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»Rechtschreibung und -reform«


Beiträge zum Thema

»Orthographie in Texten der klassischen Literatur«

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Gunther Chmela
Raubling

Dieser Beitrag wurde am 02.11.2011 um 21.02 Uhr eingetragen.
Adresse: http://www.sprachforschung.org/forum/show_comments.php?topic_id=277#8265


Ich habe in diesen Tagen, nach langer Zeit wieder einmal und mit großem Vergnügen, einige der Erzählungen Heinrich von Kleists gelesen. Zur Verfügung stand mir eine Ausgabe von 1962. Daher interessierte mich plötzlich eine Frage, die ich mir seltsamerweise niemals vorher gestellt hatte. Wie sah die originale Kleistsche Orthographie aus?

Es gelang mir schließlich, zumindest einige Textpassagen aus den Erstausgaben der Kleistschen Texte ausfindig zu machen. Meine Überraschung war groß! Von einigen antiquierten Schreibungen abgesehen (ohngefähr, Wittwe usw.) hat Kleist exakt so geschrieben, wie es noch fast bis zum Ende des 20. Jahrhunderts die Regel war! Zweihundert Jahre also hat diese Rechtschreibung in allen Bereichen des Lebens ihren Dienst getan, und sie hat ihn gut getan! Kleinere Korrekturen, die es gegeben hat, haben niemals das Wesen unserer Sprache (!) berührt. Niemand hat in dieser langen Zeit die Notwendigkeit verspürt, die Orthographie zugunsten einer Mittelmäßigkeit so reformieren zu müssen, daß dadurch sogar die Logik der durch das Geschriebene wiedergegebenen Sprache ihre Eindeutigkeit verlor.

Dabei ist nicht einmal der Wunsch, daß jetzt hoffentlich auch die Einfältigsten „richtig“ schreiben werden, in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil, man gewinnt den Eindruck, daß heute – zumindest in einfacheren Druckerzeugnissen – schlechter geschrieben wird als noch vor einigen Jahrzehnten. Häufig werden die Regeln der „neuen Rechtschreibung“ gewissermaßen übererfüllt, indem man beispielsweise den erweiterten Infinitiv und zusammengesetzte Hauptwörter grundsätzlich getrennt schreibt: „auf zu geben“, „Wörter Buch“.

Man könnte sich entspannt zurücklehnen und denken: Laßt sie doch! Soll doch jeder schreiben, wie er will! Schließlich hat es solche Zeiten ja auch schon einmal gegeben. Doch da fällt einem ein: Unsere Schüler müssen (!) diese sogenannte neue Rechtschreibung lernen...

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