zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


05.12.2005
 

Reformiert singen
Gestern einer vortrefflichen Aufführung des „Messias“ beigewohnt

Gesungen wurde in Mischorthographie: "dass" und "lässt", aber "deß" und "das Rauhe". Ähnlich war es bei sämtlichen Darbietungen der letzten Jahre, Passionen, Missa solemnis usw.
Das sind natürlich ganz unwichtige Randerscheinungen, aber sie erinnern einen täglich an die ärgerliche Tatsache, daß zu den bekannten Schwierigkeiten der deutschen Rechtschreibung noch eine völlig unnötige, mutwillig vom Zaun gebrochene zusätzliche Verwirrung kommt. Selbst wenn der Rat für deutsche Rechtschreibung nicht so grotesk besetzt wäre und ordentlich arbeiten könnte, würde er zunächst die Verwirrung noch steigern müssen, bis es wieder einigermaßen manierlich zugeht und das korrekte Schreiben in solchen Texten wieder selbstverständlich wird. Die Halbheiten, die er sich jetzt vorgenommen hat, lassen aber keine Hoffnung aufkommen. Was soll der Vorsatz, das deutsche Schreibvolk mit solchem Unfug zu "versöhnen"?



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Reformiert singen«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Theodor Ickler , verfaßt am 23.10.2016 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#33621

Die Pfälzische Landeskirche hat ein unverkäufliches "barrierefreies Gesangbuch in neuer Rechtschreibung" herausgebracht. (Ist das nicht ein hölzernes Eisen?)

Es scheint sich um ein Buch in Großdruck zu handeln. Mir sind schon ähnliche Ausweitungen des Barriere-Begriffs begegnet. Barrieren für Rollstühle und eben auch für altersschwache Augen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.07.2014 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#26217

Wenn Gewohntes sich verändert, weiß erst mal keiner so recht, wo’s langgeht. Das war bei der Rechtschreibreform so und ist es bei der Umstellung bei Banküberweisungen. Jetzt müssen sich die Katholiken gefasst machen: Nach fast 40 Jahren erscheint ein neues Gotteslob. (Merkur online 2.7.14)

Erbarmen mit den Provinzjournalisten!
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 06.09.2007 um 16.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#10104

Ich muß Sie leider enttäuschen, lieber Herr Schäbler (#1961): Es gibt durchaus bei Kirchens Leute, die mitmachen. Hier ein paar Stichproben aus dem Evangelischen Gesangbuch für die Evangelische Landeskirche Anhalts, die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg, die Evangelische Kirche der schlesischen Oberlausitz und der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Ausgabe 2000:

Unter „Zum Gebrauch dieses Buches“ findet sich als siebenter Punkt folgender Hinweis: »Die vorliegende Ausgabe des Gesangbuchs bietet die Texte in der neuen Rechtschreibung. Das Gesangbuch hat sich jedoch einige von der Normschreibung abweichende Eigenarten bewahrt. So wurde der Gebrauch des Apostrophs auf das Notwendige beschränkt, da bei dichterischer Sprache die zu häufige Verwendung des Zeichens störend wirkt.«

Manche Lieder sind im mehrstimmigen Chorsatz (Ch) wiedergegeben, sonst nur die Melodiestimme (M); als Teil des jeweiligen Notensatzes findet sich bei den Chorsätzen meist der Text mehrerer Strophen, sonst in der Regel nur der der ersten Strophe. Daraus folgende Textpassagen, wobei die Silben einzelnen Noten zugeordnet sind:

Nr. 11, "Wie soll ich dich empfangen" (M): ... mir selbst die Fa-ckel bei ...
Nr. 29, "Den die Hirten lobeten sehre" (Ch, 2. Strophe): ... in eim Krip-pe-lein na-ckend, bloß ...
Nr. 33, "Brich an, du schönes Morgenlicht" (M): ... Hir-ten-volk, er-schre-cke nicht, ...
Nr. 41, "Jauchzet, ihr Himmel" (M): ... froh-lo-cket, ihr En-gel ...
Nr. 46, "Stille Nacht" (M): ... Kna-be in lo-cki-gem Haar ...
Nr. 115, "Jesus lebt, mit ihm auch ich" (M): ... wo sind nun dei-ne Schre-cken ... von den To-ten auf-er-we-cken ...
Nr. 218, "Schmücke dich, o liebe Seele" (M): Schmü-cke dich ...
Nr. 447, "Lobet den Herren, alle die ihn ehren" (Ch, 2. Strophe): ... so vä-ter-lich be-de-cket ... uns fröh-lich auf-er-we-cket ...
Nr. 467, "Hinunter ist der Sonne Schein" (Ch, 4. Strophe): ... Vor Schre-cken, Angst ...

Besonders pikant nach der Revision von 2006:

Nr. 98, "Korn, das in die Erde" (M): ... aus dem A-cker ...

Andererseits findet sich bei Nr. 372, "Was Gott tut, das ist wohlgetan" durchgängig die Zusammenschreibung wohlgetan.
 
