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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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17.11.2005
 

Keine Experten
Man nennt den Rat für deutsche Rechtschreibung eine „Expertengruppe“

So zum Beispiel in einer Chronologie der Reform bei der Stuttgarter Zeitung.
Während die Zwischenstaatliche Kommission noch als Expertengruppe bezeichnet werden konnte (womit über die Qualität noch nichts gesagt ist), kam mit dem Beirat erstmals eine Mehrheit von Nichtexperten zu Wort. Der Rat wiederum ist, wie der Verband der Schulbuchverlage messerscharf erkannte, im wesentlichen eine Zusammenlegung von Kommission und Beirat. Dort stimmen nun linguistische Laien – Verbandsvertreter, Geschäftsleute u. a. – zusammen mit einigen Experten demokratisch darüber ab, was ein satzwertiger Infinitiv, eine Desubstantivierung, ein Silbengelenk usw. ist. Der Vorsitzende gibt sich redlich Mühe, trotz dieser aberwitzigen Voraussetzungen etwas zustande zu bringen. Wären die Verhandlungen öffentlich, würde sich die leidtragende Bevölkerung sehr wundern.



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Kommentare zu »Keine Experten«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 11.09.2007 um 17.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#10175

Aktualisierung

Welche Ironie: „Das Zukunftsministerium“ hat keine Zukunft mehr – es ist aufgelöst worden. Beim Aufruf der von mir angegebenen Seite der Ratsmitglieder erscheint folgende Meldung:

»Sehr geehrte Besucherin,
sehr geehrter Besucher!

Mit 1. März 2007 wurde das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (BMBWK) aufgelöst.
Die Agenden dieses Ressorts werden nun vom

Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) und vom
Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF)
wahrgenommen.

Die Internet-Auftritte der beiden Ministerien sind unter http://www.bmukk.gv.at bzw. http://www.bmwf.gv.at erreichbar.
Sämtliche Dokumente des BMBWK-Webservice sind mindestens bis Ende Mai 2007
unter http://archiv.bmbwk.gv.at abrufbar.«

Wie versprochen, sind die Ratsmitglieder (Stand: 23. Januar 2006) auf der entsprechenden Seite zu finden: http://archiv.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/rs/rs_rat.xml
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 01.02.2007 um 16.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#7560

Aktualisierung

Die von mir zuvor erwähnte „Anfangsseite des Themenbereichs ,Rechtschreibung‘“ gibt es nicht mehr (vgl. auch den fehlenden Link auf der Indexseite), statt dessen eine Seite zum „Abschluss der Rechtschreibreform“ (die Seite mit den Ratsmitgliedern ist weiterhin vorhanden). Die alte Seite steht im Web-Archiv, leider nicht samt aller darin verlinkter Unterseiten – siehe hier.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 21.11.2005 um 15.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1652

Hier noch mal eine andere Übersicht der "Expertengruppe":

http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/rs/rs_rat.xml

Auf der Anfangsseite des Themenbereichs "Rechtschreibung" stehen einige interessante Dokumente zum Abruf bereit:

http://www.bmbwk.gv.at/schulen/unterricht/ba/rs/rechtschreibung.xml

Man findet dort neben Rundschreiben zum Umgang mit literarischen Werken und zum Ende der Übergangsfrist (d.h. der Doppelkorrektur) auch noch das amtliche Regelwerk – in der Fassung von 1996, und dies in einer ca. 6 MB großen PDF-Datei, die keinen durchsuchbaren Text, sondern "Fotokopien" (Scans) der Seiten enthält. Auch hier waren, so scheint's, Experten am Werk.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.11.2005 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1622

"In der Debatte über die Rechtschreibreform, fürwahr eine Frage der deutschen Kultur, äußerte sie (Kulturstaatsministerin Christina Weiss) sich nur einmal zaghaft zugunsten der Reformgegner, zog nach einem Rüffel des Kanzlers aber sogleich wieder den Kopf ein." (FAZ 19.11.2005, S. 37)

Schröder hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten für die Durchsetzung der Rechtschreibreform eingesetzt (Briefe an bzw. Anrufe bei Stefan Aust, Klaus Reichert ... wer weiß mehr?). Hat jemand eine Ahnung, warum?
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 18.11.2005 um 18.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1620

