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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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11.12.2010
 

Wie weiter?
Kommentar zum zweiten Bericht des Rechtschreibrates

Mit dem Jahr 2010 geht auch die erste Amtsperiode des Rates für deutsche Rechtschreibung zu Ende. Am 8. Dezember legte er den Kultusministern seinen zweiten Rechenschaftsbericht vor, der den Zeitraum von der letzten Revision 2006 bis zur letzten Sitzung im Oktober 2010 umfaßt.

Der Bericht ist 39 Seiten lang, dazu kommt eine kurze Liste mit Änderungsvorschlägen.


Zur Darstellung:

Wir sind an bürokratische Texte und aufgeblasene Gremienprosa gewöhnt, aber was die Geschäftsführerin Kerstin Güthert bietet, übertrifft die Erwartungen. Sie versucht sich an amtlichem Jargon, beherrscht ihn aber als Sprachwissenschaftlerin nicht wirklich. Ihr in Sonderheit wirkt so selbstparodistisch wie der umständliche, auf Passiv und Substantivierungen gegründete Satzbau.

Eine Stilprobe:

„Eine Folgerung aus der Diskussion dieser komplexen praktischen Fragen war die Einsicht, dass man klarer herausstellen und auch der schreibenden Öffentlichkeit vermitteln sollte, dass sich unter dem allgemeinen Reden von ‚Variation‘ Verschiedenes verbirgt. Die AG Linguisten wurde beauftragt, hier mehr Klarheit zu schaffen und dem Rat entsprechende Informationen vorzulegen. Das führte nach einer Präsentation und Diskussion von Klassifikationsvorschlägen, die von Mitgliedern des Rats in anderen Kontexten bereits entwickelt worden waren, letztlich zu einer Zusammenstellung, die zeigt, welchen funktionalen und normativen Status die verschiedenen Arten von Variation haben, die man in der deutschen Orthographie findet. Diese Klärung bestätigt die Annahme des Rats, dass Schwankungen in diesem Bereich eher als ein Anpassungsprozess an die Möglichkeiten der Schreibung im Rahmen der system-, aber auch traditionsbedingten und entwicklungsorientierten Gegebenheiten der deutschen Sprache in diesem Bereich verstanden werden sollten, und daher kein Objekt direkter Sanktionierung seien.“

Abgesehen vom Stil – wen interessiert so etwas? Das haben sich wohl auch die Ratsmitglieder gedacht und den Text, den sie im Umlaufverfahren billigten, gar nicht erst gelesen. Dafür gibt es untrügliche Beweise. So erwähnt die Verfasserin die „Aufnahme von Wörtern wie Älchen, einer mehr theoretischen Verkleinerungsform“. Sie muß nicht wissen, was Älchen sind, aber daß auch die 40 Ratsmitglieder, darunter Zehetmair, es nicht wissen, ist unvorstellbar.

Wenn Zehetmair für besseres Deutsch kämpft, wie die Nürnberger Nachrichten (online 10.12.10) meinen, sollte er einmal der Geschäftsführerin des Rechtschreibrates auf die Finger sehen. Sie schreibt solche Sätze:

„Diese Diskussion ging aus von der erneuten und vertieften Beschäftigung des Rats mit dem im Regelungsvorschlag von 2006 von den vom Rat initiierten Veränderungen nur am Rande berührten Bereich der Groß- und Kleinschreibung.“

Sie verheddert sich:

„Damit ist die Arbeit an diesem Texttyp und anderen, in verschiedener Weise erläuternden Texten in die allgemeinen Aufgaben des sich in der zweiten Amtszeit konstituierenden Rats eingebunden und hat dort seinen vernünftigen Ort zu finden.“
(Gemeint ist: ihren Ort. Und was ist denn der „vernünftige Ort“, den eine Arbeit im nächsten Rat finden soll?)

Güthert schreibt auch:

„Die Aufnahmekriterien von Wörtern in das amtliche Wörterverzeichnis …“

„Es kann eine Befassung mit den argumentativ zu begegnenden Einwänden einsetzen.“

„… die im Schreibgebrauch niedrig frequent sind. Das Merkmal ‚niedrig frequent‘ …“

Und die Ratsmitglieder finden all dies gut und richtig?

„Temporialadverb“ ist wohl nur ein Versehen.

Die Geschäftsführerin kann nicht einmal korrekt zitieren:

„In Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Aufl. 1999, S. 796 ist ‚Stillleben‘ als eigener Wörterbucheintrag gebucht und damit implizit als nicht durchsichtig eingestuft.“

Das stimmt nicht, Kluge/Seebold schreibt ja nicht reformiert und hat den Eintrag Stilleben.

„Pfeifer gibt zu verbleuen die Bedeutung „übertragen ‚nachdrücklich einschärfen‘“ an.“

Auch das ist nicht richtig, bei Pfeifer wird diese Bedeutung selbstverständlich zu einbleuen gestellt.

„Bei Föhn handelt es sich um eine neu zugelassene Variantenschreibung.“

Das Wort wird nach der Neuregelung in jeder Bedeutung mit h geschrieben, das Warenzeichen der AEG bleibt natürlich unverändert Fön. Es handelt sich also nicht um Variantenschreibung.


Zum Inhalt:

Der Rat steht vor einem Dilemma: Einerseits glaubt er nichts ändern zu dürfen, andererseits muß er seine Existenz irgendwie rechtfertigen.

Die revidierte Regelung von 2006 hat alle Züge einer Übergangslösung. Hauptgrund ist, daß die Arbeit des Rechtschreibrates mittendrin gestoppt wurde. Nachdem er drei von sechs Bereichen überarbeitet hatte – naturgemäß meist im Sinne einer Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung –, übten die deutschen Kultusminister (übrigens satzungs- und damit rechtswidrig) Druck auf den Vorsitzenden aus, worüber dieser selbst im Sommer 2005 vor dem Rat berichtete, und erzwangen einen Abbruch der Revisionsarbeit. Zehetmair begründete die Maßnahme in einer seiner letzten Pressemitteilungen mit der „Marktberuhigung“, die nun erst einmal eintreten müsse.

Seither arbeitet der Rechtschreibrat unter der Vorgabe, den Inhalt der Reform nicht mehr antasten zu dürfen. Seine gesamte Tätigkeit ist daher auf folgenlose theoretische Erörterungen und statistische Erhebungen beschränkt, die er satzungsgemäß als „Beobachtung des Schreibgebrauchs“ bezeichnet. So wurden auch die seinerzeit ausgeklammerten Bereiche der Neuregelung durchgearbeitet, aber da sie im Gegensatz zu den anderen Bereichen nicht geändert werden durften, hatte diese Tätigkeit etwas Steriles. Das geht aus dem letzten Teil des Berichts hervor, wo schon die Formulierung den frustrierenden Charakter der Diskussion bloßlegt:

„Als letzter Regelwerksbereich wurde der Bereich der GROSS- UND KLEINSCHREIBUNG systematisch aufgearbeitet. Der Rat hat sich hierzu zunächst in einem Überblicksvortrag von Peter Gallmann Regelstruktur und Aufbau vergegenwärtigt und nach dieser theoretischen Grundlegung mithilfe einer in der Geschäftsstelle erstellten Vorlage die Regelungen im Detail und die daran geäußerte Kritik rekapituliert. Dabei wurde offensichtlich, dass mit den Regelungen von 1996 ein neuer Zuschnitt der beiden den Bereich konstituierenden Regeln erfolgte und die Änderungen daher allein auf die neu definierten Anwendungsbereiche der beiden Regeln zurückzuführen sind.“

Wer reist nach Mannheim, Bozen oder Wien, um sich die Reform von 1996 noch einmal erläutern zu lassen? (Und was bedeutet der letzte Satz überhaupt?)

Die Geschäftsführung beklagt denn auch die unregelmäßige Teilnahme und schwache Besetzung der einzelnen Tagungen. Zu den zehn Sitzungen waren von 40 Mitgliedern jeweils 20 bis maximal 31 erschienen. „Der durchschnittliche Besuch pro Person liegt bei 6,6 Sitzungen, was wegen der wechselnden Besetzung die Kontinuität der Diskussion nicht erleichtert.“

(Lassen sich die Ratsmitglieder solche sarkastischen Bemerkungen eigentlich gefallen? Geben sie damit nicht zu, daß ihre Entschuldigungen nicht ernstzunehmen waren, ganz wie es die Geschäftsführerin ihnen unterstellt?)

Nach den Gründen der häufigen Abwesenheit fragt Güthert nicht, sie liegen aber für den Leser des Berichts auf der Hand.

Die „Beobachtung des Schreibgebrauchs“ litt darunter, daß die Reformschreibung für die Schulen vorgeschrieben und in den Medien durch Verleger oder Herausgeber – nachweislich gegen den Wunsch der Leser und der Bevölkerungsmehrheit – gewaltsam durchgesetzt und der „Schreibgebrauch“ insofern verzerrt ist. Auch Leserbriefe und Zitate aus Schriftstellern in Rezensionen werden von den Zeitungen unerbittlich auf Reformschreibung getrimmt. Von einer Entwicklung kann seither nicht mehr die Rede sein, aber der Rat verleugnet diese schlichte Tatsache in allen seinen Äußerungen. Die Untersuchungen, die hauptsächlich von den im Rat vertretenen Wörterbuchredaktionen durchgeführt wurden, galten daher nur noch der Frage: Gegen welche Neuschreibungen wird besonders oft verstoßen, bzw. welche zugelassenen Varianten wurden nicht genutzt? Auf diese statistischen Untersuchungen entfällt ein großer Teil des Berichts. Verglichen mit dem hohen Anspruch des Jahrhundertwerks sind es Belanglosigkeiten. Um sie zur Kenntnis zu nehmen, war vielen Mitgliedern offenbar die Reise zu den verschiedenen Tagungsorten im In- und Ausland zu beschwerlich.

Von welcher Art jene Belanglosigkeiten sind, ist Seite um Seite zu erkennen. Der Rat kommt z. B. zu so umwerfenden Ergebnissen wie dem, daß Kammmacher nun fast hundertprozentig mit drei „m“ geschrieben wird, allerdings praktisch nur im Zusammenhang mit Gottfried Keller vorkommt.

Eine Nachprüfung der statistischen Angaben ist im allgemeinen nicht möglich, da die Texte aus dem Medienbereich nur am Institut für deutsche Sprache und die Texte aus der Schüleruntersuchung überhaupt nicht zugänglich sind.

