichtert, die nicht alles Wort für Wort für Wort lesen. "Deutscher Taschenbuchverlag" liest sich halt doch leichter als "Deutscher Taschenbuch Verlag", nicht unten auf der Titelseite unbedingt, aber im Zusammenhang eines Textes schon. Doch eine meiner Grammatiken ist auch laut Titelseite "IM DUDENVERLAG DES BIBLIOGRAPHISCHEN INSTITUTS • Mannheim" erschienen, und hat also "Dudenverlag", was natürlich auch etwas anderes als unser Thema hier im Auge hat. Aber dann sehe ich auch unten auf einer Titelseite "R. PIPER & CO VERLAG MÜNCHEN", auf der Rückseite davon jedoch dann beim Copyright-Zeichen:"R. Piper & Co. Verlag, München", eine etwas andere Verschriftung also. Zum Lesen ist die Zusammenschreibung mit Bindestrich auf jeden Fall gut; beim Layout auf einer Seite könnte er als pedantisch empfunden werden, das gebe ich zu. Gab's früher auch andere Fälle, wo bei derartigen Komposita (Substantiv mit Substantiv) Bestimmungs- und Grundwort nicht zusammen geschrieben wurden?

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.07.2006 um 12.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4826

Lieber Herr Achenbach, in meinem Wörterbuch steht immer noch das Muster "Georg-Büchner-Preis", und etwas anderes habe ich doch wohl nicht empfohlen. Allerdings steht in Eigennamen aus ästhetischen Gründen oft kein "pedantischer" Bindestrich, aber dann ist auch nach meiner Meinung "Richard Wagner Platz" am besten. Ich habe dieses Problem jetzt ständig, weil ich den geistig-moralischen Niedergang der "Axel Springer Verlag AG" kommentieren muß.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 15.07.2006 um 11.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4822

Zum Beitrag von Ballistol:
Rominte van Thiels Meinung benötigt freilich keinen Bindestrich, genauso wenig wie er bei "Horst Ludwigs Beiträgen" und "Klaus Achenbachs Erläuterungen" nötig wäre, denen eigentlich nichts hinzuzufügen ist :). Gerade WEIL Richard und Wagner beim Richard-Wagner-Platz zusammengehören, darf ich sie nicht auseinanderreißen. Es spielt ja auch gar keine Rolle, ob beim Zusammenkoppeln von Grundwort und Bestimmungswort oder mehreren Bestimmungswörtern ein Name im Spiel ist. Titel oder Adjektiv beim Bestimmungswort wirken genauso, so daß ich also von einer Hofrat-Blüml-Allee schreiben müßte, sollte es sie geben. (Nach dem gleichen Muster schreibt sich das Fürst-Pückler-Eis. Sollte ich ebenfalls ein Rezept erfinden, so möchte ich mich nicht als Rominte van Thiel-Salat im Kochbuch finden.) Und wenn ich an die Rote-Socken-Kampagne erinnere, so ist dabei ganz klar, daß es keine Rote Socken-Kampagne war.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 14.07.2006 um 21.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4818

"übereinanderreden" muß eine Steigerungsform zu "durcheinanderreden" sein, wenn jeder den anderen zu überschreien versucht, vielleicht mittels Megaphonen oder bei einem unfähigen Moderator. Das Gegenteil dazu ist allerdings schwer vorstellbar.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 14.07.2006 um 21.47 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4817

Zu borella #4807:
Es ist nicht nur der Zusammenhang, sondern auch die Wortstellung, die über den Sinn entscheidet. Bei Distanzstellung steht der Verbzusatz am Satzende.
Dise Tatsache ist etwas aus dem Blick geraten, weil sich auch die neuen Regeln von 2006 nur auf die Kontaktstellung (Vebzusatz kann nicht vom Verb getrennt werden) beziehen.
Was in der der gesprochenen Sprache durch die Betonung klargestellt wird, ist in der geschriebenen Sprache häufig mißverständlich (hoch fliegen/hochfliegen). "Das Flugzeug fliegt hoch" ist allerdings gesprochen wie geschrieben mißverständlich. Da hilft auch der Zusammenhang häufig nichts, sondern nur eine andere Ausdrucksweise. Kommt eine weiter Ergänzung zum Verb hinzu, hilft aber häufig die Wortstellung, aber nicht immer.
Kontaktstellung: Du mußt die Schraube fest drehen, um sie festzudrehen.
Distanzstellung: Er dreht fest die Schraube/Er dreht die Schraube fest.

Zu "Richard Wagner-Platz":
Diese Schreibung - obwohl selbst Prof. Ickler sie irgendwo als geringstes Übel zu empfehlen scheint - ist völlig indiskutabel. Da ist überhaupt kein Bindestrich noch vorzuziehen: Richard Wagner Platz. Auch Richard-Wagner Platz wäre besser.
Sie wäre auch im Englischen ein grober Schnitzer. Dort wäre richtig: Richard-Wagner Platz. Siehe hierzu die mehrseitigen Ausführungen zum Bindestrich in Fowlers "Modern English Usage".
Richard und Wagner gehören nun einmal enger zueinander als Wagner und Platz.
Vergleichbares gilt übrigens auch für die Verwendung des Bindestrichs bei Komposita. Dort kann der Bindestrich nur an der Stelle der schwächsten Bindung stehen. Man kann Feuerwehr-Auto schreiben, aber auf keinen Fall Feuer-Wehrauto.
Merke: Die Zusammenschreibung bindet stärker als der Bindestrich und der Bindestrich stärker als die Leerstelle.
 
