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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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23.03.2009
 

Du musst
Sonntagszeitung unter Reformdruck

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die ich gestern dummerweise gekauft habe (es steht fast nichts drin), gibt den Titel von Sloterdijks neuem Buch so wieder: "Du musst dein Leben ändern". Das Suhrkampbuch hat in Wirklichkeit den Titel "Du mußt dein Leben ändern".
Die einfachste Sorgfaltspflicht gerät unter die Räder der orthographischen Unterwerfungssucht. Wie schon in der Dokumentation zur Büchervernichtung erkennbar, soll jede Erinnerung an die bessere Rechtschreibung gewaltsam ausgelöscht werden.



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Kommentare zu »Du musst«
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Kommentar von tityrus, verfaßt am 31.03.2009 um 21.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14218

@#14215
"Könnte es denn Absicht sein, ein (vermutetes) Leserniveau auf Augenhöhe anzusprechen, oder müssen wir uns schlicht an derartiges Unvermögen gewöhnen?"

Gewöhnen kann ich mich daran nie, aber ich glaube, daß ganz allgemein das Niveau gesunken ist, ob wir das akzeptieren oder nicht. Auch in den Behörden ist das Mittelmaß das Maß der meisten Mitarbeiter. Im Sport soll es immer höher, immer weiter, immer schneller gehen. Da gibt es offensichtlich noch Ansprüche an Leistungen, ob man die gut findet oder nicht. Aber im Alltag, hier z.B. in der schriftlichen Anwendung der deutschen Sprache, ist ein allgemeines Desinteresse und eine Oberflächlichkeit festzustellen, nicht zuletzt auch durch den Einfluß des Internets, das viele als Orientierung benutzen, ohne jedoch auf die Qualität der Inhalte zu achten. Da ich selbst ein umfangreiches Web-Fachportal betreue und viele Vergleiche ziehen und beurteilen muß, kann ich hiervon ein Lied singen. Ich bin immer wieder entsetzt über die fachliche und sprachliche Qualität vieler Internetauftritte, auch solcher, die sich speziell an Schulen und/oder Jugendliche wenden. Wo sollen diese es denn lernen, wenn sie solche Vorbilder haben?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 31.03.2009 um 20.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14215

Auszug aus Inserat in aktuellen Mountainbike-Zeitschriften:
"Bei Ritchey haben wir verstanden, das sich 'richtig' immer verändert"
"Die meisten Leute denken 35 Jahre sind genug es richtig hinzubekommen."
"Nach alldem stellt sich heraus das 35 Jahre doch genug waren es richtig hinzubekommen: Immer und immer wieder ...."

Angesichts solcher Texte frägt man sich, ist's, weil es sich um eine amerikanische Firma handelt, oder schreiben hier tatsächlich einheimische Marketingspezialisten?

Könnte es denn Absicht sein, ein (vermutetes) Leserniveau auf Augenhöhe anzusprechen, oder müssen wir uns schlicht an derartiges Unvermögen gewöhnen?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2009 um 17.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14211

Also, ich habe auch nur einen Eindruck wiedergegeben, wissenschaftlich untersucht habe ich es nicht. Aus meiner Sammlung aller Verwechslungen im Bereich s/ss/ß geht einfach nicht klar hervor, daß es immer in Richtung "das" geht. Für Schreibanfänger ist es natürlich die Schreibweise der Wahl, wie schon vor der Reform.
 
 

Kommentar von Michael Krutzke, verfaßt am 31.03.2009 um 15.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14210

Herrn Strassers Beobachtungen habe ich auch gemacht. In zwei Motorradforen (im einen ist das Durchschnittsalter > 40, im anderen deutlich darunter) treffe ich oft auf diesen Fehler. In einem Wohnmobilforum ebenfalls, dort ist das Durchschnittsalter eher > 50. Die beruflichen Qualifikationen einer großen Gruppe der Forumsnutzer sind auf Facharbeiterniveau, Angestellte unterschiedlicher Berufe und Ingenieure sind ebenfalls stark vertreten. In zwei anderen Foren, die ich aus technisch/handwerklichem Interesse regelmäßig besuche, dürfte das Publikum in Sachen Alter, Qualifikationsniveau und Bildungsstand ähnlich zusammengesetzt sein.

Auch in Foren des XING-Netzwerkes, in denen sich viele Selbständige und karriereorientierte Angestellte mit akademischer Ausbildung sowie Führungskräfte treffen, scheint sich eine wachsende Zahl nicht mehr die "Mühe" machen zu wollen, zwischen "das" und "daß/dass" zu unterscheiden. Mir ist aufgefallen, daß dies nicht nur in schnell heruntergeschriebenen, sondern durchaus auch in ausformulierten und offensichtlich wohlüberlegten Texten vorkommt. Daß ein solcher Trend wissenschaftlich nicht belegt werden kann, beruhigt mich allerdings.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 31.03.2009 um 06.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14209

Nein, einen solchen Trend kann ich nicht erkennen. Es bleibt wohl ein ABC-Schützen-Fehler. Wir haben ja gesehen, daß Verallgemeinerung auch in der anderen Richtung stattfindet (zuviel dass). Eben Unsicherheit, hervorgerufen durch die Rechtschreibreform.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 30.03.2009 um 21.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14208

ein einfaches "das" für alle klassischen Formen zu schreiben (das, daß/dass), scheint mir ein ein gewisser Trend zu sein (e.g. 14192).
Frage an die Sprachwissenschaft: sehen Sie diesen Trend auch, und wenn ja, wie wäre das einzuordnen?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 28.03.2009 um 15.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14193

Etwas wichtigeres als die Sprache?

Objektiv betrachtet gibt es mit Sicherheit einige Dinge, die wichtiger als die Sprache sind, Herr Borutta. Aber das, was jeder tatsächlich machen kann, ist, daß er sich um die Beherrschung der eigenen Sprache bemüht. Dann werden zumindest im eigenen Sprachgebrauch auch keine Wörter mehr verlorengehen und man selbst macht dann folglich bei der Sprachverhunzung nicht mehr mit.

Wäre das nicht schon ein erster Schritt, mit dem man zugleich auch eine gewisse Kenntnis zeigte?
 
 

Kommentar von Falk Borutta, verfaßt am 28.03.2009 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14192

Wenn man sich heute mit jemandem über die Rechtschreibung unterhält, ist das fast so, als hätte man das Thema „Waldsterben“ angeschnitten.
Die Sache ist durch.
Man trifft auf die unterschiedlichsten Kenntnisstände, ohne das wirklich eine Kenntnis vorhanden ist.
Jeder macht irgendwie mit und sei es nur, indem er sich ein Buch oder eine Zeitung in Neuschrieb kauft.
Viele schreiben auch ohne darüber nachzudenken, das der Sinn nicht der ist, den sie beabsichtigt hatten.
Was herauskommt ist dann z.B. Scheiss.
Es interessiert kaum jemanden, das die deutsche Sprache verhunzt wurde. Das Wörter durch zwanghaftes auseinanderschreiben verloren gehen.
Jeder hat einen anderen Grund sich nicht darum zu scheren.
Man kann doch da sowieso nichts mehr machen.
Es gibt auch wichtigeres.

Hallo? Etwas wichtigeres als die Sprache?
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 25.03.2009 um 19.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14166

Die GEW ist die Attrappe einer Gewerkschaft, aber doch keine "linksalternative Intelligenz".
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.03.2009 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14165

Treibende Kraft war in der Bundesrepublik die GEW. Aber warum haben Zehetmair und seinesgleichen mitgemacht?