Der Rat läßt in seinem Abschlußbericht immerhin erkennen, daß er seine Pflicht, auch die im Jahre 2006 ausgelassenen Teile zu bearbeiten, nicht aus den Augen verloren hat. Das Veto der Kultusminister war insbesondere für den Vorsitzenden Zehetmair eine persönliche Demütigung, hatte er doch bis zum Herbst 2005 beteuert, sich dem Druck nicht beugen zu wollen. Der gesamte Rat hat die rechtswidrige Beschränkung nicht nur geschluckt, sondern setzt offenbar undiskutiert voraus, daß sie weitergilt. Ich komme darauf zurück.

Die Empfehlungen der Dudenredaktion im vierfarbigen Duden werden mit einem Seitenhieb bedacht:

„Als nicht sehr glücklich wurde angesehen, dass zumindest eines der auch im Rat vertretenen großen Wörterbücher von der „Beobachtungsmaxime“ des Rats deutlich abgewichen ist und – v. a. im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung – die Schreibungen empfohlen werden, die mit der Reform von 1996ff. verbunden sind.“

Es war jedoch das gute Recht des nicht mehr amtlichen Duden, in dieser Weise zu verfahren, auch wenn er sich damit den Unmut des Ratsvorsitzenden zuzog. Wenn der Rat und die KMK auf eine „Variantenführung“ zwecks Eindämmung der dreitausend Alternativschreibungen verzichten, bedeutet das doch nicht, daß praktische Wörterbücher ebenso verfahren müßten. Die Rüge für den Duden, immerhin ein nicht unwichtiges Mitglied des Rechtschreibrates, beweist, wie sehr der Dudenverlag am Boden liegt. Seine Niederzwingung war ja das heimliche Ziel der Reformer gewesen. Auch im Rechtschreibrat hat nun Bertelsmann-Wahrig die erste Stimme: Sabine Krome legt die Texte vor, über die dann diskutiert wird. (Frau Krome wird im Bericht dreimal erwähnt, der Dudenchef Wermke überhaupt nicht. Nichts zeigt deutlicher den Wandel seit Günther Drosdowskis Zeiten. Wermke ist inzwischen auch beim Duden ausgeschieden.)

Der Rat versucht sich an einer regelrechten Geschichtsfälschung. Wie schon in anderen Verlautbarungen verschweigt er die Revision von 2004. Damals mußten alle Rechtschreibwörterbücher neu gedruckt werden. (Der volle Umfang der Revision von 2004 geht aus meinem Kommentar hervor.)

In der amtlichen Fassung der Revision von 2004 heißt es ausdrücklich:

„In der hier vorliegenden Fassung des amtlichen Regelwerks sind alle Modifikationsbeschlüsse der zuständigen staatlichen Stellen umgesetzt; sie ist die Grundlage für die Arbeit an der Weiterentwicklung derdeutschen Rechtschreibung.“

Der Rat war also verpflichtet, auf der Grundlage der Revision von 2004 weiterzuarbeiten, wie er es bis 2006 auch getan hat. Die damals noch nicht erledigten Teilgebiete lagen weiterhin in der Fassung von 2004 vor, die ursprüngliche Reform von 1996 war längst nicht mehr aktuell und hätte auch im vorliegenden Bericht gar nicht mehr erwähnt zu werden brauchen. (Keine Jahreszahl wird so oft erwähnt wie 1996!)

Güthert schreibt aber nun:
„Insgesamt ist der Schreibgebrauch im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung zum jetzigen Zeitpunkt als nicht gefestigt einzustufen, bedingt durch den zweimaligen Paradigmenwechsel in den Jahren 1996 und 2006.“

Nur in einer Anmerkung wird angedeutet, daß sich auch 2004 etwas getan hat: „(…) bis auf weiteres, seit kurzem und von weitem (…). Für diese Gruppe ist seit 2004 fakultativ die Großschreibung zulässig.“

Allein diese von Gallmann durchgesetzte Änderung war aber schon ein „Paradigmenwechsel“ von ähnlichem Kaliber wie die beiden erwähnten (abgesehen davon, daß „Paradigmenwechsel“ – von Güthert gleich dreimal benutzt – ohnehin nur ein aufgedonnertes Modewort ist).

Güthert verbreitet auch weiterhin die folgende Legende:
„Mit der Erarbeitung einer Fassung des Regelwerks und des Wörterverzeichnisses, das sich auf die im Bericht vom Februar 2006 genannten als kritisch gesehenen Punkte der Getrennt- und Zusammenschreibung, der Zeichensetzung, der Worttrennung am Zeilenende und bestimmten Bereichen der Groß- und Kleinschreibung bezog, war ein konkreter und kurzfristiger Auftrag der politischen Entscheidungsgremien abgearbeitet worden.“

Einen solchen Auftrag hat es nie gegeben. Es gab nur den unverbindlichen Wunsch der KMK, sich (zunächst) auf diese Teilbereiche zu beschränken. Eine solche Einschränkung durch äußere Instanzen wurde zunächst auch vom Vorsitzenden zurückgewiesen, da der Rat in seiner Themenwahl nicht weisungsgebunden ist. Wie erwähnt, gab Zehetmair im Herbst 2005 nach und teilte den Ratsmitgliedern die neue Lage mit. Seither kann und will sich der Rat nicht mehr mit substantiellen Fragen der Neuregelung beschäftigen, sondern verbringt seine Zeit mit kosmetischen Operationen und folgenlosen Diskussionen.

Zu den interessanteren Mitteilungen gehört folgendes:

„(Recherchen des IDS) ergaben, dass das amtliche Wörterverzeichnis in seinem Lemmabestand auf das von Gerhard Augst erarbeitete ‚Lexikon zur Wortbildung. Morpheminventar‘ aus dem Jahre 1975 zurückging, ein Umstand, der bislang nicht bekannt war. Das augstsche Morpheminventar wiederum fußt auf zwei Wörterbüchern aus dem Jahre 1968.“ (sc. Wahrig und Duden)

Bei dieser Gelegenheit erfährt man auch, daß uns 1996 weitere Augstsche Einfälle erspart geblieben sind, z. B. Neglischee. (Welche noch?)

An mehreren Stellen wird zugegeben, daß das Wörterverzeichnis, wie auch die Kritiker sogleich bemerkt hatten, tatsächlich sehr nachlässig erarbeitet worden war. Der zuständige Reformer, Klaus Heller, war damit nicht nur überfordert, sondern gleichzeitig auf eigene Rechnung mit der Herstellung vermarktbarer Handreichungen beschäftigt. Dies wird allerdings im Bericht nicht erwähnt.

Durch die Mitteilung über seine Herkunft sieht man aber das Wörterverzeichnis in einem neuen Licht. Ich habe schon früh darauf hingewiesen, daß der „zentrale Wortschatz“, den das Verzeichnis darzustellen behauptet, erstens mangelhaft ermittelt und zweitens für eine Rechtschreibregelung grundsätzlich ungeeignet ist. Die Orientierung am zentralen Wortschatz des Deutschen, verstanden als Morpheminventar, wird im neuen Bericht trotzdem nicht aufgegeben, sondern soll noch verstärkt werden. So verfehlt man den Zweck eines Rechtschreibwörterbuchs. Wenn man Aurikel (angeblich fachsprachlich), Nasenstüber (regional), Boudoir (veraltet) verbannt, bleiben rechtschreibschwierige Wörter weg, also gerade das, wonach man zu suchen pflegt.

Eine implizite Kritik an Augst (dessen Name in früheren Sitzungen nie erwähnt wurde, obwohl er sich mit einigem Recht als den Vater der Reform betrachtet) kann man in den Ausführungen zur Variantenschreibung erkennen. Hier werden einige Neuschreibungen als „forciert integriert“ bezeichnet, ein ganz neu eingeführter Begriff, der so definiert wird:
„Als ‚forciert integriert‘ werden jene Variantenschreibungen eingestuft, bei denen sich innerhalb der ihnen zugehörigen Fallgruppe in der Zeit nach der II. Orthographischen Konferenz von 1901 keine Integrationsbewegungen im Schreibgebrauch feststellen ließen.“ Einfacher ausgedrückt: Augst hat in diesen Fällen Neuschreibungen erfunden, die in keiner Weise angebahnt waren.

In 16 Fällen von Variantenschreibung ist die forciert integrierte Neuschreibung praktisch überhaupt nicht angenommen worden: Butike, Kupee, Mohär, Sutane, Fassette, Kabrio, Krem/Kreme, Maffia, Maläse, Scharm (inkl. scharmant), Sketsch, transchieren, Katarr, Myrre, Schikoree, Schose. Sie werden denn auch zur Streichung vorgeschlagen. (Nur Lindauer und Schrodt waren dagegen.) Hinzufügen möchte der Rat die vier Varianten Caprice, Clementine, Crème, Schmand.

Ausdrücklich erwähnt werden aber noch weitere Neuschreibungen, die entweder gar nicht durchgedrungen sind oder nach Anfangserfolgen immer stärker gemieden werden. Dazu gehören Spagetti, Tunfisch, Kupon. Bei letzterem sank die Quote der reformgerechten Schreibung von anfangs 90% auf nunmehr 5%. Für Tunfisch ist die Quote von rund 50% auf 10-25% gefallen, und auf die Speisekarten hat die Neuschreibung es so wenig geschafft wie die Spagetti. Diese und andere „forciert integrierten“ Formen zur Streichung vorzuschlagen konnte sich der Rat noch nicht entschließen. Wahrscheinlich schreckt er davor zurück, sich an den Augstschen Glanznummern (Tollpatsch usw.) zu vergreifen, weil die Öffentlichkeit dann triumphierend feststellen könnte, daß es wohl mit der ganzen Reform nichts war. Die Streichung von Sutane oder Maffia tut niemandem weh (außer den Wörterbuchverlagen natürlich, die neu drucken müssen).

Ein anderes Thema, das längst hätte angegangen werden müssen: Die Schwierigkeit der Groß- und Kleinschreibung in mehrteiligen substantivischen Fremdlexemen (Ultima Ratio, Corpus Delicti) wird zwar anerkannt, eine Lösung jedoch auf später verschoben, weil es längerer Beobachtung bedürfe. Nicht erwähnt ist, daß die Regelung vor der Reform hier viel einfacher war und sich als sofortige Abhilfe anbietet: das erste Wort groß, alles andere klein. (Güthert scheint Herpes zoster für die richtige Schreibung zu halten. Zoster ist im Griechischen ausschließlich Substantiv.)