 

Kommentar von borella zu 4721, verfaßt am 14.07.2006 um 19.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4813

Nach Anfrage an das ÖWB wurde mir mitgeteilt:

Infinitiv: übereinander reden
Partizip1: übereinander redend/übereinanderredend
Partizip2: übereinander geredet

Der Schwachsinn "übereinanderredend" ist also wirklich erlaubt! Die Form "übereinandergeredet" wurde mit dem Hinweis, es handle sich um keinen adjektivischen Gebrauch, und außerdem auf § 34(1.2) E1, als nicht zulässig ausgewiesen.
 
 

Kommentar von borella zu #4756, verfaßt am 14.07.2006 um 17.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4807

Ich schreibe etwas groß

Was bedeutet das? Großer Anfangsbuchstabe, große Lettern oder noch etwas anderes?

Ich habe hier bewußt die Distanzstellung gewählt, denn dieser Satz lautet so, egal ob jemand im Infinitiv getrennt oder zusammen schreibt.

Das meinte ich mit "der Zusammenhang muß Auskunft über die Detailbedeutung geben".

Grundsätzlich bin ich vollständig auf Ihrer Seite, wenn Sie dazu aufrufen, die Möglichkeiten der GZS bedeutungsdifferenzierend anzuwenden.

Der übertragene Sinn - so es einer sein soll - Ihres "bewußtlosschlagen" hat sich mir allerdings noch nicht ganz erschlossen ;-(
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 14.07.2006 um 10.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4792

Lieber Herr-Ludwig,

Die Frage ist doch, ob man den vollständigen Namen als eine Einheit betrachtet. Denken Sie sich zwischen Richard und Wagner kein Leerzeichen, sondern ein Spatium.

Ich habe aber durchaus Einfühlung in Ihre und Frau-Van-Thiels Sicht der Dinge und kann sie nachvollziehen. Ich finde beides schlüssig, muß mich jedoch für eins entscheiden.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2006 um 20.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4783

Zu Germanist (#4776): Aber von Humboldt haben wir auch den Satz, der Mensch ist nur Mensch durch die Sprache. Unser Germanist hat zwar recht: "Dieses [Schreiben,] 'damit [man] verstanden wird' fehlt bei der 'Rechtschreibvereinfachung'", aber seinen Vergleich des Griechischen mit dem Lateinischen kann ich nicht unterschreiben. Was in einer Sprache fein durch abstrakte Strukturen ausgedrückt werden kann, kann in einer anderen, die diese abstrakten Strukturen nicht hat, ebenso fein auch adverbial oder attributiv oder präpositional oder sonstwie ausgedrückt werden. Was ist denn der Unterschied zwischen "jemanden suchen" und "nach jemandem suchen"? Daß Beda nicht so geschrieben hat wie Kant und daß Japaner persönliche Meinung für uns nur viel zu verschwommen ausdrücken und daß die deutschen Kultusminister in der Rechtschreibfrage nur politisch sabbelnd Sprechzeit füllen können, zeigt die unterschiedliche Kultur an, nicht die unterschiedlichen Möglichkeiten, die sich aus der abstrakten Struktur der Sprache ergeben. Und so fordert auch die kultusministerlich aufgezwungene Reformschreibung das Kulturniveau der Kultusminister bei allen an. Die natürliche Entwicklung der Schreibkultur war darüber jedoch schon weit hinaus.

Zu Ballistol (#4777): Ehrlich, es fällt mir schwer, das "Innehalten" unter Respektausdruck einzuordnen. Ich hab mal in der Gutenbergstr. gewohnt und oft an jemand in einer Richard-Wagner-Str. geschrieben, und das alles nur dieserart, weil ich die deutsche Schreibung hier so verstand: Wenn ein Substantiv ein anderes Substantiv modifiziert und man also ein zusammengesetztes Hauptwort hat, schreibt man das Resultat zusammen, und die geringste Form der Zusammenschreibung ist die mit Bindestrich. Die Bindestriche bei vollen Namen hier brechen m. E. der Ehrung des Geehrten nichts ab, was etwa die verordnete Kleinschreibung der Du- und Ihr-Formen in schriftlichen Anreden durchaus tut. (Ich hoffe aber, daß der Postrechner auch die Adressierung etlicher ohne Bindestriche richtig liest und daß das ansonsten Geschriebene richtig ankommt.)
Und an Rominte van Thiel (#4780) jetzt auch noch: Vielen Dank und beste Grüße! Meine Formulierungen nehmen halt eine Menge und manchmal unterbrochene Zeit in Anspruch.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 13.07.2006 um 19.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4780

Beim Durchkoppeln einen Bindestrich wegzulassen, ist keine Ehrung, sondern nur irreführend. St. Josef-Krankenhaus. Also ein heiliges Krankenhaus? Und Richard Wagner-Platz ist kein Platz, sondern ein Herr, der zusätzlich zu seinem eigenen Namen Wagner noch den seiner Ehefrau angenommen hat. Die Dame heißt Platz.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 19.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4777

Lieber Herr Ludwig,

wenn etliche beim Durchkoppeln der Straßen und Plätze vor dem Namen des Geehrten innehalten und ebendort den Bindestrich weglassen, dann ist das auch Ausdruck von Respekt. Dies bitte bei Ihrer Kritik zu bedenken.