Zuerst kamen die Köche: die Reformer. Es waren aber nach der Aussage eines Reformers zuviele, so daß der Brei schon verdorben aus der Küche kam. - Dann kam der Wirt: die KMK. Zwar hatten die Gäste gar nichts bestellt, aber das nützte ihnen nicht das geringste. ("Jetzt stehen die Kartoffeln auf dem Tisch, jetzt werden sie auch gegessen.") Und die Rechnung mußten sie trotzdem bezahlen. - Nun sind die Resteverwerter am Werk: der Rechtschreibrat. Während die einen einfach alles abräumen und in den Schweinetrog schütten möchten, versuchen andere, aus den an sich ungenießbaren Überbleibseln einer Mahlzeit, die mehr Steine als Brot enthielt, doch noch ein Süppchen zu bereiten, dessen Bekömmlichkeit allerdings entscheidend vom Grad der gastro-enteralen Abstumpfung abhängt. Als Digestivum wird die Aussicht auf künftige Umsätze und Gewinne empfohlen.

 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 18.11.2005 um 13.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1619

borella: oder: eine angedachte Neuregelung soll vor Inkraftsetzung erst einem praxisnahen Modellversuch unterzogen werden, usw.

Im Prinzip wäre das sinnvoll – wenn man es denn für geboten hält, etwas völlig Neues einzuführen, das erst noch auf seine Praxistauglichkeit hin überprüft werden muß. Bei der 1996er Reform ist das unterblieben. Andererseits hätte man mit der Durchfürung eines solchen Modellversuchs zugegeben, daß es bei der Reform um die Einführung von etwas ganz Neuem geht und nicht um eine „Anpassung an die Sprachentwicklung“ (oder womit auch immer begründet wurde, warum die Reform notwendig sei).
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 18.11.2005 um 11.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1618

Ich stimme mit #1616 überein, was die praktische Handhabung von QM in vielen Firmen betrifft. Ich hab deswegen aber geschrieben "nach dem Muster von ISO 9000".

Damit meine ich: vorher gemeinsam die Regln und Methoden vereinbaren, nach denen vorgegangen wird; dann vereinbarungsgemäß vorgehen und schließlich die Ergebnisse vereinbarungsgemäß zu dokumentieren.

Methoden könnte etwa sein: Vorschläge, welche grammatischen Regeln widersprechen, werden ausgeschieden, oder: eine angedachte Neuregelung soll vor Inkraftsetzung erst einem praxisnahen Modellversuch unterzogen werden, usw.

Sowas würde ich jedenfalls der angedeuteten Vorstellung vorziehen, daß neue Schreibregeln auf der "zufälligen Tagesverfassung" von linguistischen Laien beruhen!
 
 

Kommentar von Kai Lindner, verfaßt am 18.11.2005 um 10.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1616

@borella

Weil ISO-Zertifizierung nur ein ganz übler Trick ist, mit dem sich große Firmen (die sich einen/mehrere QM-Mitarbeiter leisten können) von kleineren Firmen abschotten können.
"Was? Ihr Produkt ist nicht zertifiziert? Schade... damit wir unsere eigene Zertifizierung nicht verlieren, dürfen wir Ihre Produkte leider nicht mehr verwenden! Wir kaufen das jetzt bei einem anderen zertifizierten Multi!"

Ohne die Begründung durch das QM könnte man wegen der wirtschaftlichen Diskriminierung vor Gericht gehen... aber die vorgeschobene (eigentlich gar nicht vorhandene) Wissenschaftlichkeit des QM-Systems und die allgemeine Inkompetenz der deutschen Richterschaft verhindern dieses. Und die QM-Beratermafia verdient sich eine goldene Nase!

Sorry... aber das Thema QM ärgert mich mindestens so sehr, wie die Rechtschreibreform. Und immer, wenn jemand über QM spricht/schreibt, dann muß ich mich dazu äußern...
 