Nicht unerwartet, aber doch ganz interessant sind einige Einzelergebnisse. So hat der Rat herausgefunden, daß Stengel vor der Reform niemals falsch geschrieben wurde, nach der Reform aber die Neuschreibung Stängel immer häufiger zugunsten von Stengel gemieden, also jedesmal falsch geschrieben wird. Noch deutlicher ist die Tendenz bei schnäuzen, das in 36% der Fälle zugunsten das alten, vor der Reform praktisch immer richtig geschriebenen schneuzen aufgegeben wird, obwohl die Neuschreibung den Schülern wieder und wieder \"eingebläut\" worden ist. Seltsam ist die Auskunft zu Bändel: „Bändel weist keine Normabweichung auf. Vor der Reform betrug die Abweichung 100%.“ Das kann nur heißen, daß das alte Bendel vor der Reform immer (!) falsch, also Bändel geschrieben wurde. Nun hatte der alte Duden aber den Bändel und den/das Bendel als regionale Varianten desselben Wortes angegeben, so daß man hier eigentlich nichts falsch schreiben konnte. Der Befund des Rates bleibt rätselhaft. Auch behände wird nach und nach wieder aufgegeben.

In diesem Bereich fällt besonders unangenehm auf, wie der Rat sich über das offenbar Gezwungene der Neuschreibungen hinwegsetzt und die gewaltsame Durchsetzung für eine bloße „Entwicklung“ des Schreibbrauchs zu halten vorgibt. Der Bericht übergeht auch den eigentlichen Kritikpunkt: daß nämlich die meisten „Etymogeleien“ nicht bloß freigegeben, sondern zwingend vorgeschrieben sind. Auch wer weiß, daß einbleuen, Tolpatsch, Zierat nichts mit blau, toll und Rat zu tun haben, muß es jetzt so schreiben, als hätten sie es. Diese Demütigung der Gebildeten war von Augst beabsichtigt und bleibt als ständiges Ärgernis erhalten.

Weitere Überlegungen gelten der inkonsequenten Neuschreibung ganzer vier Wörter: Mopp, Stepp, Stopp, Tipp. Augst hatte vorgesehen: Bopp, fitt, Flopp, Frittfliege, Hitt, Mopp, Pepp, Popp, Sett, Stepp, Stopp, Stripp, Tipp, Topp. Diese Inkonsequenz zu beseitigen wird auf die nächste Amtsperiode verschoben, ebenso die Behandlung der Einzelfälle frittieren, Karamell, nummerieren, platzieren, Stuckateur. Das Schreibvolk kann sich auf etwas gefaßt machen.

Zur s-Schreibung werden keine neuen Argumente vorgetragen. Der Rat folgt der Maxime, die Neuregelung sei nun einmal in Kraft, deshalb solle sie beibehalten werden, denn die Gegenargumente, die einem bei Nussschale einfallen, seien nicht stark genug. Sogar die Untersuchung von Harald Marx, die bei Schülern eine Fehlerzunahme festgestellt hatte, wird zugunsten der Neuregelung verbucht, denn Marx selbst habe darin eine Übergeneralisierung gesehen, die also ihrer Natur nach mit der Zeit verschwinden werde. Der Rat hat herausgefunden, daß die Ersetzug von daß durch dass weitgehend funktioniere (sie ist ja auch leicht programmierbar), aber daß jetzt das und dass viel häufiger verwechselt werden, konnte er mit seinen statistischen Methoden natürlich nicht erkennen.


Gesamtbeurteilung:

Der Rechtschreibrat verbucht die Durchsetzung der Reform als Erfolg, die Qualität des Durchgesetzten spielt für ihn keine Rolle. Die Sprachwissenschaft hat abgedankt zugunsten einer geschäftsrelevanten Durchsetzungsforschung. Mehrmals finden sich Formulierungen wie die folgenden:
„Es ergab sich letztlich weithin eine grundsätzliche Akzeptanz der Regelung in der Form von 2006.“
Mit solchen Sätzen übergeht der Rat die Tatsache, daß die Reformschreibung zwar trickreich durchgesetzt, zu keinem Zeitpunkt jedoch von der Bevölkerung gutgeheißen wurde. Nicht um Akzeptanz geht es, sondern eben um Durchsetzung.

Man darf nie vergessen, daß kein einziges Mitglied des Rechtschreibrates die Rechtschreibreform für gelungen hält. Seine Diskussionen sind daher Spiegelfechterei. Nur an wenigen Stellen läßt der Bericht erkennen, daß die Reform in ihrer ursprünglichen Form ein Fehler war. Er ist verpflichtet, auf der Grundlage dieser Fehlkonstruktion weiterzubauen. Nur weiteres Flickwerk kann das Ergebnis sein.

Hat die Reform, wenn sie schon keine besseren oder auch nur durchgehend korrekten Schreibweisen erzeugt, wenigstens Schülern das Schreiben erleichtert? Das hätte eigentlich von Anfang an empirisch untersucht werden müssen und auch können, aber es ist nicht geschehen. Noch jetzt, vierzehn Jahre nach der Einführung der Reform an den meisten Schulen, müssen sich die Reformer Testergebnisse bei ganz anderen Untersuchungen borgen, um überhaupt irgend etwas zu diesem entscheidenden Thema sagen zu können. Es bleibt vage und vorläufig, der Rat vertröstet auf die nächsten Jahre.


Wie geht es weiter?

Die empfohlenen 20 Änderungen im Wörterverzeichnis sind von demonstrativer Dürftigkeit und Irrelevanz. Die KMK kann sie eigentlich nicht annehmen. Ihre Ministerialbeamten werden ja wohl klug genug sein, die zwingende Folge einer solchen Maßnahme zu überblicken: Neudruck aller Rechtschreibwörterbücher und damit auch neue Verunsicherung. Sie werden also vermutlich sagen: „Wenn in 16 Fällen Varianten wegfallen, die ohnehin niemand nutzt, dann können sie ja auch stehen bleiben, denn sie schaden niemandem. Schüler verwenden diese paar Wörter ohnehin nicht. Und die vier Ergänzungen können später einmal aufgenommen werden. Überhaupt ist es noch zu früh für Änderungen, der Rat soll die Sprache erst einmal weiter beobachten.“

Und dann wird der Rat weitere sechs Jahre seine sinnlosen Gespräche führen, bei denen nur noch die Wörterbuchredaktionen wissen, wovon überhaupt die Rede ist. Oberste Regel ist: Der Inhalt der Neuregelung darf nicht verändert werden, nur Umformulierungen sind zulässig. Wer wird sich dafür hergeben?

Eisenbergs zaghafter Versuch, anläßlich einer verbesserten Formulierung der Regeln zur Groß- und Kleinschreibung zugleich einen inhaltlichen Rückbau einzuschleusen, nämlich die höchst sinnvolle Kleinschreibung von Wendungen wie im allgemeinen, wurde von den Hütern der reinen Lehre sofort durchschaut und zurückgewiesen. Der kleine Vorfall ist bezeichnend. Jeder kleine Ansatz, die bisher übliche Schreibweise wiederherzustellen, wird abgeschmettert, aber der Vorschlag Gallmanns, die unübliche Großschreibung seit Kurzem usw. einzuführen (insgesamt ein Dutzend Formen), wurde 2004 umstandslos angenommen. Es kommt also vor allem darauf an, anders zu schreiben als bisher.

Der unbedingte Wille, nichts mehr zu ändern, führt zu leeren Behauptungen wie dieser:
„Den Bereich der Fremdwortschreibung betreffend ist der Rat nach seiner Durchsicht der einzelnen Bestimmungen insgesamt zu der Überzeugung gelangt, dass mit den im Jahre 2006 vorgenommenen Änderungen eine Regelung vorliegt, die trägt und den Anforderungen gerecht wird.“

Was trägt sie, welchen Anforderungen wird sie gerecht?

Dabei ist überhaupt nicht einzusehen, warum der Rat nur zum Wörterverzeichnis, nicht aber zum Regelwerk Änderungen vorschlagen sollte. Nirgendwo steht geschrieben, daß er das nicht dürfe. Es gibt auch keine Vereinbarung der Ratsmitglieder, das Regelwerk nicht aufs neue anzutasten. Möglicherweise haben die Kultusminister angedeutet, daß sie solche Vorschläge zurückweisen würden, aber bekannt geworden ist davon nichts.

Wie soll es mit dem Rechtschreibrat weitergehen? Sechs weitere Jahre „beobachten“ – das ist kaum möglich, jedenfalls nicht für einen 40köpfigen Rat, dem die Fähigkeiten und Mittel dazu fehlen. Entweder die Kultusminister setzen ein arbeitsfähiges, entsprechend ausgestattetes neues Gremium ein, oder sie bezahlen die Wahrig-Redaktion dafür, daß sie wie bisher die Arbeit macht. Zehetmair will weitermachen. Wahrscheinlich spürt er, daß er den jetzigen Scherbenhaufen nicht einfach liegen lassen kann.



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Kommentare zu »Wie weiter?«
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Kommentar von Ivan Panchenko, verfaßt am 09.03.2020 um 11.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#43123

Zu Horsd’œuvre: Bei Zusammenschreibung erwarte ich auch ein kleines œ, wir schreiben schließlich auch Computerspiel statt ComputerSpiel. Andererseits d’Hondt’sch trotz d’hondtsch, hier dient der zweite Apostroph der Absetzung des Personennamens (vergleichbar mit Napoleon-freundlich statt napoleon-freundlich), ich finde diese Sonderrolle aber auch dämlich. Will man auch den Apostroph in Horsd’œuvre wie einen Bindestrich behandeln, ist zusätzlich ein Bindestrich nötig (Hors-d’Œuvre), da keine Konstituente Horsd vorliegt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2016 um 05.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#33057

Wie ich gerade bemerke, hatte ich meinen Kommentar zum ersten Bericht (2006) hier noch nicht eingestellt. Hier ist er (noch ohne Kursivierungen), der Vollständigkeit halber:


Was enthalten die neuen Rechtschreibregeln?

Am 2. Februar 2006 stimmten die Kultusminister den „Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung“ zu, der zweiten amtlichen Revision der Neuregelung nach mehreren nichtamtlichen Eingriffen in das verunglückte Regelwerk von 1996. Erst allmählich zeichnet sich ab, was die Neufassung wirklich bedeutet; das unentbehrliche neue Wörterverzeichnis war erst im letzten Augenblick fertiggestellt worden und enthält noch manche Überraschung.