 

Kommentar von nos, verfaßt am 18.12.2005 um 18.58 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#2012

"Müs-siggang" ist aller La-ster Anfang

Laut Duden gilt das „Kabarett“ als zehnte Muse, und da die anderen neun (eigentlich eigentlichen) Musen unerwähnt bleiben, halte ich es getrost mit der benannten Göttin, deren Küsse jeden Geküss-ten dahinraffen.

Heute hat mich bezeichnete Muse geküßt, als ich im Einheitsduden von 1996 geblättert habe und die Seite 510 aufschlug. Da stand „Mußestunde“! Und zwei Zeilen tiefer haben mir Konrads Erben suggeriert, daß das mit „Müßiggang“ und „Faulenzerei“ verwandt sein soll.

„Aber nein doch“, hat meine zehnte Muse gesagt, „du arbeitest doch, du bist doch nicht müßig, laß dich durch Namen, Schall, Rauch und Buchstaben nicht verwirren. Schau mal ins Schweizer Wörterbuch, dann küss’ ich dich von neuem!“

Habe ich mich doch gleich an die Hauptmuse, (meines Wissens heißt sie „Musica“), erinnert, deren Küsse auch nicht von übel sind, und habe – zumindest in Gedanken – ein Schweizer Chorblatt aus dem Kanton Uri angeschaut, auf dem die alte Weisheit „Vom Gessler’schen Müssiggang“ intoniert war.
„Hört mal“, habe ich zu zweien der zehn Musen gesagt: „Die Schweizer Sänger sollten im deutsch-deutschen Chorvergleich immer einen Bonus kriegen, weil sie etwas richtig singen, was falsch dasteht.“

Über den Rest will ich schweigen, denn Musen küssen nur denjenigen, der über Interna und Intimitäten nichts weitererzählt.

 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 16.12.2005 um 14.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1986

„Ich nix mehr weiss“

Man muß wohl ein bißchen überlegen, um die Überschrift zu verstehen. Schließlich birgt sie Doppeldeutigkeit.
Spricht/schreibt da ein Farbiger? Oder hat da einer keine Lust mehr, weiterzudiskutieren?
Schreibt da vielleicht gar ein Schwyzer, dem wir das „ss“ nach Doppellaut als einzigem unter allen (der deutschen Sprache halbwegs Mächtigen) durchgehen lassen können – aber trotzdem nicht genau wissen, ob er lange genug in der Sonne gelegen hat, oder ob er am Ende seines Wissens angelangt ist?

Es scheint eine Crux mit dem Buchstaben „s“ in der deutschen Sprache.
Kein Buchstabe wird häufiger gebraucht und gewandelt, um eine begriffliche Differenzierung zu kennzeichnen („Maße, Masse, Buße, Busse, weisen, weißen, miß-, mies, daß, das ...“).
Kein Buchstabe taucht häufiger im Bereich der Silbenfuge (im besonderen bei Zusammensetzungen/“Schluß-spurt, Wissen-stand, Wissen-sdurst“) auf.
Kein Buchstabe wurde häufiger zur Ligatur geschmiedet („ß, st, sch ...).
Kein Buchstabe erfuhr eine derartige Sonderbehandlung, wie sie am deutlichsten in der „Fraktur“ und in der „Sütterlinschrift“ dem Verstand nahegebracht wurde.

Zu allen Zeiten haben Sprachforscher und Sprachpädagogen darum gekämpft, dieses Phänomen, das sich hinter dem Buchstabens „s“ verbirgt, weiterzuvermitteln. Sie sind dabei so weit gegangen, den Buchstaben „ß“ zu erfinden, dem die entsprechende Majuskel fehlt, und welcher sowohl nach lang- als auch nach kurzgesprochenem Vokal gesetzt werden darf.
Verstehen kann dies nur derjenige, der sich dem Rhythmus sowie dem Erfahrungs- und Erfindungsreichtum der Sprache und seiner Sprecher/Schreiber unterordnet!

Das heißt: Eine Beschäftigung mit Sprache muß danach streben, Verständnis für die Wandlungen der Sprache zu vermitteln! Es gilt, den tiefen Sinn von Normen zu begreifen, diese in der geschichtlichen Betrachtung als trefflichste Regelung herauszuarbeiten, das Wissen darüber nicht vergessen zu lassen!

An Herrn Stodtmeister:
Das Argument: „Es gibt den Schriftsetzer und den Bleidruck nicht mehr“ dient doch ausschließlich dazu, die tiefergehende Beschäftigung mit dem Lerngegenstand zu unterbinden. Ein Verhöhnen derjenigen, welche die alte Schülerregel „Trenne nie st, denn es tut ihm weh!“ verteidigen, vernebelt die Tatsache, daß dieser Trennbereich jahrzehntelang erfolgreich bewältigt wurde, was mit dem Schriftsetzer nicht die Bohne zu tun hat!
Zum dritten sind uns allen die Sprachkapriolen „Wohnung-stür und Frühstück-stee“ bekannt, und es gibt wohl keinen Lehrer, der beim Aufstellen seiner Regel nicht darauf hingewiesen hätte, daß das „s“ auch oftmals als Fugenlaut in Erscheinung tritt und in solchem Falle vom „t“ abgespalten werden muß.

Trotz meines Wissensvorsprungs bin ich an einem weiteren Gedanken-„au“-stausch selb-stredend interessiert, auch wenn das manchmal weh tut.