Lieber Germanist,

falls Sie Kenntnisse über die Struktur des Rumänischen haben, dann wird wohl auch schlüssig, wieso in diesem Land so unheimlich vieles im argen liegt. Das meine ich ganz ernst.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.07.2006 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4776

Ich glaube, von Wilhelm von Humboldt stammt die Erkenntnis, daß die Sprache das Denken befördert. Deshalb wundert es mich nicht, daß die alten Griechen tiefgründiger denken konnten als die alten Römer. Eine Sprache, die bedeutungsunterscheidende Varianten anbietet, zwingt den Schreiber zum genauen Denken, was er aussagen will, damit er verstanden wird. Dieses "damit er verstanden wird" fehlt bei der "Rechtschreibvereinfachung".
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2006 um 18.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4775

Lieber Herr von Wehbergen, Sie sind neu hier; herzlich willkommen. Und zuerst hatte ich auf Ihr "Auch das ist Teil der Kultur unserer Sprache, und nach meinem Verständnis ist der alltägliche Umgang mit ihr der Nährboden für die Kunst, die sich dann gerne darüber erheben kann" (#4762) ausrufen wollen: Aber für Leute wie Sie ist die Rechtschreibreform doch gar nicht gemacht worden!
Sie sagen auch überzeugend: "Ich glaube nur, für den ungelenken Schüler oder Schreiber sind solche Regeln eine Hilfe. Der tut sich leichter, wenn er sich auf so etwas stützen kann." Doch ich bin da nicht so überzeugt. Ich meine nämlich, daß wir alle mehr das richtige Schreiben lernen, indem wir viel wirklich gekonnt Geschriebenes lesen (und deshalb auch aufmerksam hinhörend und mitdenkend z. B. zwischen "indem" und "in dem" unterscheiden). Und Sie selbst sagen das indirekt ja auch ganz deutlich: "Ein 'guter Schreiber' braucht dann auch einen 'guten Leser'. Wohl dem, der von solchen umgeben ist."
Trotzdem bleibt dem Lehrer viel sinnvolle Aufgabe, z. B. die, den Lernenden beizubringen, daß so einfach dahinformulierte "Regeln" eben nicht das Gelbe vom Ei sind. Bei den Verben mit trennbaren Präfixen schreibt man nämlich sinnvollerweise auch den Infinitv mit "zu" und das Perfektpartizip zusammen: "*bewußtloszuschlagen"?, "*bewußtlosgeschlagen"? Das habe ich noch nie gesehen (und ich lese viel). Und meine einfache "Länge" hier ist eben auch kein absolutes Kriterium. Intonationsmuster und vor allem die kulturelle Umgebung helfen Lernenden schon eher, in den Tränen Säcken Tomaten große Krokodils Augen Saft Tropfen ein Fach zurück zu halten. (Wobei ich hoffe, daß mein Beispiel hier nicht Beispiel macht, auch wenn's zu einem geringen Preis in die Hand gereicht ist. Neben vielem anderen in vielen anderen "Handreichungen" kann es sich aber durchaus sehen lassen und darf im Unterricht verwendet werden. Und es ist übrigens gar nicht so weit hergeholt, denn von der auseinander geschriebenen Erweiterung von Substantiven durch ein Substantiv ["*eine Vorstadt Angelegenheit", auch "*Richard Wagner-Platz", so à la Englisch, wenigstens halb — und weil Mark Twain und weit, weit geringere Witzemacher dazu auch immer ihren Senf hatten gar nicht so urinstinktiv und bis zum Dort Hinaus an den Mann bringen müssen] war bei den Reformern ja auch die Rede gewesen, wenn sie auch in der letzten Zeit nicht mehr so in der Diskussion ist, weil die Reformer sowieso nicht wissen, wovon sie reden und wo die Tür ist.)
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 17.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4774

Man kann ja auch noch bewußt losschlagen.

Ich bin ganz bei Ihnen, was den Kampf gegen die Beschneidung der Abschattungsvielfalt anlangt.

Wenn aber ein Schreibender nicht einmal selbst weiß, was er zu sagen hat, dann soll er gefälligst den Griffel liegen lassen. So sehe ich das, und in 70 % der "Editorials" aller möglichen Zeitschriften können Sie besichtigen, was passiert, wenn man bildungsferne Schichten auf die Redakteurssessel setzt.
 
 

Kommentar von Hans-Dieter von Wehbergen, verfaßt am 13.07.2006 um 15.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4767

Wir liegen gar nicht weit auseinander. Aber was Sie da sagen, lieber Ballistol, ist die hohe Kunst. Und die Rechtschreibreform hat uns einen solchen kommunikativen Trümmerhaufen beschert, daß wir leider wieder ganz klein anfangen müssen - jedenfalls bei den meisten, die auf den Zug aufgesprungen sind.
Schade, daß das so klingt, aber ich bin gar nicht dogmatisch in der Getrennt- und Zusammenschreibung. Natürlich ist "bewußtlosschlagen" ein Extrembeispiel. Ich glaube nur, für den ungelenken Schüler oder Schreiber sind solche Regeln eine Hilfe. Der tut sich leichter, wenn er sich auf so etwas stützen kann. Und wenn das Sachen wie "Acht geben" und "Tomaten große Regen Tropfen" vermeiden hilft, soll mir so ein Ungetüm wie "bewußtlosschlagen" ein geringer Preis sein.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 14.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4765

Das ist ja vollkommen richtig!

Aber was "meine" ich, was "will" ich sagen in meinem Text? Mal natürlich Faktum A und Faktum B und Konsequenz C. Hier bedarf es der Präzision. Mal will ich aber auch Stimmungen vermitteln, Gedankensprünge und Assoziationen auslösen, eine Sache in der Schwebe halten und dem Leser soviel Sinn und Schmalz zugestehen, daß er sich einen eigenen Reim auf die Dinge macht. Wenn ich dann schreibe, sagen wir mal, das und das sei aus den und den Gründen abzulehnen, dann gebe ich durch Präzision eine Seite der Medaille oder eine Ansicht weiter und kann dabei auch sehr überzeugen.