Viele Verbindungen aus Verben und Verbzusätzen wie fertigstellen, aufeinanderstapeln, abwärtsgehen dürfen oder müssen wieder zusammengeschrieben werden. Hinzu kommen obligatorische Zusammenschreibungen wie leidtun, nottun, pleitegehen, bankrottgehen, die aus der irrigen Annahme folgen, die jeweils ersten Bestandteile (von den Reformern als Substantive verkannt) seien „wortartmäßig unklar“. Überhaupt nimmt die Zusammenschreibung zu – weit über das bisher Übliche hinaus. So soll es heißen die Muskeln spielenlassen (aber weiterhin die Maske fallen lassen), die Pferde scheumachen (fakultativ auch getrennt). Grund soll hier die idiomatische Bedeutung sein, also kommenlassen (aber nur die Kupplung, nicht die Suppe!), platzenlassen (eine Veranstaltung, nicht den Luftballon), setzenlassen (den Kaffee), sprechenlassen (die Blumen), steigenlassen (die Party), sterbenlassen (Projekte, nicht Patienten), vermissenlassen (Feingefühl). Im übrigen sind die Ergebniszusätze ganz uneinheitlich geregelt. Man darf etwas kaputtmachen oder kaputt machen, sich selbst aber nur kaputtmachen, indem man sich zum Beispiel dick isst. Eine Tür muß offen bleiben, kann dann aber offengeblieben sein, während eine Frage von vornherein nur offenbleiben darf. Wenn ein Betrieb jetzt bankrottgeht - warum darf ein Motor dann nur warm laufen und nicht auch warmlaufen? Hier ist ein enormer Nachschlagebedarf entstanden, und die Altreformer kritisieren mit Recht, daß die Verwirrung ganz neue Ausmaße erreicht hat. Das gilt auch für die sprichwörtlich umstrittenen Verbindungen mit Substantiven: Es soll heißen Rad fahren und Ski laufen, aber eislaufen, aber wiederum auch radfahrend. Die neuen Regeln halten seltsamerweise du marathonläufst für möglich. Man darf wieder recht haben schreiben, aber das grammatisch falsche Recht haben (wie Recht du hast) bleibt als Variante zulässig.
Im Rat war erwogen worden, spazierengehen und ähnliche Verbindungen zu rehabilitieren, aber schließlich ist nur kennenlernen übriggeblieben, alles andere haben die Wörterbuchverlage blockiert. Zusammensetzungen mit sein bleiben untersagt, die zaghaften Versuche der Revision von 2004, beisammengewesen und ähnliches wiederzuzulassen, sind getilgt, aber unbegreiflicherweise ist dagewesen neu hinzugekommen. Weder den Regeln noch dem Wörterverzeichnis läßt sich entnehmen, wie wohl tun jetzt geschrieben wird (bisher nur getrennt), und auch der umfangreiche Eintrag zu wieder- ist so unverständlich wie in den früheren Fassungen. Anscheinend soll wiederherstellen zusammen-, wieder beleben getrennt und wiedereröffen so oder so geschrieben werden, aber ganz sicher ist es nicht.
Obwohl der Rat mit dem Vorsatz angetreten war, den Schreibbrauch wieder stärker zu berücksichtigen, lassen schon die angeführten Beispiele erkennen, daß dies nicht immer gelungen ist. So darf zunichtemachen nur zusammengeschrieben werden, während der Usus ganz überwiegend Getrenntschreibung zeigt. Bei ernst nehmen hatte es schon der alte Duden versäumt, die häufige Zusammenschreibung zuzulassen (während er ernstzunehmend vorschrieb!); die Neuregelung folgt der weltfremden Festsetzung, während er für beiseiteschieben gegen den alten Duden und erst recht gegen die Neuregelung bis 2004, aber leider nun obligatorisch Zusammenschreibung verordnet.
hochbegabt darf man auch getrennt schreiben, hochbetagt nicht. Völlig unvorhersehbar sind die Schreibweisen von infolge (nur so), mithilfe/mit Hilfe, nachhause/nach Hause und viele andere. Da es sich hier durchweg um sehr gebräuchliche Ausdrücke handelt, kommt auf die Schulen eine enorme Verwirrung zu.
Besonders anstößig war die Beseitigung der uralten Zusammensetzungen Armvoll, Handvoll, Handbreit, Mundvoll, Zeitlang. Sie sind wieder zugelassen, aber nur als Varianten: zwei Arm voll Reisig werden ausdrücklich angeführt. Das Allerweltswort jedesmal bleibt verboten, ebenso ein paarmal. Die obligatorische Zusammenschreibung von irgendetwas, irgendjemand wird weiterhin damit begründet, daß irgend kein selbständiges Wort sei; es steht aber in jedem Wörterbuch, wenn auch nicht im amtlichen Wörterverzeichnis. Eine Unmenge von Einzelfragen dieser Art bleibt ungelöst, weil dem Rat keine Zeit gelassen wurde, sich damit zu beschäftigen.
Halbherzig wiederhergestellt wurde die Großschreibung fester Begriffe wie Schwarzes Brett, Erste Hilfe. Die Fremdwortschreibung durfte entgegen einer früheren Ankündigung nicht behandelt werden, doch gibt es einige Neuerungen bei englischen Wörtern, soweit sie unter die Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung fallen. Je nach Betonung soll man schreiben: Freestyle, Hightech, Shootingstar; Golden Goal, Private
Banking, Round Table; Big Band/Bigband, Hot Pants/Hotpants, Small Talk/Smalltalk. Regeln und Wörterverzeichnis treffen Festlegungen, die oft überraschen. Anscheinend ist nur New Age zulässig, trotz Anfangsbetonung, und wie die Bluejeans geschrieben werden, läßt sich kaum ergründen. Das schwer lesbare Sitin bleibt erhalten. Die Großschreibung innerhalb mehrgliedriger Fremdwörter folgt der immer noch nicht beseitigten, unerhört schwierigen Reformregel, die Wortart der Ausgangssprache zu berücksichtigen. Es bleibt also bei Herpes Zoster, Ultima Ratio, Commedia dell’Arte, Café au Lait, aber wenn man den letzten Wörterbüchern glauben kann, auch bei Café crème, L’art pour l’art, Horsd'oeuvre.
Die Briefanrede Du darf man wieder groß schreiben, was im Bericht des Rates wohl eher unfreiwillig mit folgendem Beispielsatz veranschaulicht wird: Ich habe oft daran gedacht, Dich an deinem neuen Wohnort zu besuchen.
Was die Silbentrennung betrifft, so ist in der Öffentlichkeit viel beachtet worden, was der Vorsitzende Zehetmair über ein angebliches Verbot von Urin-stinkt und Anal-phabet verkündete. Davon kann natürlich keine Rede sein, es bleibt bei der traditionellen Warnung vor mißverständlichen Trennungen. Aufgehoben ist die Abtrennung einzelner Buchstaben; man wird also in den Wörterbüchern keinen a-brupten Malari-aanfall mehr finden. Leider konnte sich der Rat nicht dazu aufraffen, die „barbarischen“ Trennungen der Fremdwörter (Subst-rat, Prog-nose) gänzlich aufzuheben – auch bildungspolitisch ein schwerer Fehler, der Schülern nicht hilft, professionell Schreibende aber, die der Bildungs- und Fachwortschatz ja in erster Linie betrifft, unnötig vor den Kopf stößt. Beibehalten wird auch die regelwidrige Trennung bei ck: Da-ckel.
Viele, allzu viele Fragen bleiben offen. Ob man zum Beispiel, wie einige Ratsmitglieder glauben, nur die Große Koalition unter Kiesinger groß schreibt, nicht aber die unter Merkel, wird wohl erst der nächste Duden klären, der für Juli angekündigt ist und laut Verlagswerbung „in jeder Hinsicht neue Maßstäbe“ setzen soll. Gemeint ist, daß dieser Duden erstmals eindeutige Empfehlungen enthalten wird – ein Versuch, über die seit hundert Jahren überwunden geglaubte Einrichtung einer „Hausorthographie“ die Einheit der deutschen Rechtschreibung wiederherzustellen. Der Axel-Springer-Verlag soll bereits zugesagt haben, sich nach diesem Duden zu richten. So wird auf kaltem Wege das Dudenprivileg bestätigt, dessen Aufhebung ein Hauptziel der Reform gewesen war.

Was bleibt zu tun?

Von der Rechtschreibreform bleiben hauptsächlich folgende Teile erhalten, weil der Rat für deutsche Rechtschreibung sie entweder nicht korrigieren wollte oder wegen der Termin- und Themenwünsche der Kultusministerkonferenz nicht korrigieren durfte:

1. die „Etymogeleien“: behände, Stängel, Gämse, Zierrat, belämmert, gräulich, einbläuen, aufwändig, Tollpatsch, schnäuzen u. a. – Ferner: rau, platzieren, deplatziert, nummerieren u. a.

2. die Dreibuchstabenregel: helllicht, Brennnessel, Nussschokolade usw.

3. die Heysesche s-Schreibung (nach Versuchen im 19. Jahrhundert wieder aufgegeben): Messergebnis usw.; sie ist trotz ihrer Fehlerträchtigkeit so sehr zum Symbol der Reform geworden, daß sie schon aus Prestigegründen nicht angetastet werden soll.

4. die Fremdwortschreibung: Mopp, Stepp, Stopp und Tipp. (Weitere wie Topp, Shopp, Popp, Stripp, Chatt usw. wurden im letzten Bericht der Kommission ausdrücklich als „möglicher Handlungsbedarf für die Zukunft“ bezeichnet.) Ferner: Grislibär, Hämorriden, Schikoree, Kommunikee (aber weiterhin nur Attaché, Abbé), Spagetti. Thunfisch kann man auch Tunfisch schreiben, Thuja aber nicht Tuja. Unerhört schwierig ist die neue Regel zur Großschreibung in mehrgliedrigen Fremdwörtern: Herpes Zoster, Ultima Ratio, Commedia dell’Arte, Café au Lait, aber weiterhin Café crème, L’art pour l’art u. v. a. Ungelöst ist die Getrennt-, Zusammen- und Bindestrichschreibung: Big Band, Smalltalk, Sitin usw.

5. Im sogenannten Überlappungsbereich von Groß- und Kleinschreibung sowie Getrennt- und Zusammenschreibung hinterläßt der Rat ein großes Durcheinander. Man schreibt eislaufen klein, aber Rad fahren groß (aber radfahrend auch zusammen), weiterkommen zusammen, aber näher kommen getrennt, eine Handbreit, aber auch zwei Hand voll, zum Teil, aber zurzeit, die beiden, aber die Einzigen. Aus gut tun, leid tun, not tun, leid sein, not sein machte die Reform gut tun, Leid tun, Not tun, leid sein, Not sein. Der Rat ändert in gut tun, nottun, leidtun, leid sein, not sein.

6. Die Großschreibung der Tageszeiten wird nicht korrigiert: gestern Abend. Erhalten bleiben auch das grammatisch falsche Diät leben (obligatorisch) sowie Recht haben (fakultativ). Gewohnte und regelhafte Schreibweisen wie pleite gehen und bankrott gehen bleiben verboten.