Mir ist dazu noch ein Gedanke gekommen: Die Orthographie gilt ja an sich schon nicht als besonders interessant, aber die Aufbereitung, die sie durch die Reformer erfahren hat, war und ist so über alle Maßen abstoßend, daß man die allgemeine Unlust, sich damit gründlich zu beschäftigen, durchaus verstehen kann. Zehetmair über die amtlichen Regeln gebeugt – das kann ich mir einfach nicht vorstellen, und ich bin weiterhin überzeugt, daß er das Originalwerk bis zum heutigen Tage noch kein einziges Mal gesehen hat.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 25.03.2009 um 15.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14164

Zu #14138:

''Auch der Boykott in Reformschrieb gehaltener Bücher bleibt einer kleinen Gruppe vorbehalten. Die Bestsellerlisten weisen eindeutig aus, daß die Orthographie für den Verkaufserfolg unerheblich ist.''

Das könnte man nur dann aus den Verkaufszahlen schließen, wenn die Wahl zuwischen klassisch und deformiert gegeben wäre. Das ist aber nicht der Fall.
Außerdem kommt in den Romanen eine ''mildere'' Form der Reform zur Anwendung, schon um den Leser nicht zu verprellen. (Dies könnte dann den Leser dazu verleiten, diese mildere Form als die an den Schulen gelehrte anzunehmen und damit das wahre Ausmaß der Katastrophe zu verkennen.)

''Die Allensbach-Umfrage zeigt zwar, daß eine Mehrheit nach wie vor die Reform ablehnt. Wieviele dieser Leute schreibt aber – auch in sozusagen offiziellem Umfeld wie Behördenbriefen, Entschuldigungen in der Schule etc. – unverdrossen klassisch? Wieviele beugen sich dem Diktat?''

Schreiben findet heutzutage meist auf dem Computer statt, und da gibt es die Rechtschreibprüfung. So wird ''sich dem Diktat beugen'' leicht gemacht. Wirklich ''umgelernt'' dürften die wenigsten haben, wenn das denn überhaupt geht.

Außerdem findet man auch in behördlichen Verlautbarungen zuweilen noch ein ''daß'', selbst wenn diese sonst in Reformschrieb abgefaßt sind. (Ist mir letzt am Schaukasten vor dem Rathaus aufgefallen.) Somit wurde nur halbherzig korrigiert oder, was warscheinlicher ist, ist der Schreiber (unter Streß, Zeitdruck) wieder in den ihm vertrauten Schreibmodus zurückgefallen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 25.03.2009 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14162

Zu #14146:

''Eine der größten Unterstützergruppen der Rechtschreibreform war seit spätestens den siebziger Jahren die linksalternative Intelligenz.''

Das ist es ja, was ich nicht verstehe.

''Diese Leute haben auch immer schon einen starken Staat gefordert, der sich möglichst oft und weitgehend einschaltet.''

Dann bin ich wohl nur mit dem ''linksalternativen Fußvolk'' in Berührung gekommen, denn ich hatte den Eindruck, daß es eher darum ging, staatlichen Einfluß zurückzudrängen.

''Die Rechtschreibreform ist ja auch als Befreiung vom Joch der Schulknechterei angepriesen worden.''

Schulknechterei?

''Nicht zuletzt dem Umstand, daß sog. Linke die Reform begrüßten, verdankt sie ihr progressives, weltoffenes Image.''

Das mag sein, allerdings sollte man nicht unüberlegt ''links'' mit progressiv und weltoffen gleichsetzen, schließlich entwickeln sich auch solche Ideologien weiter, und auch die Menschen, die diesen anhängen oder nur mit ihnen liebäugeln.

''Was man von den Reformern selbst auch halten mag, die Unterstützer der Reform sind vielfach integre Leute, die überzeugt waren/ sind, daß die Reform Schreibschwachen hilft.''

Was verstehen Sie unter ''integren Leuten''?

Auch eine ''Überzeugung'' kann nicht auf Tatsachen beruhen und daher falsch sein. Dieses Wort impliziert ja geradezu, daß sich jemand selbst keine Gedanken gemacht hat, sondern von anderen ''überzeugt'' wurde. (Natürlich kann man auch selbst zu einer Überzeugung gelangen, aber die ist dann Resultat eigener Auseinandersetzung mit dem Thema.)

Von ''integren'' Leuten erwarte ich, daß sie ihre Überzeugungen überdenken, insbesondere wenn es plakativ viele Hinweise darauf gibt, daß diese falsch oder zu kurz gegriffen sind. Außerdem sind seit der Reform schon einige Jahre ins Land gegangen, so daß man zu einer kritischen Betrachtung fähig sein sollte, schon im Interesse der ''Schreibschwachen''.

So ganz nebenbei: Wer definiert eigentlich, wer ''schreibschwach'' ist?
(Irgendwie erinnert das an das Verfahren der Schaffung ''psychischer Krankheiten'' per Abstimmung, siehe www.kvpm.de) Wird hier nicht künstlich ein Problem geschaffen, dem man dann gönnerhaft Abhilfe schaffen – und dabei gut verdienen – will?
 
 

Kommentar von Lost, verfaßt am 24.03.2009 um 23.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14155

Vielleicht hatte ich es mißverständlich ausgedrückt: Die 'Junge Welt' plädiert grundsätzlich für eine Reform der Rechtschreibung, lehnt aber die aktuelle ab, weil sie mißraten ist. Motto: Entweder richtig reformieren oder gar nicht.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 24.03.2009 um 22.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14153

Das ist nicht richtig. Die jW lehnt die »amtliche« Rechtschreibung schlicht deshalb ab, weil sie nichts taugt.
 
 

Kommentar von Lost, verfaßt am 24.03.2009 um 22.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14152

Die 'Junge Freiheit' erscheint auch in bewährter Rechtschreibung.

Die 'Junge Welt' erscheint meines Wissens weiterhin in der alten Rechtschreibung, weil der Redaktion die aktuelle Reform nicht weit genug geht.
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 24.03.2009 um 20.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14150

Konkret und Junge Welt erscheinen in normaler Rechtschreibung, die Taz in zu 120% reformierter. Vielleicht ist in der Linken die Grenze zwischen aufklärerischem und erzieherischem Selbstverständnis zu suchen. Wem das zu positiv formuliert ist: zwischen Verschwörungstheoretikern und Anhängern des Neuen Menschen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 24.03.2009 um 16.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14149

Nicht jeder, der sich damals für Frieden oder für Umweltschutz engagiert hat, war ein Linker oder Sozialist.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.03.2009 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14148

Für Linke und Sozialisten sind diejenigen die "Klassenfeinde" und "Hochwohlgeborenen", die etwas von deutscher Grammatik verstehen und deswegen die Rechtschreibreform unerträglich finden.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 24.03.2009 um 16.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14147

Kommentar von Marco Mahlmann am 24.03.2009 um 10.34 Uhr, Teil II

''Daß der Reformschrieb nur mit technischer Hilfe beherrschbar sein soll, spricht auch nicht für ihn.''

Offenbar ist er es nicht. Es spart aber auch keine Zeit, wenn man immer im Reformduden nachschauen muß, weil der Reformschrieb so willkürlich ist.

''Ein Denkfehler der Reformer ist meiner Ansicht nach, daß gefragt wird, wie jemand schreiben soll.''

Es wurde ja noch nicht mal gefragt, wie jemand schreiben soll, sondern es wurde uns vorgeschrieben, wie wir schreiben sollen – und, was die Schulen angeht,
wie die Schüler dort schreiben müssen, wenn sie gute Noten haben wollen.

''Statt dessen hätte beobachtet werden sollen, wie jemand schreibt.''

Kling irgendwie nach Observation!