Ich meine aber, daß in vielen Dingen noch mehr steckt als hier Schwarz und da Weiß. Und in den Dingen steckt (für den Leser) auch oft mehr, als ich (als Schreiber) sehen kann. Lasse ich manches offen, dann gebe ich diesen Dingen Raum. Hören Sie Furtwängler gegen Toscanini oder Karajan – ich denke, dann wird schnell klar, was ich meine.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 13.07.2006 um 14.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4764

Man muß aufpassen, daß man nicht die gleichen Fehler macht, wie sie die Reform vorexerziert hat und Dinge zu Problemen werden, die lange Zeit keine waren. Die Zusammenschreibung „bewußtlosschlagen“ läßt sich zwar systematisch einordnen, war und ist aber vollkommen ungebräuchlich (vgl. Google und vor allem http://wortschatz.uni-leipzig.de/). Da es sich nicht um eine echte Zusammenseztung handelt, besteht keine Notwendigkeit für die Zusammenschreibung. Auch semantisch gibt es keine Probleme: Wer bewußtlos ist, ist nicht in der Lage, um sich zu schlagen. Es stimmt, daß die Reform Bedeutungsunterschiede verwischt hat, indem unterschiedliche Schreibmöglichkeiten (das betrifft sowohl die GZS als auch die GKS) als gleichberechtigt hingestellt werden, aber das bedeutet nicht, daß man nur dadurch zu einer grundlegenden Verbesserung kommt, indem man strikt und in jedem Fall mit einer unterschiedlichen Schreibung einen Bedeutungsunterschied verbindet und daraus Schreibregeln ableitet. Es gibt gerade bei der GZS einen Randbereich, der sinnvollerweise weder streng gehandhabt und schon gar nicht eindeutig geregelt wird. Es genügt ja, auf die Fälle zu achten, bei denen eine bestimmte Schreibung wirklich mißverständlich ist; Herr Ickler hat das in seinem Rechtschreibwörterbuch dargelegt.
 
 

Kommentar von Hans-Dieter von Wehbergen, verfaßt am 13.07.2006 um 14.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4762

Ja, ich rufe dazu auf, so eindeutig wie möglich zu formulieren. Ich erkenne darin keine Bevormundung, keinen Zwang. Mich stört an der reformierten Rechtschreibung neben anderen Punkten deren Beliebigkeit.
Im schriftstellerischen Bereich mag dichterische Freiheit belebend und erfrischend wirken. Soweit ich diese Diskussion jedoch verstehe, geht es hier vorderhand um die alltägliche Kommunikation, mithin geschäftliche und private Briefe, E-Mails und Notizen, Broschüren, Flugschriften usw., sicher auch Zeitungen. Da ist Präzision hilfreich und nützlich.
Wer viel mit fremden Leuten kommuniziert, legt Wert darauf, auf Anhieb richtig verstanden zu werden. Hier ist Sprache - gesprochen wie geschrieben - Informationsmittel, Appell, Botschafter. Man kann sich nicht darauf verlassen, daß der Adressat schon das Geschriebene richtig interpretiert. Ein "guter Schreiber" braucht dann auch einen "guten Leser". Wohl dem, der von solchen umgeben ist. Ich bin es nicht.
Auch das ist Teil der Kultur unserer Sprache, und nach meinem Verständnis ist der alltägliche Umgang mit ihr der Nährboden für die Kunst, die sich dann gerne darüber erheben kann.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 13.07.2006 um 13.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4760

resultative Verbzusätze mit "schreiben": gutschreiben, krankschreiben.

Warum soll "bewußtlosschlagen" anders geschrieben werden als "totschlagen"? Weil "bewußtlos" ein zusammengesetztes Adjektiv ist?

Schwieriger ist es bei "krankenhausreif schlagen" zu entscheiden, das ist noch zusammengesetzter, aber auch eindeutiger.

Wer Rechtschreibung nicht als so wichtig erachtet, dem wünsche ich recht viele Bedienungsanleitungen in chinesischem oder japanischem "Deutsch".
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 13.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4758

Lieber Herr von Wehbergen,

der erste Teil Ihres Beitrags bestätigt, was hier über Resultativzusätze geschrieben wurde. Was den zweiten Teil betrifft, trifft das natürlich auf Texte wie die StVZO oder die Anleitung zur Küchenmaschine "Minna" zu. Auf feuilletonistische bis literarische Texte hingegen fast gar nicht.

Mir als Vielschreiber ist es ein Anliegen, dem Leser dann und wann auch die Möglichkeit zu geben, seine eigenen Bedeutungsauffassungen zum Blühen zu bringen. Dafür bediene ich mich absichtlich der einen oder anderen Ungenauigkeit, Doppeldeutigkeit oder vagen Formulierung. In der Schreibpraxis der vergangenen Jahrhunderte gibt es dafür sehr viele Beispiele, aber auch in der Musik: Das ganze Dirigieren Wilhelm Furtwänglers ist nur aus diesem Prinzip heraus erklärbar. Auch die bildende Kunst, v. a. die Moderne, erlaubt dem Rezipienten, durch seine Wahrnehmungsvorgänge in eine persönliche Interaktion mit dem jeweiligen Werk zu treten. Und der gesamte Imperessionismus ist doch ungenau wie sonst kaum etwas. Hier bekommt der Betrachter alle Wahrnehmungsfreiheit.