7. Die archaisierenden Großschreibungen im Allgemeinen, des Öfteren, im Voraus, Letzerer, jeder Einzelne werden nicht zurückgenommen, sondern noch ausgebaut (seit Langem, bei Weitem usw., zwölf Fälle ohne Artikel). Die Einzelheiten wie in Sonderheit (nur so!), zu Schulden (auch so) oder vonnöten (nur so) lassen sich nicht vorhersagen. Herkömmliches von seiten bleibt verboten (neu: vonseiten/von Seiten).

8. Die Nichttrennung von ck (Da-ckel) bleibt, obwohl sie gegen das Prinzip der Trennung nach Sprechsilben und gegen § 3 verstößt. Die nichtmorphologische Trennung der Fremdwörter bleibt zulässig: Diag-nose, Transk-ription.

9. Die Verwendung des Bindestrichs ist weiterhin unklar und widersprüchlich (das 8-Fache); dasselbe gilt für den Apostroph (Uschi’s Blumenladen).

10. Viele Einzelfragen bleiben im Regelwerk unbeantwortet oder werden erst im – vom Rat nicht mehr beschlossenen – Wörterverzeichnis beantwortet: Handvoll/Hand voll, Handbreit/Hand breit (neu eingefügt!), Zeitlang/Zeit lang, hier zu Lande, Vabanque spielen, jedes Mal, unter der Hand u. a. In den meisten Fällen muß man aber auf die Wörterbücher warten, die ohne Mitwirkung des Rates angefertigt werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.09.2014 um 08.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#26668

Das amtliche Wörterverzeichnis enthält Zote und Zottel, aber nicht Zotte. Ziemlich verwirrend.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.06.2013 um 09.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#23408

Morgen tagt ja der Rechtschreibrat. Ich nehme an, daß er diesmal etwas zur Organisation seiner weiteren Tätigkeit beschließen wird, denn so geht es ja nicht weiter. Selbst der Vorsitzende muß sich inzwischen recht albern vorkommen.
 
 

Kommentar von B.Janas, verfaßt am 23.11.2011 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#19552

Es hat sich nichts daran geändert, daß die KMK "nur aus Staatsräson" die Reform nicht zurücknahm. Wenn nun keine der vier Gewalten an sie herantritt, kann die KMK ihre Räson am leichtesten bewahren, wenn sie nichts tut und auch den (so gut wie weisungsgebundenen) Rat möglichst wenig tun läßt. Und das Gras wächst doch nun langsam ganz gut, nachdem schon eine Schülergeneration durch ist.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.11.2011 um 07.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#19551

Vom Rechtschreibrat sind wohl keine Mitteilungen mehr zu erwarten, man arbeitet unter Ausschluß der Öffentlichkeit, das war den Reformern schon immer am liebsten.

Wie zu hören ist, waren in der Sitzung am 18.11.2011 fast alle Mitglieder anwesend. Eine Arbeitsgruppe soll das Regelwerk benutzerfreundlich neu formulieren. Dabei wird Peter Eisenberg versuchen, auch weitere inhaltliche Verbesserungen einzuschleusen, vor allem bei der verkorksten Groß- und Kleinschreibung. Die anderen Ratsmitglieder werden genau dies zu verhindern suchen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.04.2011 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18449

In den letzten Sitzungen des Rates 2010 und 2009 haben einzelne Mitglieder immer wieder mal wissen wollen, wie es eigentlich weitergehen soll. Aber die einzige Auskunft war, daß die KMK darüber sich noch nicht geäußert habe. Auch Tobias Funk, der z. B. in Vaduz für die KMK dabeisaß, hat kein Wort dazu gesagt.
Ein Mitglied schrieb mir: "Der Rat wird in einer 2. Periode dahindümpeln."
So wird es wohl sein.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.04.2011 um 16.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18448

Ein Teil meines Kommentars ist jetzt auch in den Wiener Sprachblättern abgedruckt, mit Link auf diese Website.

Unter Beiträgen von Reformbefürwortern wie Pohl und Back steht ausdrücklich, daß sie auf Wunsch der Verfasser in Reformschreibung gedruckt seien. Die herkömmliche gilt also als Normalfall.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 13.02.2011 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18031

Unter Schmetten verstehe ich die Haut, die sich auf abgekochter (echter) Milch bildet und die man als Ganzes abziehen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2011 um 07.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18030

Mir ist auch der "Schmetten" geläufig, woher ja auch der Schmetterling seinen Namen hat.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 12.02.2011 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18028

Schmant wird im Duden-Herkunftswörterbuch auf westgermanisch *smanthi = weich zurückgeführt, im Tschechischen Etymologischen Wörterbuch (Etymologický Slovník Jazyka Ceského) aber auf urslawisch smetana (mit nasalem e) und auf ein urslawisches Partizip Passiv, und es wird erwähnt, daß dieses Wort in ähnlicher Schreibweise im Polnischen, Obersorbischen, Litauischen, Slowakischen, Ukrainischen, Bulgarischen, Slowenischen vorkommt. Falls letzteres stimmt, muß es vor der Entnasalisierung ins Mittelhochdeutsche gekommen sein (ähnlich wie der Name Wenzel von slawisch Vaclav noch mit nasalem ersten a).
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 12.02.2011 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18024

Nach Sicks Logik dürfte man dann wohl den Dolmetscher auch nicht mit d schreiben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2011 um 09.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#18022

Bei seinem Auftritt in Trier überführte Sick seine Zuhörer der Unfähigkeit, Schmant "richtig" zu schreiben. Wenn der Rechtschreibrat sich durchsetzt, wird Sick sein Programm entsprechend ändern und seine sklavische Ergebenheit gegenüber den staatlich approbierten Rechtschreibtyrannen aufs neue beweisen. Wir in Hessen haben übrigens schon immer Schmand geschrieben, und wir müssen es wissen, denn wir lieben diese Speise sehr.
Übrigens klingen die Berichte über Sicks Auftritte schon verhaltener. Man läßt sich nicht mehr alles bieten.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 11.01.2011 um 14.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17765

Peinlich für die KMK ist, etwas bekanntgeben zu müssen, das am selben Tag schon in der Zeitung steht. Eigentlich hätte die Personalie in die Pressemitteilung vom 9. Dezember gehört, fand sich dort aber nur gut getarnt in Form der Aussage, Zehetmair habe im Oktober bereits zugesagt, weiter für das Amt des Vorsitzenden zur Verfügung zu stehen: Nur damit möglichst niemand im Zusammenhang mit der Übergabe des Berichtes eine Nachricht erkennt.
Das hat dann ja zunächst auch geklappt; die dpa-Meldung vom 9. Dezember greift lediglich ein paar Belanglosigkeiten aus der Erklärung zu der Tagung in Brüssel heraus, zwischen denen die Erwähnung des Berichtes versteckt ist. Ich halte nicht einmal die falsche Datierung des Berichtszeitraums von 2004 (statt 2006) bis 2010 in der Erklärung vom 9. Dezember für einen Zufall.

Dilettantische Öffentlichkeitsarbeit bleibt es trotzdem. Mit Informationen, die sich sowieso nicht unter dem Teppich halten lassen, muß man offensiv umgehen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2011 um 11.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17764

Die KMK hat am 11. Dezember 2010 bekanntgegeben:

"An der Spitze des Rates für deutsche Rechtschreibung ändert sich vorerst nichts. Der frühere bayerische Kultusminister Hans Zehetmair wird das Gremium weiter leiten. Wie lange er das Amt behalten werde, wisse er noch nicht, sagte der 74-Jährige in München. Sein Verbleiben in dem Gremium hatte er zuvor an die Bedingung geknüpft, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung von der Kultusministerkonferenz mehr finanzielle Unterstützung erhält. Darüber werde nun gesprochen, sagte Zehetmair."

Laut Statut wird der Vorsitzende auf Vorschlag der KMK usw. vom Rat gewählt. Das Ergebnis der nächsten Wahl scheint nicht sehr zu interessieren, Zehetmair bleibt es, basta!
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 09.01.2011 um 19.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17758

Weil zur Vorgabe ‚die Sprachentwicklung zu beobachten‘ keinerlei konkrete Ziele und auch keine Methoden definiert sind, handelt es sich um eine Beliebigkeitsübung, die eigentlich immer erfüllt wird, wenn nur irgend ein Statement abgegeben wird. Insofern überläßt man den Rat sich selbst, es soll ihn halt geben, daß man sagen kann, der Rat für Rechtschreibung begleitet die Umsetzung der Reform.
Und von Zeit zu Zeit ist es dann halt der Rat, der von der gelungenen Umsetzung berichtet. So soll es doch sein, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.01.2011 um 14.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17747

Dies ist mein Beitrag in der heutigen SZ (eine falsche Jahreszahl, ein Versehen von mir, ist korrigiert):