Es ist ein Unterschied, ob Sie einen professionellen Schreiber oder einen Schüler ''beobachten'' und daraus Schlüsse für die Rechtschreibung ziehen. Ganz abgesehen davon besteht nach ca. 100 Jahren genormter Rechtschreibung nicht mehr in die Notwendigkeit, großartig Beobachtungen anstellen zu müssen, um die Richtigkeit einer Schreibung beurteilen zu können.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 24.03.2009 um 16.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14146

Eine der größten Unterstützergruppen der Rechtschreibreform war seit spätestens den siebziger Jahren die linksalternative Intelligenz. Diese Leute haben auch immer schon einen starken Staat gefordert, der sich möglichst oft und weitgehend einschaltet.
Die Rechtschreibreform ist ja auch als Befreiung vom Joch der Schulknechterei angepriesen worden.
Nicht zuletzt dem Umstand, daß sog. Linke die Reform begrüßten, verdankt sie ihr progressives, weltoffenes Image.

Was man von den Reformern selbst auch halten mag, die Unterstützer der Reform sind vielfach integre Leute, die überzeugt waren/sind, daß die Reform Schreibschwachen hilft.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 24.03.2009 um 16.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14145

Korrektur:

... und man würde das als Hinweis werten, daß die Reform besser ist.

Und Fehler machen wir nun alle mal.

Damals wäre meines Erachtens eine staatlich verordnete Rechtschreibreform aus ebendieser Grundhaltung auf vehementen Widerstand gestoßen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 24.03.2009 um 16.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14144

Zum Kommentar von Marco Mahlmann am 24.03.2009 um 10.34 Uhr:

''Der Kampf dagegen hätte schon Erfolgsaussichten, weil in der Bevölkerung dagegen genügend Abneigung vorhanden ist;''

''Die Allensbach-Umfrage zeigt zwar, daß eine Mehrheit nach wie vor die Reform ablehnt.''

''Wo sind aber die Proteste gegen die Rechtschreibreform? Sie ist einfach kein Thema, das die Massen mobilisiert und auf die Straße bringt.''

Es gab Zeiten, da hat das Thema die Massen ''mobilisiert'' und teilweise sogar auf die Straßen gebracht, wenn auch nicht im Sinne einer Großdemonstration. Die Rechtschreibreform ist eben etwas anderes als Atomenergie und muß daher auch auf andere Weise bekämpft werden. Es ist leicht, die Atomkraft abzulehnen, niemand wird fragen, ob man weiß, wie denn ein Kernkraftwerk funktioniert. Bei der Rechtschreibung ist dies anders. Da würde man sich bloßstellen, wenn man sich als Reformgegner einen allzu offensichtlichen Fehler leisten würde – und man würde das als Hinweis werten daß die Reform besser ist. (Wieviele Fehler ein Reformbefürworter macht, danach fragt eh keiner, eine solche Frage wäre auch sinnlos.) Und Fehler machen wir nun mal alle. Außerdem hatte ich den Eindruck, daß auch bei uns damals der Rechtschreibunterricht eher nebensächlich war. Da wurde eher rummoralisiert.

Es ging mir auch nicht darum, daß Rechtschreibung die Massen auf die Straße bringt, sondern um einen etwas tiefergehenden Vergleich der Situation Anfang der 80er Jahre und heute. Damals wurde der Staat und staatliches Handeln als ''Quelle allen Übels'' (in Anführungsstrichen, da sich das natürlich zumeist auf die besagten Themenbereiche beschränkte, aber manchmal auch etwas darüber hinaus ging) gesehen. (Der Staat versucht die Atomkraft durchzudrücken, wir stellen uns – in Verantwortung für uns und die kommenden Generationen, und weil wir Angst vor radioaktiver Strahlung und Krebs haben – dagegen.) Damals wäre meines Erachtens eine staatlich verordnete Rechtschreibung aus ebendieser Grundhaltung auf vehementen Widerstand gestoßen.

Dann kam der Reaktorunfall in Tschernobyl. Dieser Unfall bestätigte die Richtigkeit obenganannter Grundhaltung, stellte aber gleichzeitig für vieles einen Wendepunkt dar. Er zeigte aber auch, daß das Leben – zumindest für die nicht direkt Betroffenen – ohne eine wesentliche Änderung weiterging, die Katastrophe war nicht direkt erfahrbar.

Dann kam die Wiedervereinigung und die damit verbundenen Probleme.

Während es uns in den 70er und 80er Jahren noch relativ gut ging, rein wirtschaftlich gesehen, nahmen mit der Wiedervereinigung die Probleme wie Arbeitslosigkeit, etc. zu. Widerstand konnte man sich da immer weniger leisten. Die Einführung des Euro verstärkte diese Probleme noch.

Auch bei der Rechtschreibreform ist die Katastrophe nicht direkt erfahrbar, die Texte sind für diejenigen, die die klassische RS gelernt haben, nach wie vor, wenn auch nur mit etwas Mühen (die Reißzwecken im Reisbrei), lesbar. Dies kann man sich leicht mit Umstellungsschwierigkeiten erklären und es daher als marginal abtun. Diejenigen, die mit dem Reformschrieb aufgewachsen sind, können mangels Vergleich nicht erkennen, daß es für sie erheblich schwieriger ist, einen komplexeren Text zu verstehen. Aber was macht das schon, als Schüler besteht ja noch keine Notwendigkeit, sich mit solchen Texten zu befassen. Außerdem, wer befaßt sich heute, im Internetezeitalter und mit youTube im Hintergrund, noch mit komplexen Texten.

Was mich aber wundert, ist, daß offenbar viele, die sich früher in Umwelt- und Friedensbewegung engagierten und die damals staatlichen Eingriffen sehr kritisch gegenüberstanden, jetzt einen völlig unsinnigen und damit ungerechtfertigten staatlichen Eingriff (in die Rechtschreibung und damit in die Sprache, also in einen sehr persönlichen Bereich) mehr oder weniger kritiklos hinnehmen, wie Sie es so schön in Ihrem Beitrag schildern. Will man damit zeigen, daß man ''erwachsen'' geworden ist und jetzt die Obrigkeit anerkennt, die man früher bekämpft hatte?

Übrigens, beim ''vierten Gebot'' bin ich mir auch nie so ganz sicher, ob nun ein Neutrum oder ein Femininum gemeint ist, selbst wenn da ein Neutrum steht.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 24.03.2009 um 13.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14143

Vielleicht hat ja gerade die drohende Lächerlichkeit die Reform zu einer Frage der Staatsraison gemacht. Hätte die Reform nur ein bißchen etwas getaugt, davon bin ich überzeugt, wäre es den Politikern leichter gefallen, sie aufzugeben. Übrigens mag es manchenorts inzwischen eher ein Makel sein, als gebildet zu gelten. Dort tötet dann auch Lächerlichkeit nicht mehr.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 24.03.2009 um 13.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14142

Der größte Feind der Gesichtswahrung und sogar der Staatsräson ist die Lächerlichkeit, siehe das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern und den Hauptmann von Köpenik.
Wer die Rechtschreibreform pauschal verteidigt, hat bloß keine Ahnung von deutscher Grammatik, und das darf man ihm ins Gesicht sagen, weil es ein Makel für jeden "gebildeten" Menschen ist.
 
 

Kommentar von Wermke, verfaßt am 24.03.2009 um 12.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14141

Herrn Ludwig gebe ich, vorweg gesagt, in vollem Umfang recht. Zugleich zugebend: ich hatte provozieren wollen mit einer nassforsch-technophilen, naiv verflachenden Äußerung, wie man sie z.B. von einem (Ex-?)Duden-Chef ganz gewiß nicht hören würde. Denke ich mal.