Gleichwohl verlangt dies ein einwandfreies (künstlerisches wie sprachliches) Werkzeug und natürlich ein Beherrschen desselben und der jeweiligen Technik. Sehr viele Wörter haben dennoch Bedeutungen, die nur aus Stellung und Kontext zu erschließen sind, z. B. "sein". Bei "groß schreiben/großschreiben" halte ich nichts davon, die Varianten mit strikten Regeln zu verzurren, an die sich dann jeder halten soll. Das geht schief. Lieber offenlassen -- ein guter Schreiber wird sich schon mitzuteilen wissen.
 
 

Kommentar von Hans-Dieter von Wehbergen, verfaßt am 13.07.2006 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4756

Mir fällt hier vor allem ein, daß ich zwischen den verschiedenen Bedeutungen trennen will. Wenn ich etwas "groß schreibe", halte ich "groß" für ein Adverb, mithin schreibe ich auf große Weise, ich male etwa riesige Buchstaben; wenn ich etwas "großschreibe", erlangt das Geschriebene eine neue Form, Bedeutung oder dergleichen, also lobe ich etwas, wobei ich in diesem Falle mich auch auf die "Großschreibung" beziehen kann. Dann ist der erste Buchstabe groß.
Es ist ein Unterschied, ob ich Single bin oder mich selbständig in der Senkrechten halten kann, deshalb gibt es sowohl "alleinstehend" als auch "allein stehend". Wenn ich jemanden "bewußtlos schlage", bin ich bewußtlos und schlage trotzdem. Wenn ich aber "bewußtlosschlage", kommt niemand dazu, das fehlzudeuten.
Zu Herrn Borella: Den Leser durch den Sinnzusammenhang erschließen zu lassen, wie eine Vokabel zu interpretieren ist, ist ein Kollateralschaden der Rechtschreibreform. Ich empfinde es als unhöflich, meine Leser damit zu behelligen, und es als Belästigung, als Leser damit konfrontiert zu werden.
Es enstehen im normalen Schreiben schon genug Teekesselchen und ungenaue Formulierungen, für die man den Kontext heranziehen muß, um sie zu entschlüsseln. Da sollten wir uns bemühen, die Möglichkeiten, die uns der Gebrauch der Getrennt- und Zusammenschreibung bietet, auch zu nutzen.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 13.07.2006 um 09.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4754

Ich halte es bei dieser Debatte mit der Auffassung Herrn Wagners über die Resultativzusätze. Daher "klein/groß schreiben" getrennt, solange ich nicht als Journalist jemanden "kleinschreibe" und er danach eben klein ist.
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 13.07.2006 um 08.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4752

zu #4749 bzw. #4751
Unter sinnrichtig verstehe ich hier, daß mich eine Schreibung beim Lesen nicht stört; was aber nicht zwangsläufig bedeutet, daß ich sie für die einzig mögliche halte.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2006 um 01.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4751

FAZ-E-Einleitung zu einem Artikel ("Zwischen Himmel und Erde" [Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.07.2006, Nr. 27 / Seite V3]) am 13. Juli: "In dem kleinen Land wird auch die bikulturelle Förderung groß geschrieben." So geht's also auch.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 13.07.2006 um 00.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4750

Ich stimme borella zu (#4749), meine aber, daß ich mich dabei doch nicht so ganz wohlfühle. Die Parallelität zu "jemanden/etwas hochjubeln", zu einem danach vielleicht möglichen "jemanden/etwas großreden" und daneben halt auch zu einem "jemanden/etwas großschreiben" möchte ich zwar in Betracht ziehen, — aber dann lehne ich die Zusammenschreibung doch ab, denn ich will ja meinen Text zuende schreiben (zu Ende schreiben / zuendeschreiben), und *"dieser Politiker ist nur von den Zeitungen großgeschrieben worden", — diesen Satz oder einen ähnlichen habe ich noch nirgends gehört oder gesehen. Deutlich haben wir aber eine eigene Bedeutung bei "Höflichkeit wird bei uns großgeschrieben". Die Unsicherheit kommt eben daher, daß das Betonungsmuster das gleiche ist wie bei Verben mit trennbaren Präfixen (heimkehren) — und daß wir beim bloßen großen Anfangsbuchstaben eben doch irgendwie eine übertragene Bedeutung vermuten, — jedenfalls etwas.
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 12.07.2006 um 23.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4749

Beide Fälle - großer Anfangsbuchgstabe und großer Font - verlangen m. E. nach getrennter Schreibweise, der Zusammenhang muß dann Auskunft über die Detailbedeutung geben.
Zusammenschreibung empfände ich etwa bei: "Höflichkeit beim Umgang mit Kunden wird bei uns großgeschrieben" sinnrichtig.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.07.2006 um 22.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4747

Hier oder im Vorgängerforum wurde einmal ausgeführt (von Prof. Ickler?), daß zwischen klein schreiben und kleinschreiben sowie groß schreiben und großschreiben ein semantischer Unterschied bestünde: Im ersten Fall sei die Schriftgröße und im zweiten Fall der Anfangsbuchstabe gemeint.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 12.07.2006 um 21.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4746

Auf der online verfügbaren Probeseite des ÖWB gibt es einen kleinen Infokasten zum Stichwort „E-Banking“. Darin heißt es: »Einzelbuchstaben als Teile von nominalen Zusammensetzungen mit Bindestrich werden im Allgemeinen großgeschrieben: [...]“

Das widerspricht doch den neuen GZS-Regeln, wie man sie der ebenfalls auf http://www.oewb.at/ angebotenen Änderungsübersicht entnehmen kann:

Ȥ 34 (2) Adjektiv + Verb
Zusammen schreibt man, wenn eine übertragene (idiomatisierte) Gesamtbedeutung vorliegt. In diesen Fällen lässt sich die (neue) Gesamtbedeutung nicht aus der wörtlichen Bedeutung der einzelnen Bestandteile erschließen.
In Zweifelsfällen kann man getrennt und zusammenschreiben.
Getrennt- und Zusammenschreibung gilt für Verbindungen mit resultativem Verb.
Mit „resultativ“ sind jene Verben gemeint, die ein Resultat herbeiführen. Das Adjektiv bezeichnet in dieser Verbindung den endgültigen Zustand des Objekts (zB den Tisch glatt hobeln/glatthobeln --> der Tisch ist nach dem Hobeln glatt).
In den anderen Fällen schreibt man getrennt. Dazu zählen insbesondere
Wortgruppen mit komplexen (abgeleiteten, zusammengesetzten) oder erweiterten Adjektiven.«

Wie ist es nun mit „großgeschrieben“? Es liegt hier offensichtlich und unzweifelhaft gerade nicht die übertragene Bedeutung vor, was für Getrenntschreibung spricht. Die Zusammenschreibung wäre nur bei der Auffassung als Resultativzusatz. Das ÖWB bezieht sich aber bei der Erläuterung zu „resultativ“ nicht auf den Verbzusatz, sondern auf das Verb an sich. Damit stellt sich die Frage, inwiefern schreiben resultativ sein kann. Die angegebenen Beispiele (identisch mit denen des amtlichen Regelwerks) beziehen sich nur auf Fälle, in denen eine Veränderung herbeigeführt wird, es also einen Zustand sowohl vor- als auch nacher gibt. Beim Schreiben gibt es aber keinen vorherigen Zustand.

Bemerkenswert sind auch die Beispiele für Getrenntschreibung:
»bewusstlos schlagen (= komplexes Adjektiv),
die Geige falsch spielen (nicht resultativ, keine übertragene Bedeutung),
beim Referat frei reden (nicht resultativ, keine übertragene Bedeutung),
ganz nahe kommen (= erweitertes Adjektiv)«
Handelt es sich bei falsch spielen und frei reden wirklich um Verbindungen aus Adjektiv und Verb? Für meine Begiffe sind falsch und frei hier Adverbien, so daß diese Beispiele hier gar nichts zu suchen haben.
 
 

Kommentar von Hans Noggel, verfaßt am 12.07.2006 um 16.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4744

Was die Schreibprogramme angeht, da zeigt der Alltag doch, daß als richtig gilt, was die Rechtschreibprüfung nicht rot markiert. Wenn nun die neue Word-Fassung standardmäßig die alte Rechtschreibung eingestellt haben sollte, soll mich das ja freuen.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 16.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4743

Es geht nicht darum, wie sich der kultusministerielle Ukas nennt, sondern es geht darum, wie dann geschrieben wird. Wenn die Rechtschreibräte qua Beobachtung und "ganz behutsam" das "daß" wiedereinführen, dann soll mir das als Reform recht und billig sein. Sie werden den weiteren Rückbau schon geschickt verkaufen.

Was die Weichware betrifft, entwickelt sich die ganze Rechtschreibung jetzt rasant in Richtung eines Open-Source-Projekts, und das ist sie ihrem Wesen nach ja auch.
 
 

Kommentar von Leseviel, verfaßt am 12.07.2006 um 16.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4742

Ich gieße ja ungern Wasser in den Wein, aber selbst wenn sich dereinst auch in der Öffentlichkeit durch den Streit der Verlage ein breiter Konsens bildet, daß die bewährte Rechtschreibung noch immer die bessere ist, ja selbst wenn sich die Meinung durchsetzt, man hätte mit dem Quatsch gar nicht erst anfangen dürfen, wäre das ein Pyrrhussieg. Kein Verlag würde die Rückkehr zur alten Lehre empfehlen, denn damit führe er ja sein ganzes Gerede aus den Jahren zuvor ad absurdum. Und selbst wenn auch das noch passierte - die Kultusminister ließen niemals zu, daß in den Schulen die alte Rechtschreibung wiedereingeführt würde.
Dazu müßten die Parteien schon glauben, daß sie damit Wählerstimmen fangen könnten. Angesichts dessen aber, daß in der Bevölkerung das Interesse für die Rechtschreibung nahezu gleich null ist, wird sie auf keiner Wahlveranstaltung Thema sein.
Überdies ist bis dahin die Rechtschreibung in allen möglichen Bereichen dermaßen verhunzt, daß der Ofen ohnehin aus ist. Früher hat man sich geschämt, wenn man schlecht schreiben konnte. Heute kann man damit kokettieren, es ist gesellschaftlich anerkannt, eine Rechtschreibniete zu sein.
Die guten Schüler werden sich in Fremdsprachen flüchten (ist ja ohnehin modern), die schlechten schreiben nichts mehr, sobald sie die Schule verlassen.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.07.2006 um 16.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4741

Was Weichware angeht: Word 2007 (beta) hat als Standard die Option
"German: Use post-reform rules"
abgeschaltet. Doch selbst wenn man sie einschaltet, wird einem ohne Rückfrage dass in daß und muss in muß verwandelt.
Stängel oder aufwändig werden rot unterschlängelt - d.h. die Option scheint in der Betaversion gar nicht zu wirken. Kann natürlich sein, daß sie einfach noch den aktuellen Reformstand nicht nachvollziehen konnten oder inzwischen denken, die spinnen, die Deutschen...
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 15.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4740

Weichware hin oder her, wir können entweder die gegnerische Allianz zersetzen oder die Weichware angreifen, z. B. mit orthographischen Würmern, die allen möglichen Stuß reparieren.