 
 

Kommentar von Karin Pfeiffer-Stolz, verfaßt am 16.12.2005 um 08.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1984

Der Buchstabe s

"... Nicht nur wegen der Wortbildung, die hier abgebildet wird, sondern auch, weil das s als Auslaut am Ende der Zeile nun einmal der häßlichssss- te Laut ist; es verlängert sich im Gehör des Leser ..." Das haben Sie sehr schön gesagt, Herr Wrase! Der Buchstabe s ist breit und dick, er hockt wie eine Kröte im Textband. Sein Anblick erzeugt ein bestimmtes, unbewußtes Gefühl. Wenn zwei oder drei dieser "Kröten" zusammenkommen, hängt das Auge unwillkürlich ihnen fest. Es "spricht" tatsächlich etwas im Geiste mit, wenn wir lesen.

"Trenne nie st": Ich hatte das schon an anderer Stelle einmal gesagt, doch sei es hier wiederholt: diese Regel gefiel den Kindern sehr, und selbst das Schlußlicht in der Klasse hat sie beherrscht - und war darauf stolz. Meine Schülern mochten den Merksatz, sie haben darüber gelacht und es beim Schreiben richtig gemacht (reimt sich). Diese einfachen und liebenswerten Dinge der Pädagogik des Rechtschreibens haben die Reformer den Kindern genommen und sie durch kalte, mechanistische "Regeln" ersetzt, die niemand versteht, auch nicht verstehen will, weil die Sprache ein Ausdruck des Seins, des menschlichen Gefühls, ist. Sprache ist Leben, das wollen oder können unsere Reformer nicht verstehen und wundern sich über die emotional geführte Diskussion.

"Nassschnee", das ist, was wir zur Zeit in Salzburg haben. Wie sieht dieses Wort aus? Ein glattgebügelter Wurm mit einem Kopf. Wenn nun noch die Verfechter der Kleinschreibung daran herumbasteln dürfen, dann wird daraus ein kopfloser Wurm: "nassschnee". Wer will behaupten, daß dieses Stück konturloser Wortbrei noch gut lesbar ist? Wozu haben wir denn Buchstaben, die unterschiedlich hoch, lang, breit sind - vielleicht sagen uns das die Reformbewegten einmal!
 
 

Kommentar von Walther Stodtmeister, verfaßt am 16.12.2005 um 07.15 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1983

Vernünftige Entscheidungen sind möglich: auch in der Diskussion um die Rechtschreibung. Der Grundsatz, Wörter nach Silben zu trennen, die beim langsamen Sprechen erscheinen, ist zum Beispiel so einleuchtend, dass wir ihm (ohne Volksabstimmung) zustimmen können. Wie vernünftig er ist, hat die Diskussion über Silbe und Vokalqualität im Deutschen noch und noch bestätigt. Gegen alle Vernunft halten die Verfechter des Hergebrachten am Trennungsverbot von S und T fest (ro-sten), und die Neuschreiber antworten mit einem ebenso unvernünftigen Abtrenngebot für das T (hus-ten, leis-ten, schöns-ten). Die Wortliste nach dem Paradigma „ro-sten“ ist viel umfangreicher als die der Wörter mit langem Vokal oder Diphthong vor S und T. Darauf möchte ich hinweisen – mit großem Vergnügen an diesem Ort freundlichen Gedankenaustauschs.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.12.2005 um 04.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1972

Hols-tentor – hübscher Fund. Gerhard Augst würde vermutlich argumentieren, daß die meisten Deutschen glauben, es sei nach einer Biermarke benannt.

Und im übrigen – singt man nicht eigentlich Stiehiele Nacht? Das würde jedoch so niemand drucken wollen. Der Tannenbaum mit seinen Blättern ist ja schon peinlich genug. Aber Anglisten singen zu der Melodie ohnehin etwas anderes: The people's flag is deepest red, It shrouded oft our martyr'd dead . . .
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 15.12.2005 um 03.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1971

... Die Trefferquote der Neuregelung für die Vokalqualität dürfte jedoch insgesamt höher sein als die der herkömmlichen Trennung, die wohl nur eine Kapitulation vor bequemen Schriftsetzern war, die automatisch zur Ligatur von S und T griffen. Die Setzkästen sind samt Ligaturen inzwischen aus den Druckereien verschwunden, so dass wir das Problem vernünftig regeln könnten.

So so, "wir" könnten also ein Rechtschreibproblem vernünftig regeln? Unter "wir" verstehe ich in diesem Zusammenhang die ganze betroffene Bevölkerung. Die Reformer, denen Walther Stodtmeister hinterherrennt, verstehen darunter sich selbst, auch wenn sie stabile Mehrheiten von 80 bis 90 Prozent und haufenweise Argumente gegen sich haben. Sie haben sich einen Dreck darum gekümmert, was wir wollen, und daran hat sich nichts geändert. Wir könnten das Problem Rechtschreibreform in der Tat sofort vernünftig regeln: Befragung aller Betroffenen, Mehrheitsentscheidung - weg ist es. Mit diesem einfachen und bewährten Vorgehen können Sie sich vermutlich nicht identifizieren, Herr Stodtmeister. Die Mehrheit ist bei Ihnen im Wort "wir" nicht enthalten.