Rat auf Reisen

Mit dem Jahr 2010 ist auch die erste Amtsperiode des Rates für deutsche Rechtschreibung zu Ende gegangen. Im Dezember legte er den Kultusministern seinen Rechenschaftsbericht vor. Das konkrete Ergebnis der letzten vier Jahre: Der Rat schlägt den Politikern vor, 16 „forciert integrierte“ Schreibvarianten aus dem Wörterverzeichnis von 1996 zu entfernen, weil niemand von ihnen Gebrauch mache: Butike, Kupee, Mohär, Sutane, Fassette, Kabrio, Krem/Kreme, Maffia, Maläse, Scharm (inkl. scharmant), Sketsch, transchieren, Katarr, Myrre, Schikoree, Schose. Was der Bericht verschweigt: Zehn davon standen schon im alten Duden, haben also mit der Rechtschreibreform gar nichts zu tun. Auch ohne die Reform und den Rat hätte der Duden sie nach und nach getilgt, wie er es stillschweigend mit Kautsch und Schofför getan hat. Außerdem sollen vier Varianten neu aufgenommen werden: Caprice, Clementine, Crème und Schmand. Es geht also um ein wenig Kosmetik am Wörterverzeichnis. Warum sollten die Kultusminister Änderungsvorschläge annehmen, die trotz ihrer Geringfügigkeit den Neudruck aller Wörterbücher nach sich ziehen würden? Das müssen sich die Ratsmitglieder auch überlegt haben. Vielleicht wollten sie sich mit ihren lächerlichen „Arbeitsergebnissen“ nur einen Jux machen.
An die verbliebenen schweren Mängel des eigentlichen Regelwerks hat der Rat sich nicht herangetraut. Ein listiger Versuch der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, im Zuge einer redaktionellen Verbesserung der Regeln auch gleich die verunglückte Groß- und Kleinschreibung zu revidieren, wurde sofort durchschaut und abgeschmettert. Der Rat fühlt sich anscheinend weiterhin an die Weisungen der Kultusminister gebunden, die 2005 jede inhaltliche Weiterarbeit verhinderten und den Rat darauf festlegten, „die Sprachentwicklung zu beobachten“ – wozu ein solches Gremium schon aufgrund seiner Zusammensetzung nicht in der Lage ist. Um diese offenkundige Verlegenheit wird auf den vierzig Seiten des Berichts in wortreichem Bürokratendeutsch und mit vielen grammatischen, stilistischen und sachlichen Schnitzern herumgeredet. Nur ein kleines Beispiel, um das Niveau der ganzen Unternehmung zu kennzeichnen: Weder der Vorsitzende Zehetmair noch die anderen 40 Experten scheinen zu wissen, was „Älchen“ sind, nämlich keineswegs nur kleine Aale.
Was tut man, wenn man nichts tun darf? Die Wörterbuchredaktionen, die im Rat den Ton angeben, haben Statistiken erstellt, aus denen zum Beispiel hervorgeht: Kammmacher wird nun durchgehend reformgemäß mit drei m geschrieben, kommt allerdings praktisch nur im Titel von Gottfried Kellers Erzählung vor. Als Beweis für die hohe Akzeptanz der Rechtschreibreform ist das nicht gerade überzeugend. Interessanter ist das folgende Ergebnis: Unmittelbar nach 1996 konnte man sehr oft Spagetti und Tunfisch lesen, aber seither sind die Medien weitgehend zur alten Schreibung mit h zurückgekehrt. Trotzdem werden diese und andere Wörter (noch) nicht zur Rücknahme vorgeschlagen.
Im Berichtszeitraum tagte der vierzigköpfige Rat zehnmal an verschiedenen Orten Europas (Mannheim, München, Eupen, Wien, Vaduz, Bozen, Bern, Berlin), hinzu kamen Sitzungen der Arbeitsgruppen. Der Bericht beklagt die unregelmäßige Teilnahme, die eine kontinuierliche Arbeit erschwert habe. Vorsichtig gerechnet, waren also für den Vorschlag, Butike zu streichen, rund 20 Reisen erforderlich, 20 weitere für Sutane usw.!
Der Rat kann sich nicht selbst auflösen; diesen letzten Dienst können ihm nur die Kultusminister erweisen. Der anstehende Wechsel in der Besetzung wäre eine gute Gelegenheit.
 
 

Kommentar von Lyriost, verfaßt am 30.12.2010 um 20.04 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17658

Einige Anmerkungen zum Bericht finden Sie hier: www.blogigo.de/gedichte_gedanken/Rat-fuer-deutsche-Rechtschreibung/6097/
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 20.12.2010 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17606

Die Begriffe: Baryt, Diorama, Draisine, gentlemanlike, glazial und Scheurebe kommen in meinem Wortschatz jedenfalls aktiv vor.
Zu meinen Hobbies zählen u. a. Fotografie, Eisenbahn, Naturerlebnis und auch guter Wein spielt eine gewisse Rolle.
Statistisch gesehen, gehören diese Begriffe vermutlich aber nicht zum zentralen deutschen Wortschatz.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.12.2010 um 05.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17605

Zur Liste der Empfehlungen schreibt Güthert abschließend:
Die vorgeschlagenen Änderungen haben keine Auswirkungen auf das amtliche Regelwerk in seinen Regeln, da bei Fällen dieser Art immer der Einzelfall zu bewerten ist.
Dieses Gebilde hat gute Aussichten, zum schönsten deutschen Satz gewählt zu werden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2010 um 10.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17591

Aus dem Bericht geht hervor, daß vor der Reform Stengel immer und behende fast immer dudengerecht geschrieben wurde, weil eben niemand an Stangen und Hände dachte. Damit vergleiche man, was der damalige KMK-Präsident Hans-Joachim Meyer am 26.3.1998 im Bundestag sagte:

»Aber ich weiß auch, daß man diejenigen in Deutschland, für die es einen Sinn macht, daß man "behende" mit "e" statt mit "ä" schreibt, (...) daß man "Stengel" mit "e" (...) schreiben muß, bequem in diesem Saal versammeln kann. Selbst unter den Germanisten ist es nur ein geringer Prozentsatz, für die dies noch einen Sinn ergibt.«

Das war nur eine der unsäglichen Dummheiten dieser Rede, die insgesamt wohl der absolute Tiefpunkt der Rechtschreibdiskussion war. Meyer hatte damals wohl vergessen, daß er der CDU angehörte, und mußte sich das Wort "Verräter" entgegenhalten lassen (von Ramsauer). Den meisten Beifall erhielt er von SPD und PDS in trauter Verbundenheit. Man könnte darin einen Beweis für die "Unbeugsamkeit" sehen, die ihm später anläßlich einer Preisverleihung nachgerühmt wurde. Aber das verbietet sich, wenn man seine Rede noch einmal liest.

Denkwürdig war u. a., daß Meyer die Rechtschreibreform zum Prüfstein der Zukunftsfähigkeit Deutschlands machte. Ob er sich wenigstens ein bißchen schämt, wenn er das noch einmal nachliest? Ich glaube es nicht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 19.12.2010 um 05.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17589

Die statistischen Untersuchungen zur Durchsetzung der Reform liegen mir vor, sind aber technisch schwer hier einzurücken. Ich will aber wenigstens ein Beispiel erwähnen. Die Wahrig-Redaktion hat tatsächlich untersucht, wie oft die Varianten Mopp und Mop geschrieben werden. Die – auch durch eine Grafik illustrierten – Angaben von 15, 50 und 100 Prozent lassen darauf schließen, daß im Textkorpus überhaupt nur vier Belege dieses nahezu ausgestorbenen Wortes vorkamen!

Der Vorsatz, die Schreibweise von Wörtern auch noch post mortem zu regeln, hatte ja schon die ursprüngliche Reform diskreditiert. In meinem Schildbürger-Büchlein hatte ich gefragt, ob Aland, Alant, ansträn­gen, Aventurin, Baryt, cheerio, Diorama, Draisine, gentlemanlike, glazial, Grafie, Güster, Hova­wart, Kalmus, Khedive, Lithurgik, Nerfling, Phillumenie, Pitaval, Pitchpine, Salband, Scheurebe, Schörl, Skink, Töff, Toque, vidieren, Woiwode, Zine­raria wirklich zum "zentralen deutschen Wortschatz" gehören. Augsts besonderer Ehrgeiz galt jahrzehntelang dem Plan, die Schreibweise von Fritfliege zu ändern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 18.12.2010 um 05.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17587

Eisenberg hat ja voriges Jahr in einem längeren Zeitungsartikel die Verkleinerung des Rechtschreibrates verlangt und insbesondere den Hinauswurf der Schulvertreter gefordert (siehe hier). Darauf hatte der Deutschdidaktiker Ossner in einem Leserbrief geantwortet. Die ungekürzte Fassung dieses Leserbriefes ist anscheinend hier noch nicht wiedergegeben worden, weshalb ich es nachhole:

Am 17.4. hat Peter Eisenberg in dieser Zeitung auf das Ende des Rates für deutsche Rechtschreibung hingewiesen, dessen Amtszeit 2010 endet. Es geht also um die Zeit danach und darum, wer dann noch im Rat sein soll. Eisenberg geht in der alten Wildwest-Manier vor, wonach derjenige, der als Erster einen Claim absteckt, dort auch als Erster Rechte beanspruchen kann. Insbesondere scheint es Eisenberg ein besonders Anliegen zu sein, die „Schulvertreter“ aus dem Rat zu beseitigen. Er lässt offen, wen er damit meint, da der Rat „die Schulvertreter“ als Fraktion nicht kennt. Er kann auch nicht durch eine Protokollnotiz nachweisen, dass irgendjemand jemals verlangt hätte, „bestimmte Rechtschreibregeln zu favorisieren, weil sie sich einfach formulieren lassen“. Vielmehr war es Eisenberg, der es in einer Frühphase des Rates abgelehnt hat, dass sich der Rat nicht nur mit den Regeln, sondern auch mit den Formulierungen der Regeln befasst. Heute schreibt er, die Textsorte sei „unverständlich, voller Widersprüche, viel zu kompliziert“. Das ist zwar richtig, aber in seinem Falle inkonsequent. In seinem Eifer, „die Schulvertreter“ aus dem Rat zu entfernen, schreckt er auch nicht vor falschen Behauptungen zurück. Es gab „kein Ansinnen, der Rat möge eine Umstellung literarischer Texte auf neue Orthographie empfehlen“, vielmehr habe ich in die Diskussion des Rates eingebracht, ob der Rat nicht diejenigen Autoren – von Bert Brecht bis Helmut Kohl –, die sich gegen die Schreibung ihrer Texte nach Art der Reform von 1996 ausgesprochen hatten, bitten könnte, ihre Ablehnung nach dem Regelwerk von 2006 zu überdenken. (Ich bestand – protokollarisch
ausgewiesen – auf dem Ausdruck „bitten“.) Ich sah dies als eine Aufgabe des Rates an, weil ihm die Einheit der Orthographie ein Anliegen sein muss und diese Einheit insbesondere nach der Entscheidung der FAZ vom Dezember 2006, das neue Regelwerk im Grundsatz zu akzeptieren, wieder in greifbarer Nähe war.

Eisenberg stellt diejenigen, die er „Schulvertreter“ nennt, als unvernünftige Manipulatoren an dem dar, „was ist, wie es ist“. Aber die Rechtschreibung ist nicht naturwüchsig, wie sie Eisenberg propagiert, sondern ein kompliziertes Geflecht aus Regelmäßigkeiten, Konventionen und gesetzten Normen. Am Setzen auch neuer Normen hat sich Eisenberg selbst fleißig beteiligt. Wortreich hat er im Rat dafür geworben, alle nichtkomplexen Objektsprädikative in Verbindung mit einem Verb für Zusammenschreibung freizugeben, so auch grünstreichen. Das gab es nicht vor 1996, nicht nach 1996, wohl aber ist dies nach § 34 (2.1) des Regelwerks seit 2006 möglich. Sinnvoll und sprachlich korrekt ist es nicht, wie auch Jacobs, einer der besten Kenner der Getrennt- und Zusammenschreibung feststellt. Eisenberg ist Interessenvertreter, insbesondere, wie schon Theodor Ickler bemerkte, seiner eigenen. Er möchte einen Rat für deutsche Rechtschreibung nach seinem Gusto. Wie es da zugehen würde, davon kann sich jeder nach seiner Einlassung ein Bild machen. Man kann dagegen dem Rat nur wünschen, dass seine vielseitige Zusammensetzung auch nach 2010 Bestand hat; vielleicht könnte das den Vorsitzenden, Dr. Zehetmair, dessen Verdienste Peter Eisenberg ausnahmsweise annähend zutreffend darstellt, dazu veranlassen, dem Rat noch weiter vorzustehen.