Aber mal im Ernst: Wenn sich die Verbändeallianz erst einmal streitet, können wir viel besser arbeiten. Zudem müssen die Leser und Schreiber über diese Hanswurstiade aufgeklärt werden. Ich halte beides zusammen für die gegenwärtig beste Taktik.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.07.2006 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4739

Wovor Springer wirklich Angst hat: Wenn Herr Zehetmaier sich nicht gegen die "Krawallmacher" durchsetzen kann, wird Herr Schäuble sie als "Terroristen" bezeichnen, um endlich die Bundeswehr im Innern einsetzen zu können.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 12.07.2006 um 15.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4738

Zum Ausgleich empfiehlt eben der große Vorsitzende das Bertelsmann-Machwerk. Die Inhalte der Reform sind doch allen schnurz. Der Herr Beo kann frei nach Gallmann unterrichten, der Duden macht seine Empfehlungen, Wahrig die anderen, es werden jede Fortbildungen veranstaltet, und der Rubel rollt.

Die Bereitstellung der Weichware benötigt nun mal nicht nur die Macht zur Definition der Inhalte, sondern auch technische Kompetenz. Letztere hängt weniger an Deutschkenntnissen, sondern an Programmschnittstellen etc. Wenn z.B. Bertelsmann keine Chance hat, ein entsprechendes Produkt in akzeptabler Zeit zu liefern, ist das ausreichender Grund, entweder klein beizugeben oder die nötige Zeit auf irgendeine Weise herauszuschinden. Die gedruckten Werke dürften z.Z. als wirtschaftliche peanuts oder sogar als reine Werbekosten für den Weichwaremarkt gelten.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 15.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4737

Lieber Herr Glasreiniger,

glauben Sie wirklich, daß der Sonderweg von Duden und Kerstin Güthert im Rat und bei der Konkurrenz auf große Gegenliebe stößt?

Man kann sich doch leicht ausmalen, daß es hinter den Linien schon Protestnoten hagelt. Wenn die Reform in ihrer Umsetzung in mehrere Varianten zerfällt, steht doch die richtige Rechtschreibung nochmals besser da als ohnehin schon!
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 12.07.2006 um 15.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4736

Die Gleichgültigkeit gibt es zweifellos. Woher aber der Überdruß kommt, ist mir ein Rätsel. Denn uns braucht man doch wirklich nicht zu beachten, nur zu beo-bachten.

Nach diesem Beitrag aus Kalau nun ernsthaft die Ermahnung, nicht auf eine Auseinandersetzung zwischen Duden und Bertelsmann zu setzen. Wenn es eine solche gibt, dann vielleicht im Sinn von Prof. Icklers Prognose der wirtschaftlichen Übernahme, aber niemals über die Inhalte der Deform. Der entscheidende Hebel im Moment dürfte wohl die Gebrauchstauglichkeit der von Mannheim angekündigten Weichware sein.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 15.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4735

Der Herr Materazzi (auf http://www.spiegel.de/fotostrecke/0,5538,PB64-SUQ9MTQ5MjAmbnI9NQ_3_3,00.html am Boden liegend) brauchte auch nur ein Wort mit 7 Buchstaben zu murmeln, um den Herrn Zidane auf Nimmerwiedersehen zu versenken.

Wir können auch Fouls provozieren, vor allem sollten wir die Gegner in die Enge treiben und irritieren. Dann machen sie Fehler.

Bedenken Sie auch, daß der Rechtschreibrat, Frl. Kerstin G., Herr Z. und all die anderen diese Seiten hier sehr fleißig auswerten. Der Duden-Verlag ärgert sich schon jetzt schwarz, daß er sich das Geschäft mit der Traditionsausgabe hat entgehen lassen und ohne Not vom kompetentesten Ratgeber in orthographischen Fragen zu einem veritablen Schundanbieter geworden ist.
 
 

Kommentar von jms, verfaßt am 12.07.2006 um 14.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4734

Für die Rechtschreibung gelten andere Regeln als beim Fußball, da könnte auch Klinsi nichts ausrichten. Aber ein Vergleich mit dem Fußball erhellt vielleicht die Lage.

Eigentlich standen die Reform Kickers von Anfang an im Abseits. Sie haben so viele Eigentore geschossen, daß sie das Spiel längst verloren hätten, wäre der Schiedsrichter nicht parteiisch und hätte er sich nicht vollkommen taub und blind gestellt. Auch wegen der permanenten Groß- und Kleinfouls, Grammatikgrätschen und Kommarempler hätte die gesamte Mannschaft der Reform Kickers längst die Rote Karte bekommen müssen. Aber dann gab es einen Schiedsrichterwechsel und einen Trainerwechsel und eine Verlängerung und noch eine Verlängerung. Und da offensichtlich ist, daß die Reform Kickers beim Elfmeterschießen jämmerlich versagen würden, wird das müde Spiel künstlich immer weiter verlängert. Die Zuschauer haben inzwischen das Stadion längst verlassen und so behaupten die Fans der Reform Kickers frech, daß sie gewonnen hätten. Doch trotz abgeschalteter Flutlichter hören die Reform Kickers nicht auf, schießen weiter ein Eigentor nach dem anderen und merken nicht, daß sie die ganze Zeit gegen sich selbst spielen.
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.07.2006 um 14.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4733

Schön, aber wir wissen ja, wie reißfest heutzutage Abwehrketten sind. (Gunther Sachs fordert deshalb Vergrößerung der Tore!) Mannheim profitiert zudem von einem Schutzwall aus Überdruß und Gleichgültigkeit, gegen den es keine rechtliche Handhabe gibt. Da könnten nur noch präzise gezirkelte Weitschüsse helfen.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 14.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4731

Nein, Herr Eversberg, wir brauchen keinen Klinsmann, solange wir selbst Klose sein können.