Die Nichttrennung von st ist tatsächlich eine Spur unsystematisch. Wie immer sie zustande gekommen ist - sie hatte jedoch insgesamt eine höhere Zuverlässigkeit ("Trefferquote") und ästhetische sowie vor allem praktische Vorteile, ist also insgesamt deutlich überlegen. Wie trennt man Konstanz? Das Fremdwort Kon-stánz, die Stadt Kóns-tanz, oder wie? Das Hols-tentor in Schleswig-Hol-stein ... ist das etwa vernünftig? (Wie man singt, ist in Einzelfällen interessant, kann aber nicht die Grundlage für eine Regelung der Trennung sein. Diese muß sich nach dem normalen Lesen richten, bei dem der Leser sich den Text nicht mit überdehnten Vokalen vorsingt, sondern in natürlicher Lautung gedanklich mitspricht.)

Die Trennung schöns-te muß man zwar nicht gleich barbarisch nennen, aber die Trennung schön-ste, ist sie nicht einfach schöner? Nicht nur wegen der Wortbildung, die hier abgebildet wird, sondern auch, weil das s als Auslaut am Ende der Zeile nun einmal der häßlichssss- te Laut ist; es verlängert sich im Gehör des Lesers, der erst einmal zur Fortsetzung am Anfang der nächssss- ten Zeile springen muß. Und auch deswegen, weil schöns- sieben Zeichen lang ist, die Fortsetzung te aber nur knapp zwei ("knapp zwei", weil das t oft nur ein Strich in der Landschaft ist). Und auch deswegen, weil st eben sehr eng zusammengehört, nicht nur ehedem im Bleisatz, sondern schon in der Sprache. Deswegen ist es mit Abstand die häufigste Konsonantenverbindung am Anfang einer Silbe, mit entsprechend zahlreichen Zweifelsfällen, die sich ergeben, wenn man neuerdings "vernünftig" beurteilen soll, ob es sich um einen solchen Silbenanfang handelt oder ob die Silbengrenze zwischen s und t verläuft.

Nach der noch von Ästhetik geprägten professionellen Auffassung, daß man nur zwei Zeichen gar nicht als Rest dulden sollte, also mindestens drei Zeichen braucht, könnte man schönste und viele andere, teilweise recht lange Wörter übrigens gar nicht mehr "vernünftig" zwischen s und t trennen. Dabei sind Superlative keineswegs eine Randerscheinung, sondern die Texte wimmeln nur so von ihnen. Noch mehr Vorteile ergeben sich bei den zahlreichen Silbenanfängen in Fremdwörtern wie bei Re-staurant, wo sich das Volk neuerdings nicht einig ist, ob Res-taurant "vernünftig" ist (Stodtmeister) oder "barbarisch" (ebenfalls Stodtmeister). Mit dem ach so herkömmlichen Vers "Trenne nie st ..." (hat das jemanden überfordert?) alles kein Problem. Manche Leute interessiert es eben nicht, wie viele Probleme ihre vernünftige Lösung uns in der Realität aufnötigt. Das gilt ganz typisch für die Erfinder und Anhänger der Rechtschreibreform.
 
 

Kommentar von nos, verfaßt am 14.12.2005 um 23.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1970

Verkehrtes Wissen

Es wird wohl Probleme geben, im deutschen Liedgut differenzierende Trennfugen in den Worten ra-sten (von rasen) und ra-sten (von rasten) aufzufinden. Genausowenig dürfte bei Goethe die Differenzierung des Wortes „ko-sten“ nachweisbar sein, obwohl jener nachweislich Liebkosender als auch Kostgänger war.

Vielleicht macht es uns unzufrieden, daß wir die Agitation in uns eingesogen haben.
Früher kamen wir mit derartigem Trennungsverfahren zurecht, obwohl und weil wir wußten.
Im Gegensatz dazu haben wir heute ausuferndes Wissen, und wir kommen nicht mehr zurecht.

 
 

Kommentar von Geschirrspüler, verfaßt am 14.12.2005 um 23.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1969

Ebenfalls: "sie ko-sten" vs. "sie kos-ten".
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 14.12.2005 um 22.21 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1968

2 Affen ra-sten durch den Wald. Der eine macht den andern kalt.

Ich habe doch nur dafür plädiert, daß der Schriftsetzer oder der Dichter seinen vereinbarten Lohn kriegt, daß der Sänger weiterhin so singen darf, wie es ihm der Chorleiter oder aber sein eigenes Gesangsverständnis ans Herz legt. Und ich kann doch nichts dafür, wenn man den bleiernen Schriftsetzer heute nicht mehr braucht, und noch viel weniger kann ich dafür, wenn ein Chorleiter künftighin seinen Chor fehlgeleitet dirigiert, oder wenn irgendein Anonymer seinen Chor verläßt.
Den Heiligen Abend hatte ich im Visier, an dem selbst ein streitbarer Stodtmeister zum verfügbaren Mitsänger wird.
Im übrigen haben weder Herr Schultz noch ich etwas von festen Trennfugen behauptet. Wir sprachen von sinnvollen Anleitungen, und die Variation („ra-sten vs. ras-ten“) hat wohl beiden von uns gefallen.