Ansichten wie diese sind aber eben weithin schon tief im Unterbewußtsein von Teilnehmern am Schreibgeschehen verwurzelt, und zwar gerade in dieser flachen und ganz unreflektierten Ausprägung. Doch leider verbunden mit einer Überzeugung, im wesentlichen richtig zu liegen mit dem, was man tut. Die tönernen Füße solcher Überzeugungen werden auch dann nicht wahrgenommen oder die Wahrnehmung wird reflexhaft abgewehrt, Selbstkritik am Aufkeimen gehindert, wenn ein Herr Ludwig haufenweise Negativbeispiele aufzählt. Das nützt also nicht viel. (Will man in solchen Begegnungen überzeugen, so hilft allerhöchstens – warum schafft man das so schwer? – ein völlig unaufgeregter, sachlicher Ton, sine ira et studio, sonst galoppieren unweigerlich die Emotionen uneinholbar davon und es wird nicht zugehört, geschweige verstanden.) Bei einem, der in diesen Dingen ein Problem mit der Gesichtswahrung hat, braucht man gleich gar nicht anzufangen.

Die Psychologie des Umgangs mit der Reform, nein sogar mit der Rechtschreibung als Kulturphänomen überhaupt, scheint mir noch allzuwenig untersucht und verstanden. Ganz sicher liegt darin ein Problem, vielleicht das zentrale Problem, ohne das man dieses ganze Narrenschiff nicht versteht und schon gar nicht mehr vom Kurs abbringen kann. Vergleichbar irrational geht es doch sonst bei trockenen Sachthemen nie zu, warum gerade hier? Das, meine ich, gilt es immer noch hinrichend zu verstehen. Ob's aber was hülfe?
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 24.03.2009 um 10.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14140

Ui, da mußte ich doch glatt zweimal hingucken, um zu sehen, daß das vierte Gebot im Neutrum steht. Woher kommen nur diese Assoziationen...?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 24.03.2009 um 10.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14139

Herr Ickler, das liegt an den zehn Geboten der neuen Rechtschreibung, vornehmlich am vierten Gebot:

Ich bin die Neuregelung. Du sollst keine anderen Rechtschreibungen neben mir haben.
Du sollst keine eigene Vorstellung vom richtigen Schreiben haben.
Du sollst die Rechtschreibreform nicht lächerlich machen.
Gedenke, dass du das SS heiligst.
Du sollst die Väter der Rechtschreibreform ehren.
Du sollst Bücher in alter Rechtschreibung vernichten.
Du sollst die neuen Regeln nicht brechen.
Du sollst nicht bei veralteten Regeln Anleihen machen.
Du sollst die Neuregelung unverfälscht umsetzen.
Du sollst nicht begehrlich werden, wenn du siehst, wie deine europäischen Nachbarn mit dem Schreiben umgehen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 24.03.2009 um 10.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14138

zu Pt:
Ich behaupte nicht, daß die Rechtschreibreform keine Willkür war, kein tyrannischer Akt, keine Torheit. Ich sage nur, daß wir nicht (vorrangig) dagegen kämpfen. Der Kampf dagegen hätte schon Erfolgsaussichten, weil in der Bevölkerung dagegen genügend Abneigung vorhanden ist; ehe wir aber dazu kommen, müssen wir die eigenen Reihen in Stellung bringen – und da sehe ich schwarz. Das Potential zum Widerstand hat die Bevölkerung – die von Ihnen angesprochenen Demonstrationen zeigen das. Wo sind aber die Proteste gegen die Rechtschreibreform? Sie ist einfach kein Thema, das die Massen mobilisiert und auf die Straße bringt. Auch der Boykott in Reformschrieb gehaltener Bücher bleibt einer kleinen Gruppe vorbehalten. Die Bestsellerlisten weisen eindeutig aus, daß die Orthographie für den Verkaufserfolg unerheblich ist.
Die Allensbach-Umfrage zeigt zwar, daß eine Mehrheit nach wie vor die Reform ablehnt. Wieviele dieser Leute schreibt aber – auch in sozusagen offiziellem Umfeld wie Behördenbriefen, Entschuldigungen in der Schule etc. – unverdrossen klassisch? Wieviele beugen sich dem Diktat?
Waidwund von den Versuchen, andere für das Thema zu sensibilisieren, stelle ich fest, daß sich die meisten allenfalls dafür interessieren, wie etwas geschrieben wird, um es anwenden zu können, sich jedoch nicht darum scheren. Ob "Schiffahrt" mit drei f oder mit fünfen geschrieben wird, "aufwendig" mit ä oder "daß" mit ss – sie schreiben es so, wie man es ihnen sagt.
Das meine ich mit "Gleichgültigkeit". Wenn Sie andere Erfahrungen haben, ist das schön; ich habe diese.

zu Wermke:
Den Glauben daran, daß die technische Entwicklung eine schöne neue Welt herbeiführt, will ich Ihnen nicht nehmen. Ich möchte als kleines technisches Beispiel nur davon berichten, daß ich mir zum Hausgebrauch mal ein Word-Makro zur Umschrift reformiert-klassisch geschrieben habe. Es ist wesentlich einfacher, aus einem reformierten einen klassischen Text zu machen als umgekehrt – die klassische Orthographie ist erheblich stringenter und (jawohl) logischer.
Daß der Reformschrieb nur mit technischer Hilfe beherrschbar sein soll, spricht auch nicht für ihn. Und ihn auf IT-Kompatibilität trimmen zu wollen, läuft einer natürlichen Sprache zuwider.
IT-Programmierer und -Entwicklung sind überdies in den seltensten Fällen Sprachwissenschaftler (es sei denn, sie müssen sich in der Branche verdingen, weil sich Geisteswissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt schwertun). Da stoßen zwei Welten zusammen. Bei solcher Gelegenheit entstehen bisweilen Monde; ist das die Absicht?

Ein Denkfehler der Reformer ist meiner Ansicht nach, daß gefragt wird, wie jemand schreiben soll. Statt dessen hätte beobachtet werden sollen, wie jemand schreibt.
Natürlich soll sich die Sprache entwickeln. Aber doch bitte aus sich selbst heraus. Die Sprachwissenschaft kann das begleiten und kommentieren, Regeln ableiten und definieren und sodann Handreichungen geben, was zu tun ist, um zu schreiben, wie es üblich ist.
Daß es in der Geschichte vorgekommen ist, daß bewußte Eingriffe in die Sprache gemacht wurden, die noch heute sichtbar sind, spricht dafür, daß solche Eingriffe wirksam sind, nicht dafür, daß sie sinnvoll sind.
Beständigkeit bedeutet auch nicht, daß alles gleich bleibt. Es bedeutet, daß sich die Dinge ihrem Wesen angemessen selbststeuernd entwickeln.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.03.2009 um 10.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14137

Bevor sich hier jemand noch weiter verrennt: Herr Wermke würde sich niemals auf diesen Seiten äußern. (Ich bin es aber auch nicht!)
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 23.03.2009 um 23.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14136

... und wo Sie gerade dabei sind, das veraltete Dezimalsystem gegen das neue, softwarekompatible und kinderleichte (1x1=1!) Binärsystem austauschen? Die technischen Potentiale der Algorithmen werden optimale Früchte tragen.
 
 

Kommentar von Lost, verfaßt am 23.03.2009 um 22.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14135

Schreibt Wermke hier wirklich selbst? Oder handelt es sich um einen Fake-Account?