Prof. Dr. Jakob Ossner, Mitglied des Rats für deutsche Rechtschreibung, Vertreter des Symposions Deutschdidaktik.



Soweit der Leserbrief. Trotzdem wird der Rat wohl verkleinert werden. Da Eisenberg, dem Zehetmair so viel verdankt, und Bertelsmann-Wahrig, auf den Zehetmair unbedingt angewiesen ist, am selben Strang ziehen, wird es wohl so weitergehen, wie Frau Krome es wünscht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 17.12.2010 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17582

Kerstin Güthert glaubt nicht nur Ratsmitglieder tadeln zu dürfen, sie hat eine ganz eigene Dienstauffassung. Vor einigen Jahren, nachdem ich ihren früheren Chef Stickel wegen seines Verhaltens in der Rechtschreibdebatte kritisiert hatte, glaubte sie mich telefonisch daran erinnern zu müssen, daß Stickel doch einmal ein positives Gutachten über mich verfaßt hatte. Das war an sich schon ein, nun ja, etwas seltsamer Vorstoß. Man sollte aber auch die akademischen Gepflogenheiten berücksichtigen. Gutachten, beispielsweise in Berufungsangelegenheiten, dürfen außerhalb der zuständigen Kommission überhaupt nicht bekannt werden. Die Mitglieder sind selbstverständlich zur Verschwiegenheit verpflichtet und werden auch regelmäßig daran erinnert. Nicht einmal ich selbst hätte von Stickels Gutachten (es liegt 25 Jahre zurück) wissen dürfen. Erst recht nicht eine Hilfskraft am IdS. Der Vorgang übersteigt meine düstersten Ahnungen. Was ist denn das für eine Schwatzbude? Meine noch weiter zurückliegende Forderung, das IdS aufzulösen, scheint mir weiterhin berechtigt.
 
 

Kommentar von B Janas, verfaßt am 16.12.2010 um 08.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17578

"Non scholae sed vitae discimus", dieser alte Grundsatz wurde für die Orthographie umgedreht. Auf diese monumentale Torheit setzten die Medien noch eine drauf, indem sie sich entschieden, für die Schule statt für's Leben zu schreiben. (Wohl wissend, wie es um die Akzeptanz im wirklichen Leben aussah.)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 16.12.2010 um 06.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17577

Der Begriff der Schulorthographie spielt in verschiedener Hinsicht eine Rolle. Die Kultusminister haben nur auf die Schulen Zugriff, das Verfassungsgericht hat es ihnen bestätigt, auch mit dieser Beschränkung. Für staatliche Behörden gilt die Neuregelung nicht automatisch, sondern muß ausdrücklich verordnet werden. Dafür sind wir dankbar, denn so mußten sich die einzelnen Ministerien ausdrücklich zur Neuregelung bekennen und können daran erinnert werden.
Die Zeitungen und Verlage haben kein Recht, sich auf eine "gesetzliche" Regelung oder dergleichen zu berufen, um ihr Einknicken zu bemänteln. Es ist trotzdem versucht worden, wie wir gesehen haben. Aber sie müssen die Übernahme der von den Lesern abgelehnten Rechtschreibung auf ihre eigenen Kappe nehmen.

Außerdem spielte das Argument "nur Schulorthographie" in der Durchsetzungspropaganda eine große Rolle. Gerade der erwähnte Zabel hat immer wieder betont, privat könne ja weiterhin jeder schreiben, wie er will. Das war natürlich Unsinn, weil sich de facto niemand entziehen kann.

Seit Beginn der Reform wird allgemeine Verbindlichkeit suggeriert, und das hatte enormen Erfolg. Darum muß man immer wieder daran erinnern, daß außer den weisungsgebunden Schulen und dann auch Behörden alle anderen freiwillig nachgegeben haben. Wie fest die Reformer mit diesem Effekt rechneten, habe ich seit meinem Schildbürger-Büchlein immer wieder belegt.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 16.12.2010 um 01.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17576

Mir ist in dem Bericht besonders die Reihung zum einen – zum anderen – zum Dritten aufgefallen, die darin gleich zweimal (Seiten 4 und 9) vorkommt. Da wird ganz dogmatisch und stur nach Neuschrieb großgeschrieben, ohne auch nur im geringsten einen Schiefstand zu bemerken.

Daß im Wesentlichen, im Einzelnen, im Allgemeinen, im Folgenden, des/im Weiteren, im Speziellen, im Grundsätzlichen immer großgeschrieben sind, ist eben konsequenter Neuschrieb, aber daß man sich nicht schämt, dies dauernd neben unter anderem, vor allem, bei weitem, zum einen, zum anderen zu setzen, das verstehe, wer kann.

Da macht die Fußnote 68 mit Hinweis auf einen Entwurf, der für diese Fälle generell die alte Kleinschreibung vorschlägt, direkt Hoffnung.
 
 

Kommentar von stst, verfaßt am 15.12.2010 um 19.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17575

Was für einen Sinn sollte es haben, eine neue Orthographie nur für Schulen (und Ämter) einzuführen?
Bei extremer Befolgung hieße das, Schüler (und Beamte) schreiben anders recht als der Rest der Welt?
 
 

Kommentar von Kurt Albert, verfaßt am 15.12.2010 um 19.20 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17574

Schulorthographie

... das ist der entscheidende Begriff (auf den ich in meiner Tätigkeit als Sprachberater und Referent einer Wiesbadener Institution, zur Verwunderung vieler, oft hingewiesen hatte). Man kann in früheren Veröffentlichungen der beim IDS Mannheim versammelten Reformer bzw. des sog. Internationalen Arbeitskreises für Orthographie Bezugsstellen finden. "Basisorthographie" hieß es auch.

Ich erinnere mich (dies als Faktum, ohne jeden Kommentar) an einen Vortrag Hermann Zabels vor der Gesellschaft für deutsche Sprache, Wiesbaden (1994, wenn ich mich recht erinnere), in dem er strikt herausstellte – und dafür plädierte, daß die in Aussicht stehende "kleine, aber effektive Reform" ihr Zentrum darin habe –, daß ein Hauptschüler die Möglichkeit habe/haben müsse, die Rechtschreibung zu beherrschen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 15.12.2010 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17573

In einem von Wikipedia veröffentlichten Briefwechsel (siehe hier) erweckt Güthert durchgehend den Eindruck, als gelte die Reformschreibung für die "Allgemeinsprache" schlechthin, während die Fachsprachen ihre Sonderschreibungen haben dürften. Daß es sich um eine Schulorthographie handelt, kommt gar nicht in den Blick. Diese Suggestion, seit Jahren sorgfältig gepflegt, hat viel zur Durchsetzung beigetragen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 15.12.2010 um 14.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17572

@ ppc

Ihrem Beitrag #17571 stimme ich Ihnen gerne zu, bis auf den letzten Satz.

Siehe dazu hier. Zitat:

''Bleiben zwei Fragen, von denen die erste berechtigt ist, die zweite demagogisch: Warum erst jetzt? Und: Ist es nicht zu spät? Wer vor einem Jahr protestierte, wie einige Journalisten oder die Schriftsteller Siegfried Lenz und Otfried Preußler, die Verleger Werner Dausien und Matthias Dräger, die Germanisten Theodor Ickler, Christian Stetter oder Jean-Marie Zemb, kam leider zu früh.''
 
 

Kommentar von ppc, verfaßt am 14.12.2010 um 21.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17571

Normalerweise wäre es jetzt an der Zeit, daß der König (m/w) die gesamte (heute sagt man: "komplette") Kommission absetzt und die Gehaltszahlungen mit sofortiger Wirkung einstellt. Ohne gesunden Pragmatismus geht die schwafelnde Selbstbeschäftigung und das Labern im eigenen Saft aber wohl noch eine Weile weiter.

Als "User" (und ich bin das Volk) interessiert mich das alles nicht die Bohne. Ich will z.B., daß meine Sprache a) eindeutig, b) mächtig, c) logisch, d) schnell zu lesen und zu erfassen ist. Dazu will ich, daß Mehrdeutigkeiten wie "gräulich"/"greulich" wieder eindeutig werden, Varianten und Zungenbrächer ("aufwÄndig", "selbSTSTSTändig") beseitigt werden, Adjektive und Adverbien wieder klein geschrieben werden, die Aufmerksamkeit nicht durch penetrante Großschreiberitis unwichtiger Floskeln (Im Übrigen blieb im Allgemeinen des Weiteren alles im Wesentlichen beim Alten) abgelenkt wird und daß lange Sätze sinnvoll durch Kommas strukturiert werden.

Außerdem bin ich dafür, daß das besinnungslose, rauschhafte Kommaabschlachten in 90% aller Kinder- und Jugendbücher am besten durch öffentliches Auspeitschen bestraft wird. Ich frage mich wirklich, warum niemand der teilweise weltbekannten Autoren und Autorinnen (z.B. Herr Hotzenplotz) gegen die Kastration ihrer Werke vorgegangen ist, aber vielleicht geht es denen ja auch nur um eine Kiste voll Gold.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.12.2010 um 12.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17570

Die Darmstädter Akademie? Die gibt es doch gar nicht. Das Desinteresse ihrer Mitglieder an den eigenen Projekten und Veranstaltungen ist sprichwörtlich, in sämtlichen Zeitungsberichten über die Tagungen kommt das Wort "verschnarcht" vor.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 13.12.2010 um 19.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17569

Es müßte der Geschäftsführerin nur jemand einflüstern, daß infolge eines »Paradigmenwechsels« die herkömmliche Rechtschreibung wieder in Kraft treten muß, und schon würde sie ihre ganze Formulierungskunst in den Dienst der guten Sache stellen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 13.12.2010 um 19.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17568

"Eisenberg scheint die Prügel zu genießen, die er immer wieder bezieht – sogar von Kerstin Güthert..."