 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 14.12.2005 um 21.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1967

Mag es auch sein, daß in einigen Fällen die Trennbarkeit von st durchaus seine Vorzüge habe; die Praxis der Neuschreiberei beweist aber auch, daß uns die schlichte, einfach zu lehrende Regel der Nichttrennbarkeit viele sinnwidrige Trennungen erspart hätte (Ins-titut z.B.) wg. der vielen mit st anlautenden Wortstämme. Allein die Trennung Abs-traktion ist mir als tatsächliche Verbesserung aufgefallen.
 
 

Kommentar von Walther Stodtmeister, verfaßt am 14.12.2005 um 20.56 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1966

Es wird nicht „reformiert“ oder nach herkömmlicher Trennungsregelung gesungen, sondern es wird weiterhin nach den Regeln des Gesangs verfahren, und das heißt für den Kantor, dass er seinen Chor dazu bringt – wider alle Sprechgewohnheit – das offene I von „Stille Nacht“ über zwei Noten hinweg bis hin zur dritten Note mit dem L zu dehnen. Und falls Konrad Schultz bei der herkömmlichen Trennungslehre bleiben will, muss er durch die von ihm verteidigte Trennung „Chri-stus“ auf die Kennzeichnung der Vokalqualität verzichten. Das ist zwar inkonsequent, aber eine Praxis, die keine großen Schäden angerichtet hat.

Ich kann das Erschauern nachempfinden, das Frauenstimmen mit einem durch Mark und Bein dringenden geschlossenen I der „Stillen Nacht“ in heimatlichen Kirchen auslösen. Doch Norbert Schäblers Parole „Es lebe das Bewährte“ hält mich nicht davon ab, die Folgen des von ihm verteidigten Trennungsverbots von S und T zu registrieren: „liebko-sten“ und „Hu-sten“ kennzeichnete zwar die Vokalqualität richtig, aber wie steht es damit bei „Ko-sten“, „ro-sten“, „ba-steln“, „fa-sten“, „Re-ste“, „ausmi-sten“, „lu-stig“? Die Neuregelung ist in diesen Fällen eindeutig besser. Dafür müssen wir bei sturem Abtrennen des letzten Konsonanten „Os-tern“, „Hus-ten“, Vergangenheitsformen wie „ras-ten“ von „rasen“ hinnehmen, auch „Küns-te“ sowie „kühns-te“ und das barbarische Paradigma „schöns-te“ aus dem Duden 2000 (K 164). Die Trefferquote der Neuregelung für die Vokalqualität dürfte jedoch insgesamt höher sein als die der herkömmlichen Trennung, die wohl nur eine Kapitulation vor bequemen Schriftsetzern war, die automatisch zur Ligatur von S und T griffen. Die Setzkästen sind samt Ligaturen inzwischen aus den Druckereien verschwunden, so dass wir das Problem vernünftig regeln könnten.

 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 13.12.2005 um 18.03 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1961

Es lebe das Bewährte!

Heute in der Bücherei habe ich die aktuell vorliegende Ausgabe des katholischen Gesangbuchs „Gotteslob“ (1998) durchgeblättert und fand darin keinerlei Neuschreibung.
Im Verlaufe eines Anrufs beim Echter Verlag Würzburg wurde mir zudem erklärt, daß auch die neueste Auflage (2000) keine rechtschriftlichen Änderungen enthalte und daß derartiges auch in Zukunft nicht vorgesehen sei.
Damit wurden meine Zweifel zerschlagen. Das heißt: Die Kirche beugt sich nicht dem Diktat der Politik! Für meine Unterstellung (Stichwort: „Konkordat“) will ich mich hiermit entschuldigen.

Ein bißchen genasführt habe ich offensichtlich Herrn Konrad Schultz mit meinem ironisch eingefärbten Beitrag „Stumpfsingers Freuden“. Dabei denke ich doch genau in die gleiche Richtung wie Herr Schultz selbst und verteidige die althergebrachten und auf Systematik beruhenden Trennregeln als bewährte Anleitungen.
Zu keinem Zeitpunkt gab es eine Notwendigkeit, dieses System zu ändern, denn Lehrer und Schüler, Dirigent und Sänger, Dichter, Schriftsetzer und Schauspieler waren jederzeit in der Lage, der scheinbar toten Trennvorschrift ein situationsspezifisches Leben einzuhauchen.
Herr Schultz hat die operativen Handlungen, die speziell beim Singen notwendig sind, sehr treffend ausgedrückt. „Für die Bezeichnung der Vokallänge sind die Noten da, für die Vokalqualität ist die Syllabierung ein guter Einfall.“

 
 

Kommentar von Konrad Schultz, verfaßt am 12.12.2005 um 21.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1951