Falls Sie, Wermke, wirklich Wermke sein sollten: Da Sie ja einen guten Draht zur Obrigkeit zu haben scheinen, möchte ich Sie um einen Gefallen bitten: Mir sind in der Schule immer die Binomischen Formeln schwergefallen. Bei (a+b)(a+b) = a² + 2ab + b² habe ich immer dieses verflixte + 2ab vergessen. Könnte man nicht offiziell (d.h. behördlich) beschließen, daß (a+b)(a+b) ab sofort a² + b² ist? Viele Schüler würden es Ihnen danken, da bin ich mir sehr sicher! Vielleicht könnten Sie die Veränderungen - Sie würden wohl sagen: den Mathewandel - dann auch in einem dicken Buch mit vielen bunten Bildchen darstellen?! Dann wäre mir schon sehr geholfen ...
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 23.03.2009 um 22.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14134

Herr "Wermke", der Duden-Chef? Das kann ich mir nicht vorstellen. Optimale Ausnutzung "algorithmischer Potentiale der Technik" (was ist das? die Anwendungsmöglichkeiten von Software in der Technik?) durch die Heyse-Regel? Und schlägt er ernsthaft die Schreibweise "Faschissmuss" vor? Ich vermute eher einen Gallmann-Assistenten oder so jemand.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.03.2009 um 22.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14133

#14126: "Die neue (na OK, alte) s-Regel ist doch, wie wir wissen, enorm gut angekommen und hat nichts anderes als einen neuen, breit konsensualen Usus begründet." Na, dass und nichts anderess isst diesess Manness besste Antwort auf den Ruf "nach einem klärenden Doppel-s"?! Und: Hier "anderes" klein? (Wenn auch ohne klärendes Doppel-s [ss?] plus [pluhs?/pluss!] vgl. nach wie vor #14116.) Oder nur schwaches "ander-" groß und starkes "ander-" klein? Mach das mal einem Kinde heute klar! Mach das mal einem Deutschlehrer heute klar! Mach das mal einer Kultusministerin klar! Welch ein berauschendes Erlebnis, daß "wir den historisch beispiellosesten Umbruch der Schreibgewohnheiten" noch erleben dürfen! Und dass, bevor er hisstorisch zum beispiellosessten/Beispiellosessten aller Zeiten wurde, wass ja auch nicht nur möglich wäre, sondern, wie gesagt, in "einem Jahrtausendumbruch" sicher möglich isst!

Schade ist jedoch dabei, daß nicht nur, wie wir ja aus der Sprachwissenschaft wissen, "der Wortgebrauch, die Redeweisen, die Idiome usw." sich verändern, was nämlich mit der Verschriftung eigentlich gar nichts zu tun hat, sondern daß sich auch Aussprachen verändern, und dazu gehören auch Längen und Kürzen, was mit offenbar von einem Wermke und anderen gleich Begeisterten ach so erwünschter vereinfachter und klärender Schreibung jedoch eine Menge zu tun hat. Aber wenn das eintritt, dann bedenken wir halt das Problem bei einem Glass Bier an dem einen Stammtisch und bei einem zweiten Glas (mit langem, aber vielleicht auch noch kurzem a, man kann das ja nie wissen) an einem anderen/Anderen neu. Denn wir haben ja dieses Problem Gott sei Dank z. Z. nicht, nicht wahr, ja, ich meine nein, und auch sonst nichts zu tun. Und öfter Mal wass Neuess/neuess ist nicht nur für die Wirtschaft gut, sondern sicher auch für jeden/jede/jedes unserer Kleinen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 23.03.2009 um 21.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14132

Werter Herr Wermke, mal im Ernst: Sind Sie identisch mit dem gleichnamigen Chefredakteur der Duden-Redaktion oder spielen Sie nur mit dessen Namen?
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 23.03.2009 um 19.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14127

Ob die deutsche Sprache wohl attraktiver würde durch »-issmuss und was da noch alles mit kurzem Vokal nach einem klärenden Doppel-s rufen mag«? Oder gehört womöglich nicht nur die überkommene Rechtschreibung, sondern gleich unsere ganze Sprache auf den Müllhaufen der Geschichte, jetzt, endlich, nach dem Jahrtausendumbruch?
 
 

Kommentar von Wermke, verfaßt am 23.03.2009 um 19.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14126

Ganz zweifelsohne, werter Herr Bärlein, wäre Kontinuität ein hoher Wert, aber wann hatten wir sie? Die knapp 100 Jahre seit Duden waren auch nicht ohne Unebenheiten. Da spießen Sie mit dem falschen "dass" nun gerade den statistisch häufigsten Fehler auf, der einer Kontinuität im Wege stand! Und die Reform, so ist zuzugeben, wollte einerseits Fehlern im Keim den Boden entziehen, hat aber dann nicht den Mut gehabt, gerade diesen Fehler bei der Wurzel zu packen, die ja tief in der Grammatik steckt. Die neue (na OK, alte) s-Regel ist doch, wie wir wissen, enorm gut angekommen und hat nichts anderes als einen neuen, breit konsensualen Usus begründet. Hier kann nur noch, mal nüchtern betrachtet und mit dem nötigen langen Atem, ein konsequentes Verstrikten dieser Regel helfen, um die Kontinuität sicher zu erreichen: keine Ausnahmen mehr, kein das mehr, nur noch dass und -niss und von mir aus, ja warum denn nicht, -issmuss und was da noch alles mit kurzem Vokal nach einem klärenden Doppel-s rufen mag und z.T. auch schon alles mal dagewesen ist. Natürlich könnte man das nicht schnell mal eben jetzt noch machen, das (!) ist ja auch klar, aber ein Ausloten in diese Richtung sollte doch erlaubt sein.

Zudem: die Schreibgewohnheiten ändern sich wie auch der Wortgebrauch, die Redeweisen, die Idiome usw. Und gerade erleben wir den historisch beispiellosesten Umbruch der Schreibgewohnheiten, indem wachsende Mehrheiten sich moderner Technologie dabei bedienen. Das kann nicht ohne Folgen für die Ortografie bleiben, wenn die algorithmischen Potentiale der Technik optimal Früchte tragen sollen. Da liegt die Chance zur Kontinuität - hat ein anderer Weg solche Aussichten auf Erfolg? Sicher nicht ganz schnell, aber "in the long run" (J.M. Keynes: "... we are all dead") ist ja auch das 20. Jh. eine Episode, die letzte vor einem Jahrtausendumbruch, und auch eine, nach der man sich aus ganz anderen Gründen schon heute nicht zurück sehnt. Enorme Mengen von Texten sind jetzt scheinbar formal verwittert, das ist schon so, aber die wahre Explosion der Textmengen hat doch eben erst begonnen und wird bald, rein umfangsmäßig, alle älteren Schichten hinter sich lassen, um nicht zu sagen unter sich begraben.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 23.03.2009 um 18.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14125

Zum Kommentar von Marco Mahlmann vom 23.03.2009 um 10.29 Uhr:

''Ich glaube einfach nicht daran, daß sich alle Welt verschworen hat, den Reformschrieb durchzudrücken und die Erinnerung an die klassische Orthographie zu unterdrücken.''

Nun ja, es muß sich ja nicht gleich die ganze Welt verschworen haben,
der Witz bei solchen Unternehmungen ist es ja, das es nur sehr wenige Verschwörer sind, die der ganzen überigen Welt ihre Ideologie aufzwingen wollen.

''Die Leute glauben, Reformschrieb sei vorgeschrieben, und machen das untertänigst mit.''

Glauben das die Leute wirklich? – Manche vielleicht, oder sie wollen es glauben, denn damit lebt sich's einfacher.

Es ist zwar schon einige Zeit, aber dann auch doch noch nicht so lange her, da gab es eine Reihe von Protestbewegungen: Friedensbewegung, Anti-Atomkraft-Bewegung, Proteste und Hüttendorf gegen die Startbahn West, Umweltschutz, etc., in denen sich sehr viele Bürger engagierten – so viele, daß die Aufnahme des Umwelt- und Naturschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz und der Atomausstieg durchgesetzt werden konnte.

Sollte sich unsere Gesellschaft seit damals so stark gewandelt haben, daß wir heute ''glauben, Reformschrieb sei vorgeschrieben'' und daß wir das alles heute ''untertänigst'' mitmachen?