 

Kommentar von borella, verfaßt am 18.11.2005 um 07.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1615

Festlegungen in Rechtschreibfragen haben weitreichende Auswirkungen.
Warum wird hier eigentlich nicht die Schaffung eines Qualitätssystems nach dem Muster von ISO 9000 verlangt?

 
 

Kommentar von Dr. Konrad Schultz, verfaßt am 18.11.2005 um 00.10 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1614

Ich möchte das mit den Wörterbuchverlagen etwas differenzierter sehen. Es ist zu unterscheiden zwischen denen, für die die Herausgabe von Wörterbüchern eine wirtschaftliche Tätigkeit wie andere auch ist, und denen, die die lexikographische Facharbeit zu machen haben. Den Lexikonexperten, die die Pflege des Wörterverzeichnisses schon immer gemacht haben, tut es weh, wie die "Experten" ihr Lebenswerk kaputt machen, wie etwa Silbentrennungen festgelegt werden, die schlechthin für ein Rechtschreiblexikon nicht praktikabel sind. Und die Herausgeber werden es auch nicht schätzen, wenn ständige Änderungen der Vorschriften ständige Änderungen des Wörterbuchs erfordern, die auch kaufmännisch nicht praktikabel sind und auch längst nicht mehr profitabel sind, und die mit den vielen moralisch schnell verschlissenen Auflagen den Ruf des ganzen Unternehmens in kurzer Zeit ruinieren. – Ist eigentlich bekannt, wie die Rückumstellung verschiedener Zeitungen geschäftlich zu bewerten ist? Teils unterstellten die Verfechter der Schulorthographie ja bloße Machtinstinkte, teils den Kampf um Marktanteile.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 17.11.2005 um 22.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1613

Zu den Experten gehören ja - oder sollten gehören - die Vertreter der Wörterbuchverlage. Daß diese mit Sitz und Stimme im RSR vertreten sind, ist aber eigentlich ein viel zu wenig beachteter Skandal. Hat die KMK eigentlich noch nie etwas von Interessenkonflikten gehört? Alle Welt redet von möglichen Interessenkonflikten beim Vorsitzenden des VW-Aufsichtsrats; nur beim RSR ist davon keine Rede.
Die Wörterbuchverlage haben doch - noch mehr als die Schulbuchverlage - die unmittelbarsten wirtschaftlichen Interessen bei der Rechtschreibung. Sie haben doch nicht das geringste Interesse an klaren und einfachen Regeln. Das würde ja nur ihre Deutungshoheit beinträchtigen. Je größer die Verwirrung bei der Rechtschreibung, je häufiger die Änderungen, desto größer der Bedarf an Rechtschreibwörterbüchern und an immer häufigeren Neuauflagen.
Ein deutliches Beispiel ist doch die Silbentrennung. Daß die mit der RSK ausgekungelte Liste empfohlener Trennungen immer noch geheim gehalten wird, ist ein Teil des Skandals. Die Leute sollen sich eben gefälligst ein Wörterbuch kaufen, wenn sie richtig trennen wollen. Ja, besser noch zwei Wörterbücher: eines mit allen möglichen Trennungen und eines mit nach unerfindlichen Kriterien empfohlenen Trennungen.
Natürlich sollte man auf die (hoffentlich vorhandene) Expertise der Wörterbuchverlage nicht verzichten; aber diese gehört in ein Beratungs- und nicht in ein Entscheidungsgremium.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 17.11.2005 um 19.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1612

Das erinnert mich an die Zeit der BSE-Krise in Großbritannien, wo (wenn ich mich recht entsinne) auch eine Expertengruppe dazu einberufen wurde – es waren darin auch alles Experten, jeder auf seinem Gebiet, nur von BSE und all dem, was damit zusammenhängt, hatten sie keine Ahnung.
 
 

Kommentar von kratzbaum, verfaßt am 17.11.2005 um 18.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=288#1611

Demokratisch zur Wahrheit

Da fällt einem nur noch das bekannte Schiller-Zitat ein:

Was ist die Mehrheit?
Mehrheit ist der Unsinn.
Verstand ist stets bei wen´gen nur gewesen. (Demetrius)

Oder Juvenal: Sit pro ratione voluntas! (Von Bismarck abgewandelt zu: Stat pro ratione numerus)
 
 

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