Wieso "sogar"? Eher doch: gerade. Die Reaktion der Geschäftsführerin speziell auf Anschläge gegen die reformierte GKS ist nicht nur vorhersehbar, sondern jedesmal putzig. Allerdings sollte sich die Darmstädter Akademie fragen, ob sie weiterhin die Demütigungen zu ertragen gewillt ist, die ihr Vertreter im Rat auf sich zieht.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2010 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17567

Laut Statut des Rates (3.4) sollen übrigens alle Änderungsvorschläge zunächst „Vertretern der Schulen, insbesondere den Lehrer- und Elternvertretungen, sowie den für die Verwaltungssprache zuständigen Behörden“ zur Stellungnahme vorgelegt werden. „In gleicher Weise sollen Vertreter solcher Einrichtungen angehört werden, die aufgrund ihres Umgangs mit Sprache und Rechtschreibung deren Fortentwicklung beurteilen können oder voraussichtlich an der Umsetzung der Beschlüsse des Rats beteiligt sein werden.“
Zu den Änderungen von 2006 wurden zwar die vorgeschriebenen Stellungnahmen eingeholt; der Rat beschloß dann jedoch, die Vorschläge den Kultusministern vorzulegen, ohne auch nur ein Jota zu ändern. Die stellungnehmenden Autoren hatten ihre Arbeit umsonst geleistet. Zu den nun angeregten Änderungen wurden offensichtlich gar keine Stellungnahmen mehr eingeholt, obwohl es im Statut vorgeschrieben ist.

Auch aus dem veränderten Geleitwort Zehetmairs auf den Seiten des Rates geht einigermaßen deutlich hervor, daß der Rat die bisher nicht bearbeiteten Regeln nicht mehr antasten will oder darf. Dieses Herausschleichen aus der eigentlichen Arbeit hat etwas unsäglich Widerwärtiges. Man sollte Zehetmair einmal direkt fragen, warum die restlichen Regeln nicht in derselben Weise repariert werden wie die erste Portion.

Nun fragt sich natürlich, ob die KMK bereit ist, Geld für eine Institution auszugeben, die jahrelang "beobachten" soll, in welchem Umfang die Medien die Reform umsetzen. Da von vornherein nur umgestellte Druckwerke einbezogen werden, kann der Rat nicht zur Kenntnis nehmen, daß viele Verlage die Reformschreibung meiden. Solche Reformverweigerer werden auch im Bericht nicht erwähnt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2010 um 10.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17565

Wir werden mit vereinten Kräften sicher noch eine Reihe von weiteren Beobachtungen machen können (auch wenn die Lektüre des Abschlußberichts eine arge Zumutung ist).

Die Lieblingsformulierungen von Frau Güthert sind wie eine Duftmarke: das "Gesamt", der "Angang", 14mal "wesentlich". Nur "arrondieren" vermißt man diesmal, vielleicht weil es keine Änderungen gibt, die mit diesem Wort camoufliert werden müssen.

Eisenberg scheint die Prügel zu genießen, die er immer wieder bezieht – sogar von Kerstin Güthert, die sich schon früher nicht scheute, den Ratsmitgliedern Zensuren zu erteilen (weshalb mancher Protokollentwurf geändert werden mußte). Sie ist ja auch nicht vom Rat selbst ausgesucht, sondern ihm als vollendete Tatsache vor die Nase gesetzt worden.

"Nach der Erfüllung des unmittelbaren Auftrags einer Überprüfung und Überarbeitung der Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung, Zeichensetzung, Worttrennung am Zeilenende und (in bestimmten Teilen) Groß- und Kleinschreibung des amtlichen Regelwerks wandte sich der Rat für deutsche Rechtschreibung seinen kontinuierlichen und längerfristigen Aufgaben zu."

Man fragt sich, warum er sich nicht unverzüglich den bisher zurückgestellten Teilen (Laut-Buchstaben-Entsprechungen, wichtige Teile der Groß- und Kleinschreibung) zugewandt hat. Das hat er allerdings, wie der Bericht dann zeigt, sehr wohl getan, aber unter der selbstgesetzten Vorgabe, nichts zu ändern. Dieser Wunsch der Kultusminister wurde auch für die zweite Hälfte der Amtszeit als verbindlich betrachtet – eine Selbstaufgabe, für die keine Erklärung gegeben wird.

"Die im Text gebrauchten Ausdrücke für Personenbezeichnungen (wie z. B. Lehrer) werden im generischen Sinne verwendet, d. h., sie beziehen sich auf Männer wie Frauen gleichermaßen."

(Der Rechtschreibrat gesteht also zu, daß es ein generisches Maskulinum gibt und daß es funktionieren kann.)

„Als nicht sehr glücklich wurde angesehen, dass zumindest eines der auch im Rat vertretenen großen Wörterbücher von der „Beobachtungsmaxime“ des Rats deutlich abgewichen ist und – v. a. im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung – die Schreibungen empfohlen werden, die mit der Reform von 1996ff. verbunden sind."

Eine solche „Beobachtungsmaxime“ gibt es nicht, und die Wörterbücher sind erst recht nicht gehalten, sich auf reine Beobachtung zu beschränken.

Und was ist eigentlich die „Reform von 1996ff.“? Soll hier angedeutet werden, daß es zwischen 1996 und 2006 noch etwas gegeben hat?

Deutlicher als je zuvor spricht der Rechtschreibrat sich gegen die Umstellung literarischer Texte „ad usum delphini“ aus, weil „die Art der gewählten Schreibung in der Autonomie der Schreibenden liege und daher auch Teil seines Textes sei, der als solcher nicht von amtlichen Vorgaben betroffen sei.“ Ob die Schulbuchverlage, ob Reclam und die Jugendbuchverlage das zur Kenntnis nehmen werden? Ihr bisheriger Umstellungs- und Entstellungseifer spricht eher dagegen.

„Auf der Basis der Durchsicht und Diskussion dieser Vorlagen kam man für die Fremdwortschreibung und die Laut-Buchstaben-Zuordnungen zu dem Schluss, kritische Fälle sollten im Rahmen dieser ohnehin vorgesehenen Aufgabe systematisch in die Beobachtung des Schreibgebrauchs einbezogen werden.“

Während der Rat in der ersten Hälfte seiner Amtszeit unbeschwert von „Beobachtungen“ die Reparatur der mißlungenen Reformbereiche in Angriff genommen hatte, erlegt er sich nun auf, die verbliebenen Regeln nicht ebenso (und satzungsgemäß) zu reparieren, sondern ihre Auswirkungen nur zu „beobachten“. Diese Änderung von Methode und Ziel wird nicht begründet – wenn man nicht den bloßen Wunsch der Kultusminister als Begründung heranziehen will.

Stellenweise hat der Rat nun sogar den Schreibbrauch vor 1996 „beobachtet“, allerdings nicht so, wie es als Vorbereitung einer Rechtschreibreform nötig gewesen wäre, nämlich als empirische Grundlage einer Normierung des Üblichen, sondern allein unter dem Gesichtspunkt, wie oft auch vor der Reform schon abweichend vom alten Duden und damit „falsch“ geschrieben wurde. Damit will man die gegenwärtigen Abweichungen herunterspielen und die Nutzlosigkeit der Reform verschleiern.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2010 um 10.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17564

Falls jemand vor fünf Jahren gemeint haben sollte, ich hätte, um doch wenigstens ein ganz kleines bißchen Einfluß zu behalten, den Rechtschreibrat nicht verlassen sollen, der ist nach Lektüre des Abschlußberichts nun wohl eines besseren belehrt. Das Ganze hat ja deutlich surreale Züge. Man kann es kaum glauben, daß drei Dutzend erwachsene Menschen sich mit so etwas beschäftigen. Und es ist seit 2006 unverkennbar noch schlimmer geworden, weil eben die Beschäftigung erklärtermaßen und absichtsvoll leerläuft. Gerade deshalb soll sie wohl in alle Ewigkeit verlängert werden, weil nur so das Scheitern der Reform bemäntelt werden kann. Das betroffene Volk kann ständig in der Illusion gehalten werden, es sei ja alles noch in Bewegung und auf dem Weg der Besserung.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.12.2010 um 06.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17561

Am Rande sei erwähnt, daß die Verfasserin des Berichts sich noch immer nicht mit den sprachgeschichtlichen Tatsachen auskennt: „Bei den Remotivierungen handelt es sich um die Fälle Bändel, behände, Gämse, Gräuel/gräulich, schnäuzen, Stängel, überschwänglich, (Schnee)wechte, bei den Neumotivierungen um die Fälle belämmert, ein-/verbläuen, Quäntchen, Ständelwurz, Tollpatsch und Zierrat.“ Sie spricht daher auch von der „Schreibung gräulich für greulich, bei der eine Unterscheidungsschreibung aufgehoben wird.“ Einige der vermeintlichen Remotivierungen sind jedoch Neumotivierungen. Greuel kommt von mhd. griuwel, schnäuzen von sniuzen.

Der Rat geht hier, wie auch sonst, nicht auf die Folgen der Reform in konkreten Texten ein:
Intakte Nissen sind gräulich und erinnern an kleine Sandkörner. Sie haften fest an den Haaren und lassen sich nicht wie Schuppen abstreifen. (Augsburger Allgemeine 11.11.10) – Er ist wie eine etwas verschmierte, gräuliche Kopie von Thomas Mann. (SZ 8.11.10) – Was ist jeweils gemeint? Setzt man Rückert in Neuschreibung um, zerstört man eine Pointe: Grau macht die Zeit, die greuliche; / Trau nicht auf die untreuliche! Aber was die Reform in den Texten anrichtet, hat die Reformer noch nie interessiert. (Weitere Hinweise bei Stefan Stirnemann in Schweizer Monatshefte 11/2010.)
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 12.12.2010 um 16.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17559

Als unbedarfter Leser hat man den Eindruck, die verklausulierte Sprache hat einmal das Ziel, den Text schwer verständlich zu machen, um Leser davon abzuhalten, überhaupt alles zu lesen. Und zum zweiten soll durch die aufgeblasene Formulierung wohl Inhaltsschwere vorgegaukelt werden.
Das Gegenteil ist der Fall und angesichts der Minisubstanz kann man nur von einer „würdigen“ Fortsetzung der unwürdigen Reformgeschichte sprechen.
Die Wörterbücher werden halt bei der nächsten Ausgabe (die ohnehin irgendwann kommt) die paar Adaptierungen aufnehmen und das war‘s. Geworben wird ohnehin nicht mit Reformaspekten, sondern mit wieder einmal angestiegener Wortanzahl und der Aufnahme wichtiger neumodischer Wortkreationen.
Zum Scherbenhaufen: Wenn Zehetmair wirklich so dächte, müßte er ja irgendwann einmal etwas gegen die Scherben unternehmen, mir fehlt allerdings die Vorstellungskraft, was das sein sollte…
 
 

Kommentar von Romantiker 2.1, verfaßt am 12.12.2010 um 12.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1382#17558

Wer setzt sich am Wochenende hin, liest so Unerquickliches wie diesen Bericht und schreibt auf die Schnelle einen so klaren und fundierten Kommentar dazu?

Lieber Herr Ickler, ich hoffe mal, Sie werden sich jetzt einen ausgedehnten Spaziergang mit anschließendem Glühwein gönnen!
 
 

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