Beispielsweise, indem wir jetzt auf breiter Front die Meldung lancieren, daß der Duden sein altes Privileg durchs Hintertürchen wieder an sich reißt und daß Frau Güthert dabei tätig hilft. (Da dürfte auch Geld geflossen sein.)

Eine solche Nachricht ist derzeit sehr leicht zu belegen. Man braucht lediglich die Ratsbeschlüsse, die Güthert-Katalytik und die neuen Wörterbücher aufmerksam vergleichen.

Wir sollten versuchen, Mannheim noch vor der Septembersitzung öffentlich zu demaskieren und gleichzeitig in die Enge zu treiben. Entsprechende publizistische Möglichkeiten klopfe ich gerade ab, und sicher macht unser Mitstreiter in Berlin derzeit das gleiche.

(Dazu gehört auch, Bertelsmann gegen die Mannheimer in Stellung zu bringen, was angesichts der Sachlage jetzt leichter ist als zuvor. Wenn diese Allianz erst gebrochen ist, geht der Rest ganz von alleine den Bach runter. Zur Krake Bertelsmann/VVA/BMG/Random House gehört ein ganzes Bataillon an Zeitschriften...)
 
 

Kommentar von Bernhard Eversberg, verfaßt am 12.07.2006 um 13.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4730

Der Vorsitzende und Rechtschreib-Friedensfürst hätte längst Gründe genug zum Rücktritt, denn die Eigenmächtigkeiten, die inzwischen passiert sind, bis hin zu den durch keine Beschlüsse gedeckten Gelbstreifen des Duden, entwerten die Ratsarbeit. In aufopferungsvoller Behutsamkeit hält er aber weiter dem Geßlerhut die Stange. Die Lage ist indessen desolat genug, daß man einen Klinsmann finden müßte ...
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 12.07.2006 um 13.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4728

Die entscheidende Leistung Z.s ist und war nicht, einen Kompromiß irgendeiner bestimmten Qualität abzuliefern, sondern ihn den krawallmachenden Zeitungen zu verkaufen.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 12.07.2006 um 13.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4727

Ich denke, die Bedeutung des Ratsvorsitzenden für die Zukunft sollte man nicht überbewerten. Wie die Geschäftsführerin sich mit den Wörterbuchverlagen ins Benehmen gesetzt hat, sagt doch eigentlich genug über die Machtverhältnisse. Z. hat seine Schuldigkeit getan, indem er den "Kompromiß" ablieferte. Man darf ihm sogar zubilligen, daß er womöglich ehrlich an eine wie immer geartete Versöhnung geglaubt hat. Alle zukünftigen Aktionen des Rates werden von politischer Seite nicht mehr als hilfreich und der eigenen Machtposition dienlich angesehen, sondern nur noch als Störung der so dringend gewünschten Ruhe empfunden.
 
 

Kommentar von Ballistol, verfaßt am 12.07.2006 um 11.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4726

Der Verlag Hölder-Pichler-Temsky (http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.h/h808247.htm), in dem dieses komische Österreichische Wörterbuch erscheint, lud mich im Jahre 1996 zu einem Vorstellungsgespräch und erklärte mir dann, die RSR sei ja nun beschlossene Sache; und wollte mich beauftragen, die gesammelten Schriften eines stets etwas verdächtig wirkenden Kinderbuchautors namens Thomas Brezina auf Reformschrieb umzuschreiben.

Ich könnte sagen, "ich war jung und brauchte das Geld", aber die Kondensmilch war sauer und flockte im Kaffee, und wir kamen dann auch wegen des Geldes nicht zusammen.

Mein Fazit: eiskalte Zyniker, bis hin zum (finanziell sehr erfolgreichen) Verfasser.
 
 

Kommentar von borella ;-), verfaßt am 11.07.2006 um 23.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4721

Interpretation der Regeltafel des ÖWB (downloadbar):

übereinander reden

Die Infinitivform wird getrennt geschrieben, weil die Betonung nicht auf dem Adverb liegt.

übereinanderredend/übereinander redend

Das Gegenwartspartizip interpretiere ich als "adjektivischen Gebrauch", daher kann zusammen oder getrennt geschrieben werden, "wenn die zu Grunde liegende Verbindung mit dem Verb getrennt geschrieben wird".

übereinandergeredet/übereinander geredet

Das Vergangenheitspartizip interpretiere ich auch als "adjektivischen Gebrauch", daher kann es auch zusammen oder getrennt geschrieben werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.07.2006 um 15.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4706

Da hat unser Glasreiniger wohl leider recht. Man braucht ja nur an das Gerede von der "tätigen Reue" zu denken, das Hans Krieger dem Vorsitzenden einst entlockt hat.

Aber noch zum ÖWB: Laut Probeseite im Internet (mehr kenne ich nicht und werde mir den Band wohl nicht kaufen) ist das E- in "Ecstasy" geschlossen zu sprechen. Wohl eher ein Fehler als eine österreichische Besonderheit.
Das ÖWB hat auf derselben Probeseite "ebenso viel Mal" als Variante von "ebensovielmal"; Wahrig weiß nichts davon. Anscheinend hat man sich doch nicht in allen Einzelheiten abgestimmt.

 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 10.07.2006 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=549#4683

Der Vorsitzende steht keineswegs dumm da, sondern als der alte Fuchs, der er nun mal ist. Was wir hier von ihm halten, ist ihm zweifellos s(S)chnuppe.
 
 

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