20.09.2007


Theodor Ickler

Pädagogik vom Tage

Anmerkungen zur Zeitung von heute

Das Büchergeld in Bayern soll wieder abgeschafft werden. Allerdings aus den falschen Gründen, denn die richtigen sind tabu.
Keine Zeitung hat sich für das Treiben der Schulbuchlobby interessiert, meine Versuche, dies zu thematisieren, sind erfolglos geblieben. Ich habe schon oft auf die Tricks hingewiesen, mit denen die Verlage ihre Schulbücher zwar größer, bunter, schwerer, teurer und vergänglicher, aber nicht besser gemacht haben. Wenn die Kinder, wie es normal ist, sechs verschiedene Fächer an einem Tag haben, müssen sie nicht nur die schweren Bücher hin- und herschleppen, sondern auch noch die Aktenordner, auf die manche Lehrer Wert legen, und weiteres Material, wegen der acht Stunden auch was zu essen und zu trinken. Immer mehr Unterstufenschüler ziehen die Last auf kleinen Wägelchen hinter sich her, andere klagen über Rückenschmerzen.

Ähnlich beschränkt der Tunnelblick auf das Fernsehen. Die Zeitung stellt heute eine völlig entartete Familie vor, die aufs Fernsehen verzichtet. ("Name geändert" – natürlich! Wer wird schon gern derart bloßgestellt? Das sind doch Verbrecher!)

Anschließend kommt die obligatorische Medienwissenschaftlerin zu Wort. Sie warnt eindringlich vor der genannten Verfehlung und erzählt die furchtbare Geschichte von einem Fünfjährigen, der ohne TV aufgewachsen war und nach dem zufälligen Anschauen von James-Bond-Szenen drei Monate lang Albträume hatte. Woraus folgt: Mit fünf Jahren muß ein Kind so abgebrüht sein, daß es nach Fernsehbrutalitäten keine Albträume mehr erlebt. Dafür sorgt die Medienpädagogik. Sie lebt ja vom Fernsehen und von Auftragsforschung.

Gestern berichtete die SZ übrigens von "schiesswütigen" Privatsoldaten im Irak, heute weiß sie, "das" Tizian einen Papst porträtiert hat.


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