Die Rechtschreibreform wird seitens des Staates durchgedrückt, sie ist präskriptiv. Wo bleiben die Engagierten von damals, die sich z. B. die Atomkraft von der Obrigkeit nicht haben aufdrücken lassen wollen?

''Die Presse hat dagegen in meisten Fällen erkannt, daß die Reform Unsinn ist. Ihr ist es peinlich, daß sie auf den Zug aufgesprungen ist; deshalb schweigt sie das Thema tot.''

Sie ist nicht auf den Zug aufgesprungen, zumindest nicht widerstandslos, was diverse große Zeitungen angeht. Es ist natürlich peinlich, auf den Zug gehoben worden zu sein, auf den man nicht aufspringen wollte. Durch diesen Trick kann man sich als Staatsmacht kritischer öffentlicher Stimmen entledigen. Da steckt 'ne ganze Menge Psychologie dahinter. (Über die Rolle der Psychologie und der Psychatrie in bezug auf Staat, siehe hier: www.kvpm.de und insbesondere hier: www.cchr.ch/?Rpage=psychiatrie/?Rpage (Leider sind die sehr lesenswerten Texte in Reformschrieb.))

''Wir kämpfen nicht gegen das Böse, nicht gegen die sprachliche und sprachwissenschaftliche Torheit, nicht einmal gegen die tyrannische Willkür. Das Problem ist die unendliche Gleichgültigkeit der Leute. Diese Lethargie muß überwunden werden; das erscheint mir aussichtslos, und das erscheint mir so bitter.''

Eine Reform einer seit vielen Jahrzehnten gut funktionierenden Rechtschreibung ist tyrannische Willkür von Staatssekretären und Kultusministern; so sie von Sprachwissenschaftlern mitgetragen wird, ist es auch sprachwissenschaftliche Torheit. Wenn Leute (Sprachwissenschaftler),
die es besser wissen müßten, und die nicht in Gefahr für Leib und Leben stehen, wenn sie sich verweigern, sie trotzdem mittragen, dann würde ich das auch als ''böse'' bezeichnen, zumindest aber als verantwortungslos.

Die ''unendliche Gleichgültigkeit der Leute'' ist eine fromme Selbsteinlullung ihrerseits, denn Sie, Herr Mahlmann, sollten wissen, daß sich viele Leute auch gegen den Reformschrieb verwahren, schließlich gehören Sie selber zu letzeren, wie viele, die hier mitlesen oder gar eintragen. Mit solchen Selbsteinlullungen kommen wir nicht weiter. (Mit der Beantwortung der Frage, was sich seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in unserer Gesellschaft geändert hat, schon eher.) Ich sehe auch nicht, wo sich Lethargie breitgemacht haben sollte, außer wenn ich die entsprechenden Beiträge von Ihnen oder von Frau Pfeiffer-Stolz lese – nichts gegen Herrn Mahlmann oder Frau Pfeiffer-Stolz, beide schreiben sonst sehr lesenswerte und teils hervorragende Beiträge, die ich auch gerne weiterempfehle – es ist nur so, daß es nur schwer möglich ist, gegen eine Reform zu kämpfen, die allgegenwärtig aber doch nicht richtig ''greifbar'' ist, es sei denn, man weigert sich, nach reformiertem Schrifttum zu greifen. Dies ist aber in einer so stark auf Schriftlichkeit aufbauenden Gesellschaft wie der unseren auf lange Sicht kaum möglich. (Darin zeigt sich ja gerade die Bösartigkeit der Reformer, denn sie rechnen genau mit diesem Sachverhalt, um ihre Reform durchzudrücken. Sie wissen genau, daß sich große Teile der Bevölkerung nicht dagegen wehren können, und das ist böse, und nicht bitter!)
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 17.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14124

Eben, lieber Herr Ludwig, das ist das Problem.

Wie sollen denn unsere Kinder auf dem überm ganzen schwammigen Rechtschreibfriedensboden gewachsenen Gras richtig schreiben lernen?

Sie müssen schlicht und einfach die harte Lektion lernen, daß das Betreten von Gras sehr gefährlich ist, auch wenn das Gras so schön grün und friedlich aussieht. Denn leider kann man den sumpfigen Morast des Rechtschreibfriedens darunter nicht erkennen. Aber natürlich haben die Damen und Herren Politiker nach dem kostspieligen Zerschlagen einer funktionierenden Orthographie kein Geld mehr Warnschilder aufzustellen: "Vor dem Betreten des Orthographiesumpfes wird gewarnt!" Aber sie taten's ja schließlich alles nur für die Kinder. Wirklich ein Trost, wenn genau die dann im Morast versinken. Und zum Versinken genügt bekanntlich die Lektüre einer Tageszeitung (oder durch den Fleischwolf gedrehter Literatur in gelben Reclambändchen)

Und so ganz nebenbei habe ich auch nicht verstanden, wer dieser Andere eigentlich ist, zu dem es da geht. Vielleicht bin ich ja doch mit erwähntem Klammerbeutel gepudert.
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 23.03.2009 um 17.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14123

Zum "Anderen" in #14116: Nach welchem System schreibt dpa die Anderen groß und weitere klein? "Johannesburg (dpa) - Mit der Machete oder einer Axt ist ein junger Mann in Südafrika Amok gelaufen. Nach Polizeiangaben tötete er mindestens drei Menschen und verletzte zwölf weitere schwer." (Die Welt [Newsticker] 23.03.2009 11:32 Uhr) Der Titel zu dieser Nachricht ist übrigens "Drei Tote und zwölf Schwerverletzte bei Amoklauf in Südafrika". Was hinderte die Agentur daran, "schwer Verletzte" zu schreiben? Wie sollen denn unsere Kinder auf dem überm ganzen schwammigen Rechtschreibfriedensboden gewachsenen Gras richtig schreiben lernen?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 16.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14122

Mir liegt es fern, einen Reformbefürworter, der sich gewissermaßen in die Höhle des Löwen wagt, niederzubrüllen.

Herr Mahlmann weist da in 1125#14118 jedoch auf etwas sehr Wichtiges hin:

Wenn es 1996/ 98 zumutbar war, eine ganze Schülergeneration nebst Lehrkräften und alle Behördenbeschäftigten umlernen zu lassen, ist es das auch heute.

Bekanntlich war es den armen Schülern und Lehrkräften (die Behördenbeschäftigten bleiben ja dank der Dummheit der Politiker – Namen sind der Redaktion bekannt, wie es immer so schön heißt – einsam auf dem Stand von 1996 stehen) zuletzt 2006 (gerade mal 3 Jahre her!) zumutbar, noch einmal im Vierfarbendruck umzulernen.

Und hätten die Verlage (Cornelsen gerne eingeschlossen) vor Inkrafttreten des Schwachsinns im Jahre 1996 (nach Karlsruher Kalender 1998) eine Marktforschung durchgeführt, hätten viele von ihnen angesichts der Kosten wohl nicht mitgemacht. Auch wenn Duden natürlich die Kausalität der Rechtschreibreform nicht wird zugeben können. Etwas, das gut und toll ist und zudem lautstark propagiert wurde, kann schließlich nicht für den eigenen Untergang verantwortlich sein.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 23.03.2009 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14121

Keiner von uns würde wohl eine ebenso gewaltsame Abschaffung der reformierten Reformschreibung wollen, wie sie deren Einführung war. Es würde genügen, nach dem französischen Vorbild eine bessere "Offiziell Empfohlene Rechtschreibung" zu schaffen, bei der keine der beiden Schreibungen als falsch gilt. Mit anderen Worten: Es bräuchte nur legalisiert werden, was von manchen Deutschlehrern in der gymnasialen Oberstufe praktiziert wird, nämlich als richtig zuzulassen, was irgendeiner offiziellen Rechtschreibung,ob alter oder neuer, entspricht.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 23.03.2009 um 16.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14120

Schrift dient normalerweise dazu, Aussagen durch die Zeit zu transportieren. Das gelingt um so besser, je konstanter sie ist. Erst auf diese Weise kann es so etwas wie Orthographie geben. Anders formuliert: Dauer gehört zum Begriff der Rechtschreibung. Wird sie unterbrochen, berührt dies nicht nur deren „formale Richtigkeit“, sondern ihren Kern. Deshalb ist es sinnlos, Eingriffe in die Orthographie in der Gegenbegrifflichkeit von Inhalt /Äußerlichkeit zu diskutieren, auch wenn eine bestimmte Metaphysik dies nahelegt. War das verständlicher?
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14119

Ich glaube nicht, daß ich als Kind mit dem Klammerbeutel gepudert wurde. Aber vielleicht kapiere ich nur wieder mal sehr langsam. Daher nun einfach der Reihe nach:

Zum Anderen kann doch, wer denn mit der Reform seine Not hat, beim Hergebrachten auch bleiben, bis auf Schulen und Behörden.