Liebe Herren Stodtmeister und Schäbler,
Ich glaube schon, daß Sie gut singen. Aber wenn ich Ihre Ausführungen lese, sehe ich mich in diesem Glauben nicht direkt bestätigt. Ich hoffe nämlich, daß eben gerade nicht "Stiele Nacht" gesungen wird. Bei uns wurde nämlich, meines Erachtens zu Recht, zwar ein langes, aber doch offenes i gelehrt, dasselbe i wie beim Sprechen von "Stille", nur länger.
Hier gibt die Schreibweise in den Gesangbüchern genau die richtigen Hinweise: "Stil-le" weist darauf hin, das i offen zu artikulieren, wie in geschlossenen Silben üblich. "Sti-le" wäre, wegen der offenen Silbe, mit geschlossenem i zu singen. Aus genau diesem Grunde wäre auch ein gesungener "A-cker" statt "Ak-ker" oder meinetwegen "Ac-ker" völlig verfehlt: Die offene Silbe verführt zur falschen Vokalqualität. Für die Bezeichnung der Vokallänge sind die Noten da, für die Vokalqualität ist die Sillabierung ein guter Einfall.
 
 

Kommentar von Norbert Schäbler, verfaßt am 12.12.2005 um 20.08 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1950

Stumpfsängers Freuden

Nachdem unser katholisches Gesangbuch zum Lied 145 (Stille Nacht) keinen Aufschluß gibt, habe ich mir ein Buch gekauft, in dem der Liedtext von Joseph Mohr der Melodie von Franz Gruber unterlegt ist. Dort heißt es doch tatsächlich „Stil-le Nacht“, und auf der ersten Silbe („Stil-“) sind sowohl eine punktierte Viertel- als auch eine Achtelnote zu singen.

Ehrlich! Ich packe das nicht mit diesem verdammten Silben-Verschluß-L! Vermutlich bin ich Vokalfetischist, oder ich kränkle an grundsätzlichen Sangeserinnerungshemmungen!
Jedem anderen leicht zu Verunsichernden wäre das wohl Grund genug, Expertisen einzuholen (in der Kantorei, der Linguistik, der Jurisprudenz, der Politik, beim Kurat und letztlich in der Handwerkerinnung)!

Ich selbst werde mich allerdings ausschließlich dann beugen, wenn es den Glasbläsern (resp. der gesamten Handwerkerinnung) nicht gelingen sollte, ein fundiertes Unbedenklichkeitsurteil vorzulegen.
Denn immerhin habe ich über Dezennien hinweg dem Dorftenor meine Stimme geliehen und das übliche „Stie-ille Nacht“ mit deutlich heraushörbarem Doppel-i geschmettert. Und außerdem war es mir jahrzehntelanger Genuß, während des Singens dem Sopran zu lauschen, bei dessen hellgellendem Dreifach-i – (das hatte fast das dramaturgische Ausmaß eines Hi-i-ilferufs) – man sogar um die Butzenscheiben fürchten mußte.

Auf eines freue ich mich ganz besonders in der weihnachtlichen Christmette, nämlich darauf, daß das Licht ausgeht und der Orgelspieler die Melodie von Gruber anstimmt. Dann werde ich wieder das leichte Frösteln kreuzaufwärts spüren, und kreuzabwärts wird sich die Genugtuung breitmachen, daß die Lackaffen vom „government“ jetzt nicht mehr zu sehen sind und sich zudem akustisch und haptisch dem Volksgesang unterordnen.


 
 

Kommentar von Walther Stodtmeister, verfaßt am 10.12.2005 um 14.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1927

O ihr Schrift-Gelehrten! Ein Kantor lässt nie und nimmer nach bewährter alter Rechtschreibung singen – wir würden ihn sonst schon nach dem zweiten Wort des Weihnachtsoratoriums („froh-lok-ket“) als Stümper einstufen. Natürlich singt die Kantorei im Eingangschor „froh-lo-cket“, und zwar mit der freudig hüpfenden Allegro-Artikulation, die am äußersten Ende der Achtel ein winziges Päuschen eintreten lässt. Obwohl die Achtel fast gleich lang gesungen werden, nimmt der Hörer in „froh“ ein langes O wahr, denn es ist geschlossen, und das offene O in „locket“ wird als kurzes gehört. Ähnliches hat Martin Valeske am offenen und geschlossenen E-Laut beobachtet.
Auch bei herkömmlicher Silbentrennung werden niemals zwei Verschlusslaute hintereinander gesprochen, außer beim pedantischen Syllabieren. Die Schreibweise „lok-ket“ deutet an, dass Sprecher den ersten Vokal durch Verschluss des Gaumens kürzen und die zweite Silbe mit der Explosion des K beginnen; es wird immer nur ein K gesprochen. Für den Explosivlaut P gilt dasselbe: Selbstverständlich singt die Kantorei im Choral „Ich steh an deiner Kri-pen hier“ in schönem Legato mit einem langen I und keinesfalls „an deiner Krip-pen hier“. Im Rezitativ berichtet der Evangelist jedoch parlando, dass Maria ihren Sohn „in eine Krip-pen“ (mit kurzem I und einem P-Laut) legte.
Offensichtlich verfahren Sprecher und Sänger mit der Silbentrennung sehr differenziert – zu differenziert für das Trennungsreglement eines deutschen Wörterbuches, das sich nicht auf jahrhundertelang ausdifferenzierte Stile der Sprech- und Gesangskultur, sondern auf ein schematisches Skandieren von Silben beruft und für verzwickte Fälle simple Faust-, Rohrstock- oder Rotstiftregeln bietet. Dass solche Trennungsregeln nicht letztlich befriedigend sein können, war bisher weder unerträglich noch hinderlich. Lassen wir doch einfach S und T beisammen oder trennen S von T: beide Regeln führen zu eigentlich falschen Schreibungen. Wir müssen eben mit redaktionellen Vorschriften leben, sofern wir öffentlich wirken wollen. Privat kann uns sowieso keiner etwas aufzwingen.
Die vom Wort „mei-sten“ geweckte Freude, dass der Gesang eine bevorzugte Art schriftlicher Silbentrennung rechtfertigen könnte, war trügerisch, und ein weites Feld der Empirie tut sich auf. Ein empfindsamer Schreiber trennt ohne Rücksicht auf Regelwerke „Im Wes-ten nichts Neues“ anders als „Seine Gebeine verwe-sten“. Daraus könnte eine Zusatzregel abgeleitet werden: Nach kurzem Vokal trennen wir „ras-ten“, nach langem Vokal „ra-sten“. Das wäre zwar genauer als die Einheitsregel, aber unpraktisch.
Die Rechtschreibung soll uns die Weihnachtsfreude nicht vergällen. Auch ich habe den „Messias“ gehört, festlich eingestimmt durch die Groß- und Kleinschreibung im Programmheft: For unto us a Child is born, unto us a Son is given; and the Government shall be upon his Shoulder.


