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13.07.2004
 

Peter Stolz
Offener Brief und Gegendarstellung des Stolz-Verlages
zur Stellungnahme des VdS-Bildungsmedien

Nun meldet sich auch ein Mitglied des VdS-Bildungsmedien, der Stolz-Verlag, in einem offenen Brief zu den Äußerungen des VdS-Geschäftsführers Andreas Baer zu Wort. Baer hatte gegenüber dem Tagesspiegel geäußert, die Rücknahme der Rechschreibreform würde die Schulbuchverlage ca. 250 Millionen Euro kosten.
Auch Walter Lachenmann vom Oreos Verlag hatte sich bereits zu diesem Thema gemeldet
Hier die Meinungsäußerung von Peter Stolz, dem Geschäftsführer des Stolz-Verlages im Wortlaut:
Diese Meldung gemeint sind die Äußerungen von Andreas Baer, Anm. d. Red. wird an die Presse abgegeben, ohne vorher die Mitglieder befragt zu haben. Der Verein äußert hiermit seine eigene Meinung, nicht aber die der Mitglieder. Die Stolz Verlags GmbH ist Mitglied im Verband der VdS Bildungsmedien. Die Meinung des Verbandes wird vom Geschäftsführer Peter Stolz nicht geteilt. Laut VdS sollen mit der Rücknahme der Reform „250 Millionen Euro“ an Kosten entstehen. Wir erinnern uns an das Jahr 1996, als es nicht schnell genug gehen konnte mit der Einführung der „Rechtschreibreform“, die laut Verband behutsam und kostenneutral zu realisieren sei. (Auch die damalige Entscheidung wurde von einem Großteil der VdS-Mitglieder abgelehnt.). Die heutige Botschaft des Jahres 2004 ist nicht weniger irreführend als die von 1996. Heute warnt man vor horrenden Kosten, die entstünden, wenn die Reform zurückgenommen werde. Das Kostenargument (woher kommen die Zahlen?) dient lediglich als politischer und psychologischer Sperriegel, um die einzig vernünftige Entscheidung zu blockieren: die Rücknahme der Reform. Das Kostenargument ist unlauter. Mit der Strategie des Abblockens und Verschleppens schadet der VdS seinen Mitgliedern. Die Fortführung des Reformexperiments erzeugt das Gegenteil dessen, was der VdS unter „Planungssicherheit“ versteht:

- Das Chaos wird wachsen, weil das System in sich unstimmig ist. Die Reform ist unhaltbar.
- Ständige Änderungen der Wörterlisten und des Regelwerks erzwingen laufendes Überarbeiten von Verlagsprodukten. Das ist keine Planungssicherheit.
- Durch Daueranpassungen ergibt sich ein unkalkulierbarer Kostenfaktor für die Verlage, die Dauerkrise auf Jahrzehnte könnte für einige Verlage das Aus bedeuten
- Weitere Umsatzeinbußen durch Verärgerung und Kaufverweigerung bei den Kunden. Bücher mit amtlichen Verderblichkeitsdaten sind kein begehrtes Kaufobjekt.

Die Situation:
1. Es ist kein Geld da für Schulbücher. Die Kassen sind leer.
2. An den weiterführenden Schulen existiert ein friedliches Nebeneinander von Büchern in neuer und klassischer Rechtschreibung. Die Schüler arbeiten mit beiden Systemen.
3. Private und öffentliche Büchereien sind gut bestückt mit Millionen von Büchern, die in klassischer Rechtschreibung verfaßt sind. Dagegen ist erst ein kleiner Teil „reformiert“.
4. Die Schüler haben gelernt, daß Schreiben keinen festen Regeln folgt und die Erwachsenen sich darüber selbst uneinig sind. Ergebnis: Schreibanarchie, fehlende Motivation.
5. Immer mehr Erwachsene, die das „Rechtschreibpaket“ aufschnüren, erkennen den Inhalt als ungenießbar und wenden sich vom Neuschrieb ab. Lehrer sind nicht zufrieden, sondern sie haben resigniert und werden amtlich geknebelt. Das interpretiert der VdS irreführend als „Zufriedenheit“.

Unser Vorschlag zu einer allgemein gangbaren Lösung, sofern der Wille vorhanden ist:

Auch nach dem 1. August 2005 gilt die klassische Rechtschreibung unbeschränkt mit dem Ziel, diese auch an Schulen wieder als allgemein verbindliche Schreibweise einzuführen. Die Schul- und Kinderbuchverlage drucken ihre Bücher wieder in dem Deutsch, das die Mehrheit der Deutschen zu lesen und zu schreiben bevorzugt.
Das Chaos wird langsam ausgeschlichen. In ein bis zwei Jahrzehnten haben wir wieder eine einigermaßen funktionierende Orthographie.

Und die Schüler? Die Existenz der unzähligen Ausnahmeregelungen und Wortlisten, die keiner Regel folgen und auswendig zu lernen wären, ist inzwischen bekannt. Nicht einmal die Reformer selbst beherrschen ihr eigenes „Rechtschreibjahrhundertwerk“. Und nun will man den Kindern solch unverdauliche Regeln als Erleichterung unterschieben, während Philologenverband und VdS eine Rückkehr zur einfacheren, klassischen Schreibung als unzumutbar bezeichnen! Dieser Logik folge, wer will.
Wohlgemerkt: Es geht hier nicht um die Renovierung eines Schulgebäudes und die Wahl der Wandfarben. Es geht um die Sprache, die als Kommunikationsmittel auf obrigkeitlichen Erlaß nicht heute so, morgen anders dargestellt werden kann. Wer die Rechtschreibung ändert, stört die Kommunikation. Wir wollen eine Lösung, die uns von diesem unsinnigen, teuren und nichts als Ärger verursachendem Experiment „Neuschrieb“ erlöst, damit die Politiker – und da sind wir mit dem VdS völlig einer Meinung – „sich lieber den wirklichen Problemen der Schule widmen“ können.

Wir sollten dann beginnen, einen besseren Deutschunterricht an den Schulen zu installieren und die Anzahl der Unterrichtsstunden für das Fach Deutsch erhöhen. Im Vergleich zu anderen Industrienationen leisten wir uns um rund 20% weniger muttersprachlichen Unterricht! Das ist zum Beispiel ein Problem, das angegangen werden kann, sobald das Thema „Rechtschreibung“ vom Tisch ist.

Wäre das nicht eine kulturelle Aufgabe, der sich auch ein Schulbuchverband zum Wohle aller widmen könnte?

Peter Stolz
-Geschäftsführer-
Stolz Verlags GmbH


Quelle: Buchmarkt-online
Link: http://www.buchmarkt.de


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