Das schrieb Wermke. Tatsache ist, daß das Bundesverfassungsgericht die Anwendung auf die Schulen beschränkt hat. Von Behörden kann man im Urteil nichts finden. Welche Rechtsprechung, die den Neuschrieb angeblich für Behörden verbindlich erklärt, soll denn aber noch über dem BVG stehen?

Und Gras ist ja wohl noch keineswegs über die Sache gewachsen (auch wenn die Reformer krampfhaft und sehr bemüht düngen), wie doch die Allensbachumfrage vom April 2008 (gerade mal ein Jahr her) gezeigt hat. Bekanntlich kann man einen Boden ja auch überdüngen.

Zugleich hat Wermke sehr schön bewiesen (von Glasreiniger aufgespießt), daß der Reformtrüffel Heyse seit seiner Einführung nicht funktioniert. Warum sollte man ihn daher behalten, wenn er weder klappt noch gewollt oder notwendig ist?

Schließlich haben das viele Umlernen, das noch beklagt wurde, ausschließlich die Politiker zu verantworten. Eventuelle Sammelklagen sollten daher auch in diese Richtung gehen. Und warum sollte ich aus Rücksicht auf den Schwachsinn, den die Politiker ohne Not angezettelt haben, jetzt dabei bleiben? Es wird daher so lange mit dem Umlernen weitergehen bis ein Zustand erreicht wurde, mit dem die Mehrheit der Bevölkerung leben kann und der zudem weder die Grammatik noch die Lesbarkeit eines Textes mit Füßen tritt. Verlage, die deswegen in den Ruin getrieben werden, sind eigentlich nur wegen ihrer Dummheit zu bedauern. Denn, wenn sie nicht gerade Schulbuchverlage sind, zwingt sie niemand, bei der allgemeinen Verdummung mitzumachen.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 23.03.2009 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14118

Wenn es 1996/ 98 zumutbar war, eine ganze Schülergeneration nebst Lehrkräften und alle Behördenbeschäftigten umlernen zu lassen, ist es das auch heute. Bei einer Wiedereinführung der klassischen Orthographie müßte auch niemand abermals umlernen; die einen müßten sich erinnern, die anderen zum erstenmal umlernen.
Fortwährend umlernen müssen Schüler, Lehrer usw. heute, da alle Naselang eine überarbeitete Fassung der Reformorthographie ausgerufen wird.

Der Markt für einen "klassischen Duden" ist gewiß da (soweit ich weiß, verkauft sich der Mackensen bei Manufactum gerade im Hinblick auf den Vertriebsweg passabel). Cornelsen, Bertelsmann usw. würden aber alles, was sie bislang zur Reform gesagt haben, ad absurdum führen, brächten sie einen heraus.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 23.03.2009 um 15.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14117

"...umlernen zu sollen, dass würde denn doch ..."

Dass auch.
 
 

Kommentar von Wermke, verfaßt am 23.03.2009 um 15.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14116

Die Logik in Herrn Bärleins letztem Satz erschließt sich mir nicht recht, aber sei's drum – in manchen Punkten kann man unterschiedlicher Meinung sein, doch über Realitäten und reales Verhalten der Menschen kann man nicht hinweg gehen.
Kürzlich hat zwar auch Prof. Lehmann vom Goethe-Institut gemeint, man hätte besser auf die Reform verzichten sollen, nur was nützt das noch? Abermals umlernen zu sollen, dass würde denn doch auf großen Widerstand stoßen.
Zum Anderen kann doch, wer denn mit der Reform seine Not hat, beim Hergebrachten auch bleiben, bis auf Schulen und Behörden. Wenn nun Cornelsen nach der Übernahme ein wenig Marktforschung betreibt, und es stellt sich ein gewisser Bedarf für einen "Klassik-Duden" (oder wie immer man das nennen soll) heraus, eine Art Marktnische also, könnte der Verlag, jetzt mal Konjunktiv und ungeschützt in die Kladde gesprochen, diesem Bedarf mit einem geeigneten Produkt doch begegnen und damit den Markt noch weiter beruhigen. Soweit ich das überblicke, wäre das wohl rechtlich nicht zu beanstanden und könnte ein Beitrag sein zur Befestigung des Rechtschreibfriedens! Den soll man auf keinen Fall nochmals ins Wanken bringen, nachdem inzwischen ja doch etwas Gras über das Ganze gewachsen ist.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 23.03.2009 um 13.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14114

Die Rede von Orthographie als einer bloßen Äußerlichkeit kann man spätestens dann nicht mehr ernst nehmen, wenn man den Aufwand in Betracht zieht, mit dem diese Auffassung durchgesetzt werden soll – bekanntlich bis hin zur Inanspruchnahme der Staatsraison. Und selbst angenommen, diese Auffassung sei richtig, wäre gerade dann die Reform nichts anderes als eine ungeheure Dummheit gewesen. Sie hätte im günstigsten Fall eine funktionierende Rechtschreibung durch eine ebenfalls funktionierende andere Rechtschreibung ersetzt, um den auch in diesem Fall zu entrichtenden Preis, das gesamte vorreformierte Schrifttum tendenziell unbrauchbar zu machen.

Um eines der beliebten Beispiele für die angebliche Harmlosigkeit der Reform aufzugreifen: Genau dann, wenn es egal ist, ob man Känguruh oder Känguru schreibt, ist es einfach nur idiotisch, die übliche Schreibung durch eine andere zu ersetzen. Unabhängig davon, welche Schreibung sich auf welchem Wege behaupten wird, handelt es sich schon deshalb nicht um eine Äußerlichkeit.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 12.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14113

Als denkendes Individuum möchte und werde ich das Schreiben von Texten keinesfalls einer Maschine überlassen. Kritisches Denken entsteht immer dort, wo jemand Tradiertes oder Vorgeschriebenes hinterfragt. So auch in puncto vermeintlicher Rechtschreibreform. Eine Rechtschreibung, die über 90 Jahre lang erfolgreich funktionierte, mußte nicht komplett umgekrempelt werden. (Über das Auskämmen des überreglementierten Wiedervereinigungs-Duden wurde hier schon viel geschrieben. Tatsächlich wäre genau das ja auch ausreichend gewesen.)

Und an das Märchen vom Zeitgewinn (die vielbeschworenen Synergie-Effekte!) glaube ich schon lange nicht mehr. Wie viel Zeit geht mir dadurch verloren, weil ich mit diversen Computern nicht klarkomme! Soll ich zunächst ein mehrjähriges Informatikstudium absolvieren, um anschließend vielleicht mal einen Zeitgewinn von einer halben Stunde zu haben?

Ich möchte durchaus, daß ein Kind zuerst Kopfrechnen lernt und erst danach den Taschenrechner benutzen soll. Oder – um ein anderes Beispiel zu nehmen – erst lernen soll, sich (ganz langweilig und altmodisch) die Zähne mit einer normalen Zahnbürste zu putzen und nicht bei den ersten zwei bis drei Milchzähnen von Papa und Mama bereits die erste elektrische Zahnbürste erhält. Meine Schwester hat sich sehr schwergetan, die Uhrzeit zu lernen, weil wir zu dem Zeitpunkt in zwei Zimmern auch schon so eine blöde Digitaluhr mit Ziffernanzeige hatten. (Auch wenn das jetzt bitte nicht verallgemeinernd zu verstehen ist.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 23.03.2009 um 12.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14112

Ob durch den Einsatz von Rechtschreibprüfmodulen tatsächlich »Zeit fürs eigene Denken« freigesetzt wird, möge jeder am geistigen Output der Nation – oder auch nur an Klassen- und Seminararbeiten – kritisch überprüfen.
 
 

Kommentar von Wermke, verfaßt am 23.03.2009 um 12.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14111

Das Denken sollte dem Inhalt gelten!
Wer heute im Leben steht, und im Wirtschaftsleben zumal oder im wissenschaftlichen oder Bildungsumfeld, der hat sehr viel mehr Information zu verarbeiten als früher. Ohne Softwarehilfe läuft da wenig, aber die Fähigkeiten von Software hinsichtlich Bewertung von und Umgang mit Inhalten sind begrenzt. In den Formalien aber – und dazu zählt die Rechtschreibprüfung – ist sie äußerst brauchbar und setzt Zeit frei fürs eigene Denken, also setzt man sie ein, und zwar meistens in möglichst aktueller Version. Und die Entwickler solcher Software konzentrieren sich nun mal auf die aktuellen amtlichen Regeln. Anders als beim Rechnen – die kognitiven Fähigkeiten dazu sollte jeder haben – kann ich mir gut vorstellen, die formale Richtigkeit von geschriebenen Texten eines Tages ganz der Software zu überlassen: was sie nicht moniert, nun, das gilt dann eben. Noch ist es nicht soweit, zugegeben, aber der Zug geht ganz klar in die Richtung! Schon bald wird mehrheitlich so gearbeitet werden, und dann haben wir einen gewandelten Usus und müssen diesen, wie es bewährter Brauch ist seit Konrad Duden, respektieren. Wodurch der Wandel eintrat, ist dabei unerheblich.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 23.03.2009 um 11.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14110

Pragmatismus ist praktisch und angebracht; aber er sollte nicht das Denken ersetzen.
Ich will gar nicht die Gefahr der sog. "digitalen Demenz" ansprechen, aber ich greife Ihr Beispiel vom Taschenrechner auf. Solange Papier und Taschenrechner gleichsam ergeben, daß 5 x 5 25 ist, gibt es kein Problem. Wenn aber eine Gruppe von Mathematikern behauptet, es sei viel sinnvoller, daß 5 x 5 27 sei, und daraufhin alle neuen Rechenmaschinen 5 x 5 27 sein lassen, ist das Malheur da. Und dann möchte man hoffen, daß noch jemand weiß, wie er 5 x 5 ohne Taschenrechner errechnen kann – mit dem Ergebnis 25.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 23.03.2009 um 10.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14109

Bin ich ein Menschenfreund, wenn ich ihnen Schludrigkeit und Ignoranz unterstelle? Bin ich nachsichtig, wenn ich bemerke, daß sie Maschinen Routinen erledigen lassen, wo auf den Einzelfall bezogenes Denken geboten wäre?

Ich glaube einfach nicht daran, daß sich alle Welt verschworen hat, den Reformschrieb durchzudrücken und die Erinnerung an die klassische Orthographie zu unterdrücken. Die Leute glauben, Reformschrieb sei vorgeschrieben, und machen das untertänigst mit.
Die Presse hat dagegen in meisten Fällen erkannt, daß die Reform Unsinn ist. Ihr ist es peinlich, daß sie auf den Zug aufgesprungen ist; deshalb schweigt sie das Thema tot.

Und das macht es umso bitterer. Wir kämpfen nicht gegen das Böse, nicht gegen die sprachliche und sprachwissenschaftliche Torheit, nicht einmal gegen die tyrannische Willkür. Das Problem ist die unendliche Gleichgültigkeit der Leute. Diese Lethargie muß überwunden werden; das erscheint mir aussichtslos, und das erscheint mir so bitter.
 
 

Kommentar von Wermke, verfaßt am 23.03.2009 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14108

Wieso bitterer? Wir sehen doch hier sehr schön, wie den Menschen die *Inhalte* wichtig sind, nicht das Äußere der Schreibweisen. Die kann man immer mehr der Software überlassen, und so geschieht es ja auch, ganz pragmatisch, nicht anders als beim Rechnen, wo niemand mehr irgend welche Divisionen oder dergl. nach alter Vätersitte von Hand erledigt. Der aufgewirbelte Staub über die Äußerlichkeiten der Schriftlichkeit sollte sich doch nun endlich mal legen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.03.2009 um 10.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14107

Herr Mahlmann ist ein Menschenfreund, aber leider wissen wir, daß die Rechtschreibangelegenheiten bei den Zeitungen ganz bewußt so gehandhabt werden, wie es nun einmal der Fall ist. Auch die Unterdrückung reformkritischer Leserbriefe und die Umstellung aller anderen ist angeordnet. Wenn man sich dagegen wirkliche Einfalt ansehen möchte, lese man noch einmal die Dokumentation zur Büchervernichtung ("Ausgemistet").
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 09.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14106

Polemik erzeugt Tippfehler. Natürlich muß es heißen: Da ist es im Zug der Lemminge (ohne Gehirn lebt es sich anscheinend sorgenfreier) offensichtlich schöner. Verzeihung!
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 23.03.2009 um 09.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14105

Diese böse Absicht sehe ich nicht darin. Ich halte es dagegen für die – gewiß nicht viel bessere – alltägliche Schludrigkeit, für das Nichterkennen, daß auch solche Umschriften Änderungen sind, die sich beim Zitat verbieten.
Ich glaube auch, daß einfach die Auto-Korrektur der Textverarbeitungsprogramme drüberläuft, ohne daß ein Redakteur, Lektor oder wer auch immer sich die Mühe macht, solcherlei Folgen zu verhindern.
Das ist traurig, das ist bestürzend, das ist kulturlos. Aber es geschieht m. E. ohne bösen Willen. Im Grunde macht das es noch bitterer.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 23.03.2009 um 09.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1125#14104

Das stimmt leider, aber an der Realität ändert auch die ganze gewaltsame Gleichschaltung (der Begriff paßt ja wirklich immer besser) nichts. Wenn sich Leser, durch den Vorabdruck angeregt, das Buch von Sloterdijk kaufen, haben sie ja wieder die moderne (und leserfreundliche) Orthographie des 20. Jahrhunderts.

Es müßten sich nur endlich mal die 55 Prozent der Allensbachumfrage aufraffen und ein halbes Jahr lang alle gleichgeschalteten Medien boykottieren. Ein halbes Jahr ohne Zeitungen überlebt man auch. (Nur die Zeitungen hoffentlich nicht alle.) Das ist von mir nun zwar böse formuliert, aber auch bei sachlichem Licht betrachtet ist doch eigentlich die Kaufverweigerung (Thoreaus bekannter "civil disobedience") die einzige Möglichkeit für mich als kritischen Kunden, deformierte Druckerzeugnisse abzulehnen. Solange die Verlage glauben, ich würde alles akzeptieren, werden sie sich nicht umstellen. Das ist es im Zug der Lemminge (ohne Gehirn lebt es sich anscheinend sorgenfreier) offensichtlich schöner.
 
 

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