 
 

Kommentar von nos, verfaßt am 07.12.2005 um 00.12 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1907


Lied 419

Im evangelischen Kirchengesangbuch (herausgegeben auf Beschluß der Ersten Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vom 14. April 1950) findet sich unter Nr. 419 folgender (insgesamt fünfstrophiger) Liedtext, der nach der Weise „Ich weiß, woran ich glaube“ zu singen ist:
„Die Nacht ist vor-ge-rük-ket, die Nacht-zeit die-ser Welt: die uns den Sinn be-rük-ket, mit al-lem, was ge-fällt: dem stol-zen Ü-ber-mu-te und nicht-ger Ei-tel-keit samt dem, was Fleisch und Blu-te will schmei-cheln je-der-zeit.“ (Die Sprechsilben der hier zitierten ersten Strophe sind dem fünfzeiligen Notensystem und den Notenwerten zugeordnet).

Ich stelle hierzu (in gewohnter Ironie) fest, daß im evangelischen Gesangbuch vorschriftsmäßig nach der damals gültigen weltlichen „k-k-Regel“ getrennt wurde, daß man aber im Worte “Ü-ber-mu-te“ der inzwischen wieder revidierten Rechtschreibreformregel – „der Einzelabtrennung von Buchstaben“ – vorgegriffen hat.
Daneben führe ich meine Eigenerfahrung an. In Erinnerung an meine Ministrantentätigkeit und in Erinnerung an zahlreiche Kirchenbesuche (ökumenisch) kann ich objektiv formulieren, daß in beliebigen Liedtexten innerhalb beliebiger kirchlicher Gemeinden gar mancher Notenwert mini- oder maximiert wurde, gar manche Sprechsilbe alternative Singweise hervorrief, und daß so mancher Notenhöhe zumindest ein „b“ oder ein „#“ abging. Mir drängte sich häufig der Verdacht auf, daß es jenseits der Kirchenfürsten graue Eminenzen und selbsternannte Dirigenten (Regenten) gibt und gab.

Abschließendes (zynisch formuliertes) Postulat: Es wäre zu überprüfen, ob es ein neues Konkordat gibt; ein solches zwischen Phonetik und Kirche. Und es wäre notwendig, einen Keil in diese Verbindung zu treiben. Konkordate nämlich haben selbst damals nichts getaugt, als die Kaiser noch zu Fuß nach Rom wallten.

Neue Gesangbücher der beiden sog. christlichen Konventionen werde ich untersuchen, und werde dann wohl auch die Frage stellen müssen, welche Synode (oder welche Bischofskonferenz) in welcher, dem Entschluß vorausgehenden Zeit, in welcher Entscheidungszeitspanne, in welchen Mehrheitsverhältnissen, wie und warum befunden hat.
(Sollte man Ratzinger befragen??)

Einstweilen empfehle ich das dauerhafte inhaltsschwangere Singen von Lied 419 (alle fünf Strophen) nach dem Wortgut von Hans Zimmermann (geb. 1896) und der Melodie von Heinrich Schütz/1628. Die Sprechsilbenzuordnung mag sich ein „freier Christenmensch“ (Zitat: Luther) selbst verordnen.

 
 

Kommentar von Chr. Schafer, verfaßt am 06.12.2005 um 21.39 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1904

Möglicherweise sind diese Fehler ebenso erfunden wie die "Etymologien" von Lieschen Müller oder das Stammprinzip als Grund für die Neuregelung der ss/ß-Schreibung. Man möchte ja nichts unterstellen, aber es drängt sich immer wieder der Eindruck auf, die Reformer hätten die Probleme erst "entdeckt" als sie sie schon gelöst hatten, sprich, die willkürlichen Änderungen unter Dach und Fach waren.

Was die Datierung dieser Schreibweise angeht, stimme ich Herrn Salzburg zu. Aber sie muß nicht verwundern, war Herr Augst doch auch genötigt, Friedrich von Hagedorn als Zeugen für das Vorkommen von "einbläuen" zu bemühen. Warum nicht noch ein bißchen weiter zurück in der Zeit, wenn die Sprache der Gegenwart sich erdreistet, nicht mit der eigenen Theorie übereinzustimmen?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.12.2005 um 21.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1903

Ein Blick ins Netz zeigt die Haltlosigkeit dieser Behauptung. Weder sind diese Schreibungen häufig, noch immer falsch: Meist stammen sie aus alten, z. T. niederdeutschen Texten. Empirie war einfach nicht die Stärke der Kommission.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 06.12.2005 um 19.50 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1902

... häufige Falschschreibungen „Falcke“ usw.? Das soll wahr sein? Ich bin zwar kein Lehrer, aber solche Schreibungen kenne ich nur aus dem 17. Jahrhundert.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 06.12.2005 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1901

Herr Valeske hat sich richtig erinnert. Auf S. 52 des ersten Kommissionsberichts steht:

»Analyse
Es ist zwar linguistisch so, dass ck für kk steht (vgl. § 3), aber gerade die Schreibung c + k verdunkelt dies, wie ja auch die häufige Falschschreibung ck nach l, n, r beweist: Falcke, dencken, mercken. Man kann daher annehmen, dass die Analogie zu sch und ch gerade für Nichtlinguisten so stark ist, dass das Beisammenlassen von ck in der Trennung für sie kein Problem darstellt.

Entscheidung der Kommission
Es besteht kein Handlungsbedarf.«

(vgl. http://www.argumente.de/ar/thread.php?threadid=392&boardid=24)
 
 

Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 05.12.2005 um 16.06 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1886

Bei der k-k-Trennung erhält der vorangehende Vokal wegen des folgenden Doppelkonsonanten (die zwischenstaatliche Rechtschreibkommission hat übrigens, wenn ich mich recht erinnere, schon in ihrem ersten Bericht zugegeben, daß es sich beim ck um einen Doppelkonsonanten handelt, das Festhalten an der Nichttrennbarkeit jedoch mit dem Hinweis auf ein potentielles diesbezügliches Nichtwissen eines Teils der Sprachgemeinschaft zu rechtfertigen versucht!), wie es beim Sprechen der Fall ist, auch beim Singen eine charakteristische Einfärbung, die ihn von einem Vokal vor einem einfachen Konsonanten unterscheidet.
Beispiele aus dem Evangelischen Gesangbuch:
Ich steh in meines Herren Hand und will drin ste-hen bleiben... (EG 374,1)
Hier singt man ein breites, helles e.
Wir strek-ken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit... (EG 642,1)
Nun bringen wir den Leib zur Ruh und dek-ken ihn mit Erde zu... (EG 669,1)
Hier wird der Vokal e kurz gesungen und klingt ein wenig wie ein ä.
 
 

Kommentar von nos, verfaßt am 05.12.2005 um 14.27 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1885

Lied 144 (k-k-Trennung)

Nach katholischem Gesangbuch „Gotteslob“ (herausgeben von den Bischöfen Deutschlands und Österreichs und der Bistümer Bozen-Brixen und Lüttich) sang man 1975 im Weihnachtslied Nr. 144 die Sprechsilben wie folgt:
Jauch-zet ihr Him-mel, froh-lok-ket ihr En-gel in Chö-ren ...

Gefunden in „Gotteslob“ ISBN 3 429 00404 7, Jahrgang 1975, S. 218

 
 

Kommentar von WL, verfaßt am 05.12.2005 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1884

Interessant wäre, wie die k-k-Trennung bisher gesungen wurde.

 
 

Kommentar von Martin Valeske, verfaßt am 05.12.2005 um 12.41 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=312#1883

Glücklicherweise singen wir mit unserer Kantorei aus Notenmaterial, das ausschließlich die alte Orthographie enthält. Mir ist aber schon häufig aufgefallen, zuletzt bei unserer Aufführung des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach am vergangenen Sonntag, daß eine Umstellung auf die neue Rechtschreibung vor allem im Bereich der Silbentrennung, die in Vokalwerken eine wichtige Rolle spielt, eine unnatürliche Textdeklamation zur Folge hätte.
Beispiel für die Verteilung von Silben auf verschiedene Noten(werte): das zweisilbrige Wort (die/am) "meisten". Beim Singen wird zwischen "mei" und "sten" eine natürliche Trennfuge gesetzt, also: "mei" (langer Ton) - "sten" (kurzer Ton). Liegt dem Notentext die neue Rechtschreibung zugrunde, wird daraus: "meissss" (langer Ton) - "ten" (kurzer Ton), d.h. das s schwillt zu einem langen und lächerlich wirkenden Zischlaut an. Unser Kirchenmusikdirektor würde Purzelbäume schlagen. Und wohl nicht nur er.
"Trenne nie st, denn das tut den beiden weh" - diese Regel hatte schon ihren guten Sinn.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM