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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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26.11.2010
 

Quäntchen
Falsche Spur durch reformierte Schreibung

Mit einer Unsicherheit von nur drei Millionstel Prozent konnten sie die Avogadro-Zahl bestimmen, die definiert, aus wie vielen Atomen zwölf Gramm Kohlenstoff bestehen. Trotzdem fehlt noch ein Quäntchen (...) (SZ 25.11.10)

(Kurz danach ist tatsächlich von der Quantenphysik die Rede.)

Natürlich sprechen Physiker nicht im Diminutiv von "Quäntchen", aber in einem Zeitungsartikel fühlt man sich doch einen Augenblick auf die falsche Spur gesetzt.



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Kommentare zu »Quäntchen«
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Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 30.11.2010 um 19.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17370

Die Rechtschreibreformer hätten natürlich lieber eine Quäntchenphysik und ein Planck'sches Wirkungsquäntchen. Dann würde auch das Bild vom Quantensprung wieder besser passen.
Wollte Herr Augst nicht am nächsten Atomphysikerkongreß teilnehmen?
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 01.12.2010 um 09.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17372

Quantum, Quant und Faktum, Fakt sind ähnlich gebildete Wörter. Niemand käme auf den Gedanken, vom zweiten eine Verkleinerungsform „Fäktchen“ abzuleiten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.12.2010 um 10.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17373

Doch! (Google!)
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 01.12.2010 um 12.51 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17374

Tatsächlich – aber nicht meist als Ulk gemeint?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 01.12.2010 um 19.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17378

Ein Quantensprung ist ja eine sehr kleine, wenn nicht überhaupt die kleinste, Änderung in der Elementarstruktur, die nachweisbar ist.
Politiker und andere effektheischende Redner stellen sich unter einem Quantensprung aber etwas riesiges, bahnbrechendes vor, und so verwenden sie den Ausdruck auch in ihren Reden.
Effekthascherei im Unwissen halt, so wie in vielen anderen Bereichen auch ...
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 01.12.2010 um 20.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17379

Kopernikanische Wende ist wohl der Ausdruck, den die meisten Politiker meinen, wenn sie vom Quantensprung faseln. Eine wackelnde Halbbildung gibt trotzdem noch genug schöne Ausdrücke zum Daherfaseln. Wer wollte bei dem inflationären Gebrauch des Quantensprungs ständig von einem Durchbruch sprechen! Das klingt ja auch viel zu banal.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 01.12.2010 um 23.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17380

Aber müsste man nicht andersherum denken und die Gewichtseinheit Quent mit ä schreiben? Schließlich leitet sie sich doch vom lateinischen Quantum ab.
 
 

Kommentar von Quintus Fixlein, verfaßt am 02.12.2010 um 02.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17381

Man könnte sich freilich – statt bloß "andersherum zu denken" – auch kundig machen.
 
 

Kommentar von Sigmar Salzburg, verfaßt am 02.12.2010 um 06.48 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17382

Manchmal darf der Schwindel doch ans Licht kommen:

Max Planck
Ein unbequemes Quäntchen Wahrheit
Von Heike Westram

Das "Quäntchen Wahrheit" hat übrigens mit Plancks Quantentheorie überhaupt nichts zu tun - hier hat die Rechtschreibreform für einen Quantensprung gesorgt. Denn ursprünglich hieß es ein "Quentchen Wahrheit" und stammte von der altdeutschen Gewichtseinheit "Quent" (3,65 Gramm)…

br-online 2.10.2008
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 02.12.2010 um 10.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17384

Sogar Wikipedia, wo doch sonst in vorauseilendem Gehorsam die orthographische Gleichschaltung regiert, hat kapiert, daß "Quäntchen" eine Etymogelei ist.

de.wikipedia.org/wiki/Quentchen

Ich habe extra "ClassGerman" ausgeschaltet, um mich davon zu überzeugen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.12.2010 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17391

Quent ist laut DWb die Verkürzung von quentin. Wer das nicht glaubt, muß Argumente dagegen vorbringen; Aufforderungen zum Die-Dinge-irgendwie-anders-Sehen u. dgl. reichen nicht.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 03.12.2010 um 15.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17392

Aha.

Nun habe ich aber gar nicht daran gezweifelt, dass sich Quent von Quentum ableitet. Sondern irrigerweise unterstellt, dass es sich von Quantum ableitet – und höflich gefragt, ob es nicht sinnvoll, wäre, die Schreibung von Quent in ein etymologisch vermeintlich korrekteres Quänt zu ändern.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 03.12.2010 um 16.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17393

Ihre Herangehensweise, Herr Hamberger, sich bei der Schreibung nach der korrekten Etymologie richten zu wollen, ist nicht zu beanstanden. Allerdings waren es gerade die Rechtschreibformer, die davon abgewichen sind und „vermeintlich richtige“ Ableitungen bemüht („verbläuen“ zu „blau“, „belämmert“ zu „Lamm“) bzw. bereits verdunkelte Beziehungen zum Grundwort wiederbelebt („behände“ zu „Hand“) haben.

Der monströseste Fall ist die Aufhebung der Unterscheidung zwischen „gräulich“ („etwas grau“) und „greulich“ („furchtbar“) – mit der Begründung, daß es nun wegen „Grauen“ auch „Gräuel“ heißen müsse. Man möchte sich mit Grausen abwenden, aber das geht nicht: Die herkömmliche Schreibung findet man kaum noch, sondern so etwas, wie es Prof. Ickler vermerkt hat (http://www.fds-sprachforschung.de/ickler/index.php?show=news&id=850#17056): Er ist wie eine etwas verschmierte, gräuliche Kopie von Thomas Mann. (SZ 8.11.10)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.12.2010 um 17.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17395

Quent hat nichts mit *Quentum zu tun, siehe unten.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 03.12.2010 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17396

Ja, das ist mir allerdings bekannt. Und nicht zu vergessen das unmöglich reformierte Wort "Kolofonium"! Das alles hat aber mit meinem Beitrag vom 1.12. gar nichts zu tun, insofern ist – wenn ich mich mal Ihres Duktus bedienen darf – das Wort "allerdings" in Ihrem Beitrag zu beanstanden.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 03.12.2010 um 17.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17397

@R. M.: Ja, richtig gewesen wäre quentin. Ändert natürlich nichts am Argument.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 03.12.2010 um 18.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17398

Oh, Verzeihung, Herr Hamberger. Das "allerdings" war im Sinne von "bemerkenswerterweise" gemeint.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 03.12.2010 um 20.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17399

Kein Problem, Entschuldigung angenommen.

Aber was hat es mit der verdunkelten Beziehung zum Grundwort auf sich, von der Sie schreiben? Weshalb ist sie bloß bei "behende" ein Argument für eine nicht-etymologische Schreibweise? Man sollte doch denken, dass mehr Menschen eine Beziehung von "behende" zu "Hand" herstellen würden als von "Quentchen" zu "Quent" beziehungsweise "Quentin" – ganz einfach, weil fast niemand mehr die letztgenannten Begriffe kennt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 03.12.2010 um 22.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17401

Daß Quentchen Diminutiv von Quent ist, ist immerhin unschwer zu erkennen. Allerdings (und auch dieses allerdings ist schlechterdings nicht zu beanstanden) weiß in der Tat fast niemand, was ein Quent ist. Das ist aber nicht schlimm, denn wir benutzen ständig Wörter, die wir nicht durchschauen, ohne daß daraus hermeneutische oder orthographische Probleme entstehen müssen. Folglich besteht kein Handlungsbedarf, zumal die betroffenen Wörter ohnehin selten sind und eine Änderung ihrer Schreibung keine nennenswerte Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung bewirken kann.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 04.12.2010 um 12.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17404

Ausgezeichnet. Wir sind uns also im Kern einig: Die Herkunftsbedutung von "Quentchen/Quäntchen" ist verblasst; bei verblasster Bedeutung muss nicht an der "etymologischen" Schreibung festgehalten werden.

Es scheint also keine besonders ärgerliche Sache zu sein, wenn dieses Wort nun anders geschrieben wird (zumal es ohnehin selten ist), allerdings eine unnötige – und das wäre etwas, das gegen die Neuschreibung spräche.

Ich würde vorschlagen, nun einmal sine ira et studio zu betrachten, was denn FÜR die Neuschreibung sprechen könnte. Da wäre zum einen der Umstand, den Peter Eisenberg im grünen Duden anführt: Das Wort wird heute – zumindest gelegentlich – mit "Quantum" in Verbindung gebracht. Zum anderen könnte man argumentieren, dass die Sprechenden und Schreibenden von heute das Wort eher mit dem Quant der Quantenphysik in Verbindung bringen als mit dem Quent des Mittelalters. Ein Quäntchen als kleines Quant wäre doch eine hübsche Umschreibung für eine wirklich winzige Menge. In dieser Perspektive kann ich Herrn Ickler auch nicht zustimmen, dass die "SZ" in ihrem oben zitierten Artikel die Leser auf eine falsche Spur führt.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 04.12.2010 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17406

Lieber Herr Hamberger,

Sie gehen nun leider von den chaotischen Strukturen nach 1996 aus, die – wohlgemerkt – ein einziger Reformer arg durcheinander gewürfelt hat, weil er der Schreibnation sein Steckenpferd (die vermeintliche Volksetymologie des erfundenen Laien) aufnötigen wollte.

Herr Markner hat freilich recht, daß das Wort "Quentchen" in der täglichen Schreibpraxis nicht so häufig vorkommt. Deshalb haben sich ja auch andere der Augstschen Etymogeleien in der Praxis nach 1996 (und vor allem nach 2006) nicht gehalten. Heute wird wahrscheinlich nur noch in Schulbüchern "Tunfisch", "Spagetti" und "Gämse" geschrieben. (Ich gebe nun zu, daß der Gebrauch des Wortes "Gemse" mit Sicherheit in Gegenden, in denen diese Tierchen auch vorkommen, häufiger sein mag als beispielsweise im norddeutschen Flachland.)

Aber gegen den Neuschrieb spricht vor allem die lange problemlose Verwendung der bisherigen Schreibung. Zeigen Sie mir doch bitte einmal die Probleme, die Schreiber beispielsweise im Jahr 1989 oder 1993 mit den Worten "Quentchen" oder "behende" hatten, dann endlich hätten wir nämlich einen Nachweis dafür, daß eine Neuregelung überhaupt notwendig war. Anders wäre es nämlich nur das Hobby eines einzelnen Menschen, das als heilige Kuh bislang weder Eisenberg noch der Zehetmairsche Phantomrat ernsthaft anzutasten wagten. Auch inzwischen wieder häufiger zu lesende Schreibungen wie "Thunfisch" und "Spaghetti" sind ja tatsächlich nicht zurückgenommen worden, sondern lediglich als sogenannte Varianten eingeführt worden. So habe ich auch den Hinweis von Herrn Wagner verstanden, daß man die "herkömmliche Schreibung" dieser Wörter kaum noch findet.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.12.2010 um 14.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17407

Über den Wert oder Unwert der Berichtigung von volksetymologischen Schreibungen (postum vs. posthum etc.) läßt sich immerhin noch streiten. Es ist aber so offensichtlich unsinnig, falsche Etymologien zur Grundlage von behördlich vorgeschriebenen Schreibungen zu machen, daß Herrn Hambergers Argumentation bloß gekünstelt wirkt.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.12.2010 um 15.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17408

Unabhängig von der Etymologie erhebt sich die Frage, ob es ein Quäntchen überhaupt gibt. Was soll ein Quäntchen sein, offensichtlich ein kleines Quant. Ohne Physiker zu sein, erscheint mir ein Quant als etwas diskretes, das in Elementarprozessen frei werden kann. Ein Quant ist aber immer ein Quant, ein kleineres Quant gibt es m. E. nicht.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 04.12.2010 um 16.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17410

Was soll ein Quäntchen sein ... (Herr Strasser)

Nein, die Rechtschreibreformer haben ja auch dem Planck'schen Wirkungsquantum dieses Quäntchen verschafft, welches einem Gänsefüßchen ähnelt und mich dadurch an meine frühe Kinderzeit erinnert. Da konnte meine Mutter schon mal ein Donnerwetter loslassen, wenn ich wieder mit allzu dreckigen Quanten vom Spielen reinkam. So kleine Tierchen wie Entchen haben natürlich keine Quanten, sondern Quäntchen, ebenso die Gänschen.

Es besteht also doch ein erheblicher Unterschied zwischen Quentchen und Quäntchen.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 04.12.2010 um 16.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17411

Kein Sekündchen lang erscheint das überzeugend, lieber Herr Strasser. Quäntchen ist wohl nicht unlogischer als Quentchen: Eine ohnehin kleine Sache wird sprachlich noch einmal verkleinert.

Im Übrigen plädiere ich für einen entspannteren, spielerischeren Umgang mit diesem Wort. Wir sind uns einig (auch wenn Herr Höhers Beitrag diesen Konsens ignoriert – gegen selbst erdachte Argumente ficht es sich eben leichter), dass die Neuschreibung überflüssig war. Da sie aber nun einmal seit mehr als 14 Jahren amtlich ist, es sich um ein selten benutztes Wort handelt und die Herkunft des Worts der überwältigenden Mehrheit der Schreibenden vermutlich unbekannt ist, kann man ja auch einfach mal schauen, ob die Neuschreibung nicht auch Vorteile mit sich bringt.

Ihnen, liebe Frau oder Herr M., biete ich an, einmal gemeinsam auf einen Pausenhof zu gehen und herumzufragen, woher das Wort Quentchen/Quäntchen wohl stammen mag. Anschließend können wir dann entscheiden, ob meine Argumente tatsächlich so gekünstelt sind – oder ob sie nicht wenigstens ein Quäntchen Wahrheit enthalten.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 04.12.2010 um 16.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17412

Lieber Herr Hamberger,

erstens gibt es in Deutschland keine amtliche Rechtschreibung. Das Bundesverfassungsgericht hat den Geltungsbereich der Rechtschreibreform ausdrücklich auf die Schulen beschränkt. Das können Sie so nachlesen. Das Adjektiv "amtlich" gehört zur Propaganda der Reformer, und in unserer Diskussion erweist es sich zudem als Totschlagargument. Etwas soll "amtlich" sein, und damit basta!

Und zweitens interessiert mich, welchen Konsens ich ignorieren soll und welche Argumente ich denn nur erdacht habe.

Wenn es vor der Reform tatsächlich Schwierigkeiten bei der Schreibung von "Quentchen" und "behende" gab, möchte ich dafür Nachweise haben. Beide Wörter haben Sie im übrigen ausgewählt (1373#17399). Ein Rundgang mit Herrn Markner auf dem Pausenhof dürfte sich somit erübrigen. Den Schülern hat man bekanntlich eingebleut, daß beispielsweise dieses Wort etwas mit der Farbe blau zu tun hat und daß "aufwändig" vom Aufwand kommen soll. Befragen Sie daher nicht die Geiseln, sondern setzen Sie vor der Geiselnahme an. Das ist zugleich dem tatsächlichen Sprachgebrauch angemessener als die schwächsten Glieder in der Rechtschreibkette zu befragen, bei denen der Neuschrieb sich auch noch notenrelevant auswirkt. Wo gab es also vor 1996 bei professionellen Schreibern Probleme mit diesen Wörtern?

Um abschließend auf eine andere – von mir ebenfalls nicht erdachte – Etymogelei zu kommen, war bei dem Wort "Tolpatsch" vor 1996 "der überwältigenden Mehrheit der Schreibenden" die tatsächliche Etymologie gewiß ebenfalls nicht bekannt. Trotzdem mußte erst ein Gerhard Augst daherkommen und die Mär vom erfundenen Laien verbreiten, damit alle denken, ungarische Fußsoldaten wären toll gewesen und wären mit patschenden Füßen marschiert.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.12.2010 um 17.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17413

Mir geht es hier weder darum, die Schreibung Quentchen zu verteidigen, noch darum, die Schreibung Quäntchen zu verdammen.
Ich stelle lediglich fest, früher gab es ein Quent, ein Quentchen und ein Quant, heute gibt es nurmehr ein Quant und ein Quäntchen. Wobei das Quäntchen kein kleines Qant ist, sondern eine kleine Menge von irgendwas.
Weil es sich hier aber, wie bereits mehrfach erwähnt, um einen sehr kleinen Bereich der reformiert vorgeschriebenen (nicht möglichen) Schreibungen handelt, habe ich kein Problem, auch eventuelle Vorteile gelten zu lassen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 04.12.2010 um 17.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17414

Gerade bei selten verwendeten Wörtern ist es wichtig, daß man ihre Herkunft nicht durch willkürliche Veränderung der Schreibweise verschleiert, da dies das Verständnis bestehender Texte erschwert oder zu Mißverständnissen führt.

Einem Schüler – dem es die Reform ja „einfach“ machen will – ist nicht damit gedient, wenn der durch reformbedingte Änderungen auf falsche Fährten gesetzt wird und dies nicht erkennen kann. Da ist es besser, ein unbekanntes oder ungewöhnliches Wort nachzuschauen, statt sich im Gestrüpp von u.U. mehrmals veränderten Bedeutungsveränderungen zurechtfinden zu müssen. Und wenn ein Schüler die Bedeutung eines bestimmten Wortes nicht kennt, dann sollte er es, schon im eigenen Interesse, entweder nicht verwenden oder es vorher nachschlagen, ob es auch wirklich das meint, was er ausdrücken will.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.12.2010 um 18.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17415

Schulhofdiskussion: würde man alles Wissen, das existiert, danach gewichten, wie es im Schulhof bekannt ist oder gesehen wird, na ja ...
Gott sei Dank bestimmen in der Wirklichkeit daher selten die in Ausbildung stehenden, was Sache ist und was nicht.
(was deren Meinung nicht schmälern soll; Didaktiker könnten wahrscheinlich viel daraus lernen) ...
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 04.12.2010 um 19.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17416

Genau, bleiben wir beim Thema und fragen wird einfach mal auf dem Schulhof nach, wie das so funktioniert mit der Quantenmechanik. Eine solche Enquête erspart einem glatt das Physikstudium.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 04.12.2010 um 21.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17417

Lieber Herr Höher,

ein Wort kann wohl kaum ein Argument sein, schon gar kein "Totschlagargument". Wenn Ihnen das Wort "amtlich" in unserem Zusammenhang unrichtig erscheint, ersetzen Sie es gern durch R. M.s "behördlich vorgeschrieben" oder ein anderes, milderes. Die Tatsache, die ich angesprochen habe, werden Sie damit aber nicht ändern können: Seit 14 Jahren lernen die nachwachsenden Generationen, das Wort "Quentchen" mit ä zu schreiben – und all diese Menschen werden kein Problem damit haben, es weiterhin so zu schreiben.
Sie fragen, welchen Konsens Sie ignoriert haben sollen. Wie ich bereits schrieb: den Konsens, dass die Neuschreibung von Quentchen überflüssig war. Wie sonst könnten Sie von mir "einen Nachweis dafür, daß eine Neuregelung überhaupt notwendig war", fordern?
Ferner fragen Sie, welche Argumente Sie erdacht haben sollen. Das Argument, vor der Reform hätten Schreibende Schwierigkeiten mit dem Wort "Quentchen" gehabt, ist von Ihnen frei erfunden – und in Ihrem jüngsten Posting noch um vermeintliche Schwierigkeiten mit dem Wort "behende" erweitert.
Was den Gang über den Pausenhof anbelangt, unterstellen Sie mir ebenfalls ein Argument, das ich nicht vorgebracht habe. So habe ich keineswegs vorgeschlagen, die Schülerinnen und Schüler zu fragen, ob sie Schwierigkeiten beim Schreiben des Worts "Quäntchen" haben. Tatsächlich habe ich R. M. den Gang über den Pausenhof als Antwort auf die Vorhaltung vorgeschlagen, es sei "gekünstelt", den Schreibenden zu unterstellen, dass sie Quäntchen mit Quant in Verbindung bringen. Fragen wir die Schreibenden der nachwachsenden Generationen doch einmal, womit sie das Wort in Verbindung bringen – dann werden wir ja sehen, ob Herr Ickler mit seiner "falschen Spur" Recht hat oder nicht. (Um es noch einmal zu betonen: Ich habe nicht vorgeschlagen, die Rechtschreibung nach der Meinung der Schülerinnen und Schüler zu richten.)

Lieber Herr Strasser,

nein, ich kann da nicht zustimmen. Das Quent gibt es immer noch. Und das Quäntchen ist heute eben nicht mehr so sehr ein liebevoll mit einem -chen versehenes Quent, sondern eher eine sehr kleine Quantität, ein unbedeutendes Quantum – in etwa so wie ein Quant.

Liebe/r Pt,

die Bedeutung des Worts bestimmen doch wohl die Sprechenden und nicht die Rechtschreibung. An ihr ist nichts geändert worden und hätte durch noch so viele Rechtschreibreformen auch nicht verändert werden können.

Liebe/r R. M.,

ja, machen Sie das. Unsere Diskussion bringen Sie damit aber kaum voran.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 04.12.2010 um 22.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17418

Zu Herrn Riemer:
Im Mackensen steht: "Quanten, Mehrzahlwort, (Herkunft ?) Füße".

Im Großen Wahrig steht: "Quanten (Pl, umgangssprachlich), große Schuhe, große Füße".

Ein Quantensprung kann folglich auch ein Sprung mit großen Füßen oder Schuhen und die Quantenphysik die Physik von großen Schuhen sein.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 04.12.2010 um 23.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17419

Endlich kommen wir den Dingen auf die Spur.
Quantentheorie ist also die Theorie großer Schuhe/Füße und Quantenmechanik etwas wie ein Schuhmacherhandwerk für große Schuhe/Füße.
Quäntchen wären dann etwas kleinere große Schuhe/Füße.
Ob Quäntchen gem. deutscher Wortbildung dann gleichzeitig auch als Diminutiv von Quantum oder von Quantität interpretierbar ist, müssen Fachleute feststellen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 05.12.2010 um 00.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17420

Herr Hamberger, Sie wollen – wohlwollend interpretiert – darauf hinaus, daß der Unsinn sich von selbst erledigt, sobald ihn niemand mehr bemerkt. Damit ziehen Sie denselben ungedeckten Wechsel auf die Zukunft, der den Kern der Reformideologie ausmacht: daß es nämlich egal sei, wie man etwas schreibt. Genau unter dieser Voraussetzung jedoch sind Rechtschreibreformen zumindest völlig überflüssig. Der Rest – ich muß das leider so deutlich sagen – ist durch Schlaumeiereien verbrämtes Anpassertum. Womit ich jetzt natürlich auch etwas ungerecht bin, denn offensichtlich machen Sie sich aus Ihrem Opportunismus immerhin noch ein Gewissen. Oder wollen Sie vielleicht doch etwas anderes mitteilen?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.12.2010 um 00.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17421

Es ist schon erstaunlich, welch eine umfangreiche und geradezu leidenschaftliche Debatte hier an der Schreibung Quäntchen entbrennt. Wie gut, daß die Anhänger der Rechtschreibreforn anscheinend hier nicht mitlesen. Sie hätten sonst ein leichtes Spiel, uns als eine Ansammlung von Pedanten, Querulanten und Etymologlern (eine Neubildung in Anlehnung an Deutschtümler) darzustellen.

Die Etymologie ist für die Rechtschreibung schlechterdings irrelevant (s. mein Beitrag). Da hat Herr Hamburger vollkommen recht.

Für die Rechtschreibung ist allein der Schreibgebrauch und das Stammprinzip von Bedeutung.

Der Schreibgebrauch bis 1996 spricht eindeutig für Quentchen, obwohl schon vor 1996 die Schreibung Quäntchen gelegentlich zu finden ist. Von daher ist der Haupteinwand gegen Quäntchen der, daß es sich um einen gewaltsamen Eingriff in den Schreibgebrauch handelt, und nicht, daß diese Schreibung "etymologisch falsch" wäre. Allerdings ist schon die Wortbedeutung eigentlich "etymologisch falsch", denn ein Quent war nicht ein fünftel, sondern ein viertel Lot.

Vom Standpunkt der Stammschreibung ist das Wort Quentchen aber schon ein Problem. Es handelt sich ja offenkundig um eine Verkleinerungsform von Quent. Ein Wort oder eine Stammsilbe quent ist den allermeisten Deutschen aber völlig unbekannt.

Allerdings ließe sich aus Wörtern wie Quantum, quantitativ oder quantifizieren auf die Existenz einer Stammsilbe quant schließen, aus der sich die Verkleinerungsform Quäntchen herleiten ließe. Die Annahme, daß sich Quäntchen nur aus dem physikalischen Begriff Quant ableiten ließe, ist m. E. unbegründet.

Die Einwendungen gegen die Volksetymologien des Herrn Augst beruhen ja nicht darauf, daß diese "etymologisch falsch" seien. Denn sonst müßte man die "etymologisch richtigen" Schreibungen Stängel und behände ja begrüßen. Man könnte auch darüber streiten, ob Gämse nicht vielleicht tatsächlich die "etymologisch richtige" Schreibung wäre. Dazu sagt Adelung: "Da die meisten anderen verwandten Sprachen in diesem Worte ein a haben, welches die oberdeutsche Mundart gleichfalls sehr deutlich hören lässet, so ist die Schreibart Gämse der Abstammung gemäß, ungeachtet sich auch das e im Hochdeutschen verteidigen lässet, weil a und e in derselben in tausend andern Fällen mit einander abwechseln."

Vielmehr ist der Einwand der, daß es sich um einen gewaltsamen und unnötigen Eingriff in einen bestehenden Schreibgebrauch handelt. Allerdings ist nicht zu verleugnen, daß dieser Schreibgebrauch auch auf einer Normierung durch Wörterbücher und durch "amtliche Regelungen" - von den Schulorthographien bis zur 2. Orthographischen Konferenz - beruht. So gibt es die Schreibungen Zierrat und Tollpatsch seit langem. Adelung gibt nur Tollpatsch, das DWB beide Schreibungen an. Laut DWB ist die Schreibung Zierrat seit dem 16. Jahrhundert belegt. Hätte die RSR derartige Schreibung bloß als zusätzliche Varianten zugelassen, wäre der Widerspruch wohl wesentlich schwächer gewesen.

Vielleicht der stärkste Einwand gegen die "Volksetymologien" der RSR ist jedoch, daß diese völlig willkürlich erscheinen und keinen leitenden Grundsatz erkennen lassen. Es ist ja nicht zu leugnen, daß die e-ä-Schreibung ein Problem der deutschen Rechtschreibung ist. Ein leitender Grundgedanke hätte der sein können, in all den Fällen, wo eine Ableitung aus einer Stammsilbe mit a nicht (mehr) offenkundig ist, die Schreibung mit e vorzusehen, weil e gewissermaßen die Normalschreibung ist. Seltsamerweise gehen die Änderungen der RSR aber gerade in die entgegengesetzte Richtung und bevorzugen ausgerechnet die etwas archaisch wirkende ä-Schreibung.

Noch eine Bemerkung am Rande: Die Definitionen von Quant im Duden (Physik kleinste Energiemenge) und die vielleicht etwas weitere im Ickler (kleinste Einheit [d. Energie])) erscheinen mir nicht als sehr treffend. Jedenfalls ist mir aus der Physik keine kleinste Energieeinheit bekannt (was nicht heißt, daß es eine solche nicht geben könnte). Aus Erfahrung klug, möchte ich betonen, daß das keine Kritik ist. Ich weiß natürlich, daß ein Rechtschreibbuch kein Lehrbuch der Quantentheorie ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.12.2010 um 01.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17423

Die Beiträge von "Horst Hamberger" zeigen, daß er sich sehr genau mit den Augstschen Erfindungen auskennt. Das geht schon aus seinem ersten Beitrag hervor, in dem er selbst "die Gewichtseinheit Quent" einführt.

Dieser Begriff ist erst durch die Reformdiskussion wiederbelebt worden, wobei man lernte, daß sich Quentchen eben nicht von Quantum ableitet, sondern von Quent, und dieses gehe auf lateinisch quentinus (fünfter Teil) zurück, also letztlich auf das lateinische Wort für fünf. "Horst Hamberger" behauptet jedoch, er habe angenommen, daß Quent auf lateinisch quantum zurückgeht. Das ist unglaubwürdig. Ich schließe daraus, daß es sich um einen Reformfreund handelt, dem daran gelegen ist, die Nachteile der Reform mit mehr oder auch weniger ehrlichen Argumenten herunterzuspielen und uns ein bißchen zu ärgern.

Übrigens: Vermutlich würde man auf dem Schulhof zumeist hören, daß "Quäntchen" wahrscheinlich mit Quanten zusammenhängt; eher selten wäre die Antwort aus Schülermund, daß es von Quantum komme. Denn von Quanten (inklusive Quantensprung) ist heutzutage viel öfter die Rede als von dem gelehrten Quantum für "Menge". So geht es auch dem Leser, der es besser weiß: Die Schreibung Quäntchen zwingt zur Assoziation mit den heute allgegenwärtigen "Quanten".

Quanten stehen für etwas unvorstellbar Winziges, für etwas geradezu unendlich Kleines. Die weitere Verniedlichung durch Anhängen der Endung chen mutet bereits kindisch an, so als ob man auch von Atömchen oder Elektrönchen reden würde. Das Irritierende ist aber vor allem, daß ein Quentchen eine wahrnehmbare Menge war, wie eine Prise, während die Schreibung Quäntchen die Vorstellung unermeßlicher Winzigkeit hineinbringt. Als ob man Speisen plötzlich nicht mit einer Prise Salz würzen soll, sondern mit einem einzigen Molekül Kochsalz, das zusätzlich noch möglichst klein sein soll.

Ursprünglich war vor allem ärgerlich, daß der Einzeltäter Gerhard Augst sich anmaßte, einem ganzen Volk eine etablierte Schreibweise auszutreiben. Auf Dauer besteht das Ärgernis darin, daß man als Leser die störende Assoziation nicht los wird. Die etymologische Wahrheit ist zweitrangig. Damit reiht sich Quäntchen in die lange Reihe jener Reformschreibungen ein, die eine Verschlechterung für den Leser bedeuten.

PS: Anstatt zu behaupten, Kinder könnten die Schreibweise Quentchen nicht nachvollziehen, könnte man den Schülern ja einfach mal erzählen, wo das Wort herkommt. Schüler sind sehr neugierig und empfinden ein Aha-Erlebnis als Bereicherung. Die Reformfreunde, so scheint es, halten Schulkinder für unrettbar doof. Das ist ein falsches Weltbild.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.12.2010 um 09.38 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17424

Herr Salzburg hat schon darauf hingewiesen: Die gedankliche Gleichung Quäntchen = kleines Quantum will nicht so recht funktionieren, weil es dieses Wortbildungsmuster sonst nicht gibt.

Mißlungen oder nur scherzhaft denkbar wären Begriffe wie
Fäktchen
Diktchen
Vötchen
Fätchen
Arkänchen ("kleines Geheimnis")

Petitchen für "kleine Bitte" wäre völlig unbrauchbar, weil man darin eine halb eingedeutschte Version von Petitesse sähe.

Das kleine Latinum oder Gräkum könnte man Latinchen bzw. Gräkchen nennen, aber niemand kommt darauf. Derlei wirkt so gewaltsam wie die Umgangsformen in den Filmen von Quäntin Tarantino.

Deshalb schwingt immer wieder die Gleichung Quäntchen = kleines Quant = unvorstellbar winzige Menge = nichts mit, die nicht zum Gemeinten paßt. Der Begriff ist durch die Implantation des ä ungenießbar geworden.

Man muß nun darauf warten, daß die störenden Assoziationen der Leser nachlassen werden. Dieselbe Hoffnung braucht man bei behände. Wird es so kommen? Das Ganze ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft, wie es Herr Bärlein treffend ausdrückt.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.12.2010 um 09.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17425

In der Schweiz wird das Diminutiv üblicherweise mit –li gebildet, also Müsli für Mus oder Bähnli für Bahn. In meinem Verständnis handelt es sich dabei eher um eine Art Koseform als um eine Verkleinerungsform.
Daher müßte eigentlich Quentli für wenig von etwas stehen und Quäntli für Quant, oder steht Quäntli für wenig und Quant?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 05.12.2010 um 10.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17426

Anmerkung: ich verwendete in meinem letzten Beitrag den hochsprachlichen Begriff Mus. Kratzbaum ergänzt in einem anderen Faden, daß dieses Wort schweizerdeutsch Mues geschrieben wird und daher schweizerisch auch Müesli zu schreiben sei. Danke für die Ergänzung!
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 05.12.2010 um 10.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17427

Ist eigentlich bekannt, welchem lateinischen Kirchenvater wir es zu verdanken haben, daß das altgriechische "ai" (Mathaios) zu lateinisch "ä" (Mathäus) und das altgriechische "ä" zu lateinisch "e" wurde, wo es mit dem altgriechischen "e", das auch zu lateinisch "e" wurde, zu Verwechslungen führt?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.12.2010 um 12.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17428

Die Etymologie ist für unsere Orthographie nicht völlig irrelevant, weil in der Vergangenheit durchaus Entscheidungen auf dieser Grundlage getroffen wurden, wenngleich die historische Richtung, vertreten durch die Grimms, sich nicht durchsetzen konnte. Die Schreibung Thron ist dafür ein Beispiel – die Bewahrung des h geht eben nicht, wie die Legende es will, auf den Kaiser höchstpersönlich zurück. Man kann und muß die Schreibung Quäntchen ablehnen, weil sie unüblich war. Man kann sie aber darüber hinaus auch deshalb ablehnen, weil es offensichtlich unsinnig und potentiell irreführend ist, falsche etymologische Fährten zu legen. Darum geht es ja in diesem Tagebucheintrag.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 05.12.2010 um 12.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17429

Lieber Herr Hamberger (1373#17417),

Sie mißverstehen mich. Ob absichtlich oder nicht, kann ich nicht nachvollziehen. Ich habe nicht das Argument erfunden, daß Schreiber Schwierigkeiten mit dem Wort "Quentchen" gehabt haben. Im Gegenteil, ich habe Ihnen die Nachweispflicht zugeschoben. An der Etymologiedebatte möchte ich mich nicht beteiligen, da sie – wie Herr Achenbach (1373#17421) dargelegt hat, nicht relevant ist. Ich wollte nur zeigen, daß sogar die orthographisch gleichgeschaltete Wikipedia inzwischen kapiert hat, daß mit der Schreibung "Quäntchen" etwas nicht stimmt.

Tatsache ist, daß es bis 1995 einen bestimmten Schreibgebrauch gab. Die Frage ist nun, ob professionelle Schreiber mit diesem Schreibgebrauch Schwierigkeiten hatten. Nur dann wäre nämlich die Augstsche Reform (in welcher Form auch immer) nötig gewesen. Falls es keine Belege für ihre Notwendigkeit gibt, ist sie in meinen Augen komplett überflüssig. Sich einzelne Punkte herauszupicken – was man durchaus mit Adelung, Grimm und anderen Wörterbüchern belegen könnte (1373#17421) –, halte ich wie Herr Achenbach für nicht sinnvoll. Der gesamte Eingriff war falsch, weil ein Reformer ein funktionierendes System mit der gewaltsamen Einführung seines Hobbys aus dem Takt gebracht hat. Bis 1995 war zudem die Etymologie – volkstümlich oder nicht – nicht wichtig für die Schreibung eines Wortes. Seit Gerhard Augst die Rechtschreibbühne betrat, glaubt nun plötzlich jeder zu wissen, warum man ein Wort auf die eine oder andere Weise zu schreiben hat.

Der Augstsche Etymologismus hat fatalerweise um sich gegriffen. Daran ist nicht zuletzt die vermeintliche Amtlichkeit schuld, die wiederum schon allein dadurch in einem seltsamen Licht erscheint, weil sie in Einzelfällen inzwischen schon wieder dreimal geändert wurde. So ist nämlich, Herr Hamberger, Ihre Frage, "ob Herr Ickler mit seiner "falschen Spur" Recht hat", seit August 2006 "amtlich" wieder falsch geschrieben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 05.12.2010 um 12.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17430

Der Lautwandel im Griechischen und Lateinischen vollzog sich wie auch anderswo aus weitgehend unbekannten Gründen im Volk, die Kirchenväter haben damit nichts zu tun. Aus volkstümlichen Inschriften, aber auch aus normativen Schriften erfahren wir, daß solcher Lautwandel immer schon viel früher einsetzte, als die Hoch- und Schriftsprache erkennen läßt. Die Römer hätten sich nicht belehren lassen müssen, daß es "Claudius" und nicht "Clodius" heißt, wenn sie eben nicht schon "Clodius" gesprochen hätten. Aufhalten konnte das niemand. Verständigen konnten sich aber die Völker jederzeit ohne Probleme, uns Deutschen haben die Konsonantenverschiebungen und die frühneuhochdeutschen Mono- und Diphthongierungen ja auch nicht geschadet.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 05.12.2010 um 13.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17431

Lieber Herr Bärlein,

warum so garstig? Dass der "Unsinn" sich von selbst erledigt, sagt doch, soweit ich sehe, auch die Seite der Reformgegner. Das Wort behende beispielsweise ist ja ebenso "unetymologisch" wie das vielbeschworene Quäntchen. Trotzdem wollen die Reformgegner die "unsinnige" Schreibung beibehalten, weil die Leute sich halt dran gewöhnt haben (und ich gebe ihnen da durchaus Recht).

Lieber Herr Höher,

wie bereits geschrieben: Ich hab nie gesagt, dass vor der Reform irgendwer Schwierigkeiten mit der Schreibung Quentchen gehabt hätte. Insofern hab ich da auch keine "Nachweispflicht".
Ihre Sorgen wegen der Amtlichkeit der Rechtschreibung, bei der angeblich alle die Hacken zusammenschlagen, teile ich nicht. Mir persönlich ist die Regelung, wie überhaupt das meiste Amtliche, einigermaßen wurscht (trotzdem entspricht aber meine Schreibung von Recht haben durchaus den gültigen Regeln [§ 56 E2]).
Eine Diskussion der gesamten Rechtschreibreform finde ich hier fehl am Platze.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 05.12.2010 um 13.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17432

Warum nur muß ich bei dem letzten Beitrag von Herrn Hamberger an das geballte Fäustchen in der Tasche denken? Es muß an diesem Satz liegen: "Mir persönlich ist die Regelung, wie überhaupt das meiste Amtliche, einigermaßen wurscht (trotzdem entspricht aber meine Schreibung von Recht haben durchaus den gültigen Regeln [§ 56 E2])."

Es ist ihm eigentlich egal, aber er richtet sich mal lieber nach den "gültigen Regeln". Warum eigentlich, wenn es doch "einigermaßen wurscht" ist? Womöglich ist das der genannte "entspannter[e], spielerisch[e] Umgang" (1373#17411) mit der Schreibweise von Wörtern.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 05.12.2010 um 13.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17433

Das nennt man dann wohl Argumentum ad hominem. Ich benutze die amtliche Rechtschreibung einfach, weil ich es von Berufs wegen gewohnt bin.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 05.12.2010 um 14.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17434

Nebenbei: Schreibt man nicht nach § 55 (3) »amtlich« Argumentum ad Hominem?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.12.2010 um 14.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17435

Das ist verständlich. Ich nehme das entspannt zur Kenntnis. Genauso dürfen Sie entspannt zur Kenntnis nehmen, Herr Hamberger, daß berufliche Vorgaben und persönliche Gewohnheiten als Grundlage für eine vernünftige Beurteilung von Schreibweisen nicht hinreichen. Die Einwände gegen Quäntchen, behände und viele andere Reformprodukte bleiben gültig.

Die nichtreformierten Schreibweisen sind auch noch nicht ausgerottet. Bevor es so weit ist, könnte die Regelung jeweils schon wieder anders aussehen. Mit Gewöhnung kommt man bei diesem Re-Re-Reform-Gestotter sowieso kaum hinterher. Beispielsweise kann man Ihnen empfehlen, die Schreibweise er hat Recht als schlechte Gewohnheit zu identifizieren und zu er hat recht zurückzukehren. Das erlaubt Ihnen sogar Ihr Dienstherr, Sie müssen sich nur einen kleinen Ruck geben.

Die Schüler sollten nicht in dem Unglauben bleiben, daß sie nach wie vor er hat Recht schreiben müssen. Die Presse hat diese schiefe Schreibweise inzwischen mehrheitlich wieder abgestoßen. So ganz ist das Qualitätsempfinden trotz aller Reform also noch nicht abgestorben. Bei der mühsamen Wiederbelebung ist jeder willkommen.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 05.12.2010 um 14.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17436

Nun habe ich allerdings weder einen Dienstherrn noch irgendwelche Schüler. Ich schlage vor: Jede und jeder darf noch ein Mal nach Herzenslust Belehrungen über mich und meinen Rechtschreibgebrauch loswerden, und dann kehren wir zur Diskussion zurück, deren Gegenstand ja die Schreibung des Worts Quäntchen ist und nicht meine Person.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 05.12.2010 um 14.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17437

Mitunter ist das argumentum ad hominem zugleich das argumentum ad rem. Ich hoffe, das ist diesmal nicht zu garstig: Ob einer mit orthographischen Kretinismen wie Quäntchen und behände "entspannt" und "spielerisch" umzugehen vermag, hängt nämlich davon ab, was er sich selbst bieten zu lassen bzw. anderen zuzumuten bereit ist.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 05.12.2010 um 15.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17438

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in meiner Schulzeit, die glücklicherweise vor der Reform lag, das Wort Quentchen gehört oder gelesen zu haben. Das Wort ''Quantum'' ist mir sehr wohl aus meiner Kindheit bekannt, vermutlich durch meine Oma. Doch daraus eine Diminutivform zu bilden, darauf wäre ich von selbst nie gekommen. Ich sehe auch keinen Sinn darin, letztlich ist alles ein Quantum. ''-chen'' und ''-lein'' machen große Dinge klein, aber auch niedlicher. Bei diesen Suffixen geht es mehr um die Verniedlichung durch Verkleinerung als um den Umgang mit Stoffmengen, wo Verniedlichungsformen eher lächerlich wirken.

@1373#17417:

"die Bedeutung des Worts bestimmen doch wohl die Sprechenden und nicht die Rechtschreibung. An ihr ist nichts geändert worden und hätte durch noch so viele Rechtschreibreformen auch nicht verändert werden können."

Das ist viel zu kurz gegriffen. Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus seiner Sprachgeschichte und somit aus einem ''evolutionären'' Prozeß des Gebrauchs. Dabei kann es sehr wohl vorkommen, daß diese sich ändert. Inwieweit das durch eine Änderung der Schreibweise reflektiert werden muß, steht auf einem anderen Blatt. Das Beispiel, um das es hier geht, scheint mir für die Argumentation ziemlich an den Haaren herbeigezogen.

Natürlich ist es auch möglich, einem Wort spontan eine neue oder veränderte Bedeutung zuzuweisen, dies bleibt dann zumeist aber auf eine sehr kleine Gruppe beschränkt oder wird als vorübergehende Spontanbildung angesehen, vielleicht als Folge eines ''Jokes''. Die ganze Argumentation der Reformbefürworter besteht aus solchen zu kurz gegriffenen Phrasen.

Was Reformbefürworter nicht begreifen, ist, daß Sprache und Rechtschreibung interagieren, insbesondere, da mehr gelesen als gesprochen wird. (Wenn ich bedenke, daß bei uns in der Familie kaum gesprochen wurde und daß das in vielen Familien ähnlich sein dürfte, dann frage ich mich, wie man überhaupt die vermeintlichen ''Bedürfnisse'' der ''Sprechenden'' zum Mittelpunkt einer Reform machen kann.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 05.12.2010 um 15.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17440

Zweifellos wird mehr gelesen als geschrieben, aber es ist doch eher untypisch, daß ein Mensch mehr liest als spricht, selbst in einer hochgradig verschriftlichten Kultur wie der unseren. Im übrigen liest und hört man ständig Nachrichten im Konjunktiv I und verwendet ihn mündlich doch fast nie – mit der Interaktion ist es da nicht so weit her.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.12.2010 um 15.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17441

Als einprägsamen Merkspruch für den Elementarschulunterricht schlage ich vor:

Ein Quentchen ist ein Viertelchen eines Lötchens.

Einige Fundstellen zu Quäntchen:

"Sammlung von Sinngedichten ...", 1785

"Taschenbuch für die Vaterländische Geschichte", 1835

"Herders sämmtliche Werke", 1889

Soviel zu der Behauptung, Quäntchen lasse sich nur vom quantenphysikalischen Begriff Quant ableiten.

Ein Beispiel für Quäntchen im physikalischen Sinn:

"... Murray Gell-Mann als erster wies nach, daß Protonen und Neutronen, die man aufeinander prallen ließ, wiederum aus noch kleineren Quäntchen bestanden, die er als Quarks bezeichnete."

Aus "Götter, Dichter und Atome – Die Anfänge des griechischen Denkens", Horst Althaus, 1990. (zugegeben: kein Lehrbuch der Quantentheorie)

Soviel zu der Behauptung, das unermeßlich Kleine lasse sich nicht weiter verkleinern.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 05.12.2010 um 15.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17442

Die Geschichte eines Wortes ist für seine Bedeutung allenfalls für denjenigen von Belang, der diese Geschichte kennt. Wörter haben die Bedeutung, die ihnen beigemessen wird. Trotzdem steht diese nicht im Belieben der Sprachteilnehmer, und vor allem ist sie nicht unabhängig von der Schreibung. Dafür ist behende ein gutes Beispiel; das Wort ist durch seine "Augstung" (Christoph Schatte) unbrauchbar geworden. Wo seine Verwendung nicht tautologisch ist, führt sie zu einem Bildbruch. Lustigerweise hat übrigens der Erfinder selbst den Nachweis geführt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.12.2010 um 16.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17443

Ich habe nicht ausdrücklich behauptet, daß Sie Schüler haben, Herr Hamberger. Diese Mutmaßung lag nur nahe. Genauso lag es nahe zu vermuten, daß Sie einen Dienstherrn haben, so wie Sie die sogenannte Amtlichkeit der Reformschreibung hervorkehren und mit der Situation der Schüler argumentieren. Die Amtlichkeit hat schließlich niemanden zu kümmern, für den sie nicht gilt.

Ihnen ist also die amtliche Rechtschreibung weitgehend egal. Dann gibt es eigentlich nichts mehr zu sagen, oder? Die Argumente in der Sache wurden nach meinem Eindruck erschöpfend ausgetauscht.

Ich fasse zusammen: Die Schreibung 'Quäntchen hat für den Leser Nachteile, jedenfalls bisweilen, abhängig vom Kontext. Nicht nur Schüler, sondern wir alle haben uns an diese suboptimale Schreibweise schon ein bißchen gewöhnt. Ob es künftig eine vollständige Gewöhnung geben kann, so daß beim Leser keine irritierenden Assoziationen mehr auftauchen, ist noch unklar. Die Schreibung Quentchen wurde noch nicht ausgerottet. Ob sie irgendwann "amtlich" wieder anerkannt wird und wie dann die Entwicklung verläuft, wissen wir nicht.

Amtlichkeit ist bei weitem nicht alles, ein Stück Gewöhnung auch nicht. Den Fall kann man entspannt sehen oder als ärgerlich einstufen. Oder beides. Ich meine, man kann das Ärgerliche sehen, man kann daher auch die Wiederanerkennung von Quentchen für geboten halten und trotzdem entspannt bleiben.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 05.12.2010 um 16.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17444

Na sehen Sie, Herr Wrase, da sind wir uns ja endlich mal einig. Das ist eine Zusammenfassung, der ich mich anschließen kann.

(Einzig das Amtliche hab ich nie "hervorgekehrt", und dass die sogenannte Amtlichkeit der Schreibung niemanden zu kümmern habe, für den sie nicht gilt, führt den allergrößten Teil der Beiträge hier auf der Webseite ad absurdum – ja, es zieht dem ganzen Projekt der Reformgegnerschaft den Pfropfen raus.)
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 05.12.2010 um 16.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17445

Man könnte die Situation auch so zusammenfassen:

Fast niemand weiß, woher das Wort Quäntchen stammt. Das ist aber nicht schlimm, denn wir benutzen ständig Wörter, die wir nicht durchschauen, ohne dass daraus hermeneutische oder orthografische Probleme entstehen müssen. Folglich besteht kein Handlungsbedarf, zumal das betroffene Wort ohnehin selten ist und eine Änderung seiner Schreibung keine nennenswerte Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung bewirken kann.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 05.12.2010 um 17.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17446

Gibt es wohl einen besonderen Grund, warum Sie den Beitrag von Herrn Markner (1373#17401) wiederholen? Außer der Anpassung an die angeblich amtliche Rechtschreibung haben Sie nicht viel geändert.

Zumal man tatsächlich noch weiß, woher das Wort "Quäntchen" stammt. Es ist eine Erfindung von Gerhard Augst, der, wie Kratzbaum (siehe hier) schon festgestellt hat, auch gleich die angebliche Etymologie seiner Erfindung mitlieferte.

Die Belege von Herrn Achenbach (1373#17441) stammen aus Zeiten, in denen die Rechtschreibung von diversen Wörtern noch im Fluß war (wir hatten hier schon "Meißen" vs. "Meissen", "Goethe" vs. "Göthe" oder die erwähnten "Sämmtliche[n] Werke" von Herder, die 1877 zu erscheinen begannen). Und die anderen Belege bezogen sich auf die Diminutivform von Quant.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 05.12.2010 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17447

Ich lese verblüfft, daß es möglich sei, Projekten den Pfropfen rauszuziehen. Wo es schon ums Entkorken geht: wer täglich ein sattes Quantum an Weinchen schätzt, mag gern von seinem Quäntchen reden, aber nicht von seinem Quentchen. Auch wenn "der Sprechende" den Bedeutungsunterschied nicht zu artikulieren vermag – die Orthographie kann ihn gottseidank noch aufzeigen, wenn man es will. Quäntchen und Quentchen sind trotz unbekümmerter Schulhöfe noch nicht dasselbe.

Daß fast niemand mehr wisse, woher das Wort "Quäntchen" stammt, ist falsch. Die Reformer haben ihm zu beträchtlicher Popularität verholfen: "In der reformierten Rechtschreibung wird das Wort – etymologisch falsch – von Quantum abgeleitet …" (Wikipedia).
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 05.12.2010 um 20.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17449

Lieber Herr Höher,

noch einige ausgewählte Beispiele zu Quäntchen aus dem 20. Jahrhundert:

Hedwig Conrad-Martius, Schriften zur Philosophie, Band 3, 1963:
„Diese falsche Theorie enthält eben dennoch ihr Quantum oder Quäntchen Wahrheit“

Helmut Thielicke, Theologische Ethik Teil 1, 1986:
„Es gehört nur ein Quäntchen Lebenserfahrung dazu, um zu wissen ...“

Fritz von Unruh, Opfergang, 1919:
„Allen Ernstes, ich möchte behaupten, es wäre vernünftiger gehandelt, wenn Du das Quäntchen Verstand nicht zu früh wieder aufgedeckt hättest.“

William Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien, 1901:
„... und wenn wir ein Quäntchen des Wunderbaren abdingen, ...“

Das Reich, 30.01.1944:
„Ist es nicht immer erst das letzte Quäntchen, das die Waagschale zum Höherschlagen bringt ...?“

Erwin Strittmatter, Der Laden, 1983:
„Bißchen Quark, etwas Speck, überhaupt Quäntchen Zehrung“

Außerdem noch acht Fundstellen zu Quäntchen in der "überredigierten" ZEIT im Zeitraum von 1954 bis 1992.

War auch das 20. Jahrhundert eine Zeit, in der "die Rechtschreibung von diversen Wörtern noch im Fluß war"? Es war jedenfalls wohl schon eine Zeit, in der die Kenntnis der Maßeinheit Quent nicht mehr allgemein verbreitet war.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 05.12.2010 um 20.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17452

Ich lese verblüfft, daß es überhaupt so etwas wie ein "Projekt der Reformgegnerschaft" geben soll. Die "Projektemacher", jedenfalls im Sinne von Jonathan Swift, sind die anderen.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 05.12.2010 um 22.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17454

H. Hamberger (#17396, zu #17393): »Ja, das ist mir allerdings bekannt. Und nicht zu vergessen das unmöglich reformierte Wort "Kolofonium"! Das alles hat aber mit meinem Beitrag vom 1.12. gar nichts zu tun, insofern ist – wenn ich mich mal Ihres Duktus bedienen darf – das Wort "allerdings" in Ihrem Beitrag zu beanstanden.«

Doch, hat es: Ihr ursprünglicher Vorschlag (Beitrag vom 1. 12., #17380) lautete, „Quent“ mit ä schreiben, da es sich doch von „Quantum“ ableite. Das ist gerade das „Argumentationsmuster“ der Reformer zur Einführung von „verbläuen“ und „belämmert“: Änderung der Schreibung auf der Grundlage einer kontrafaktisch unterstellten Etymologie.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 05.12.2010 um 23.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17455

Lieber Herr Achenbach,
Sie erinnern daran, daß die Etymologie nicht das bestimmende Prinzip der Rechtschreibung ist. Das war in dieser Diskussion wohl wichtig. Daß sie aber dafür "völlig irrelevant" sei, Herr Markner hat schon dagegen argumentiert, geht auch mir zu weit und widerspricht m. E. sogar Ihrer eigenen Meinung. Denn was ist das Stammprinzip im Grunde anderes als Etymologie?
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 05.12.2010 um 23.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17456

H. Hamberger (#17399, zu #17393): »Aber was hat es mit der verdunkelten Beziehung zum Grundwort auf sich, von der Sie schreiben? Weshalb ist sie bloß bei "behende" ein Argument für eine nicht-etymologische Schreibweise?«

Ich habe gar kein Argument für oder gegen irgend etwas vorgebracht, sondern lediglich beschrieben, was die Reformer getan haben.

In der herkömmlichen Schreibung erübrigt sich die Frage nach Argumenten für oder gegen die Schreibung behende, weil sich einem die Bedeutung dieses Wortes, wenn man es kennenlernt, auch ohne Kenntnis der etymologischen Zusammenhänge erschließt. (Bis zur Reform habe ich dieses Wort ganz selbstverständlich benutzt, dabei aber nie an „Hand“ gedacht.) Gleiches gilt für Quentchen, bei dem vollkommen irrelevant ist, daß man es für eine Ableitung von etwas anderem halten kann – weil es eine kleine Menge bezeichnet, paßt es einfach, daß es eine Verkleinerungsform enthält. Außerdem gibt es ja auch das Wort Mädchen – fragt jemand, der es benutzt, etwa danach, wovon das abgeleitet sein mag?

Argumente für oder gegen eine bestimmte Schreibung werden dagegen zur Begründung der Reform benötigt. Bevor aber solche konkreten Argument zum Zuge kommen dürfen, muß dargelegt werden, warum eine Änderung der Schreibung alternativlos ist. Die von den Reformern vorgebrachten Argumente wurden von Heide Kuhlmann in ihrer Magisterarbeit „Orthographie und Politik“ gründlich untersucht und als nicht stichhaltig befunden (siehe im Web-Archiv bzw. einzelne Dateien unter www.heide-kuhlmann.de/resources/htm/portfolio/ma/).
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 05.12.2010 um 23.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17457

Als Kind schrieb ich Umfall, weil ich dachte, es wäre damit das Umfallen einer Person gemeint, zum Beispiel nachdem sie von einem Auto angefahren worden ist. Ich hätte das bei einer Befragung auf dem Pausenhof auch zu Protokoll gegeben. Irgendwann haben mich meine Eltern (oder sollte ich allen Ernstes, etymologisch »korrekt«, Ältern schreiben, wie Adelung es noch getan hat?) darauf aufmerksam gemacht, daß meine Vermutung falsch ist und daß es Unfall heißt. Damit war die Sache erledigt.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.12.2010 um 09.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17458

... dass die sogenannte Amtlichkeit der Schreibung niemanden zu kümmern habe, für den sie nicht gilt, führt den allergrößten Teil der Beiträge hier auf der Webseite ad absurdum – ja, es zieht dem ganzen Projekt der Reformgegnerschaft den Pfropfen raus.

Manche Ihrer Beiträge, Herr Hamburger, haben durchaus eine gewisse argumentative Qualität. Aber hier haben Sie uns einen erstaunlichen Limbo präsentiert. Preisfrage: Wer bietet ein noch niedrigeres Niveau?

Die sogenannte Amtlichkeit, die bekanntlich nur in Schulen und weniger verbindlich in der Behördenwelt gilt, führt dazu, daß es verschiedenste Gruppen gibt. Solche, die sich nach der Neuregelung aufgrund ihrer Amtlichkeit richten müssen; darunter auch viele gegen ihren Willen. So etwas nennt man Zwang. Dann solche, die die Neuregelung auf Anweisung ihres Unternehmens anwenden müssen; darunter auch viele gegen ihre persönliche Einstellung. Dann solche, die sich nach der Neuregelung richten, obwohl sie es nicht müßten, wobei viele aufgrund von Propaganda und allgemeiner Verwirrung glauben, sie müßten es; darunter natürlich wiederum viele gegen ihre persönliche Einstellung. Dann solche, und das sind sehr viele, die sich bewußt nicht nach der Neuregelung richten. Und schließlich gibt es Mischungen dieser Gruppen insofern, als die allermeisten die Neuregelung nur zum Teil befolgen, teils aus Unkenntnis und Überforderung, teils aus Protest, teils weil ihnen das meiste herzlich egal ist.

Insgesamt führt das zu einem maximalen Durcheinander zwischen herkömmlichen und reformierten sowie vermeintlich reformierten, in jeder Hinsicht falschen Schreibungen. Genau das hatten wir Reformgegner immer vorhergesagt. Es ist und bleibt eines der Hauptargumente gegen diese unglaublich dumme, destruktive Reform, und nicht einmal die Kultusminister reden noch davon, daß ihnen etwas Gutes gelungen sei. Die Reform ist bekanntlich schon mehrfach revidiert worden, und es wird mit diesem Hin und Her weitergehen. Schon längst blickt kaum noch irgendwer durch. Auf der ganzen Linie Verunsicherung und Lächerlichkeit. Seit vielen Jahren.

Einerseits ist die sogenannte Amtlichkeit deshalb nachteilig, weil sie eben nur einen Teil der Bevölkerung betrifft; sie sorgt also für Durcheinander anstatt für Konsens, wie oben dargestellt. Andererseits ist sie nachteilig, weil sie das größte Hindernis auf dem Weg zu einem neuen Konsens ist. Folglich ist es gerade die sogenannte Amtlichkeit, gegen die sich jeder Freund der Schriftkultur aussprechen muß.

Wäre die Amtlichkeit abgeschafft, dann hätten wir in überschaubarer Zeit einen Konsens, welche Schreibungen die Mehrheit bevorzugt, sprich wir hätten wieder eine verläßliche Grundlage für Rechtschreibung. Sogar bei Quentchen. Dann erst erübrigen sich solche Erörterungen in diesem Forum und anderswo.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2010 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17459

Wir sollten einiges auseinanderhalten.
1. Der herrschende Schreibbrauch ist das Entscheidende. Dieser Grundsatz Adelungs u. a. ist eigentlich nicht strittig.
2. Wer ändern will, ist begründungspflichtig, nicht derjenige, der den Brauch beibehalten will. Das hat besonders Wolfgang Kopke gut gesagt und in den allgemeinen juristischen Kontext gestellt.
3. Vereinfachung, höhere Lernbarkeit ist ein ernstzunehmendes Argument für eine Reform. (So wurden z. B. die Schriftreformen in China begründet, und dagegen ist auch außerhalb Chinas nicht viel Triftiges vorgebracht worden, obwohl der Traditionsbruch erheblich war.)
4. Etymologie ist keine gute Begründung, wenn sie über die bereits herrschende Stammschreibung hinausgeht. Jacob Grimm wollte in diesem Sinn ändern und ist damit gescheitert. Das ist unabhängig von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Etymologien gültig. Andererseits ist gegen eine strikt phonographische Schreibung entschieden worden, die heute auch keinerlei Erfolgsaussichten hätte, obwohl sie als Projekt durchaus diskussionswürdig ist.
5. Selbst ein Entgegenkommen, wo beharrlich gegen den alten Duden verstoßen wurde, sollte nicht zu einer neuen Festlegung führen, gegen die dann die andere Hälfte des Schreibvolks wieder verstößt. Augst hat zwar nur ein Dutzend Wörter in diesem Sinne verändert, aber bis auf aufwändig, Schänke, Ständelwurz alle obligatorisch auf die Neuschreibung festgelegt. (Wahrscheinlich hat er sich gedacht, daß ohne den neuen Zwang seine Erfindungen keine Chance haben würden.)
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 06.12.2010 um 12.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17461

Lieber Herr Ickler,

das finde ich sehr überzeugend.

Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass, nachdem die Schreibung mit ä seit mehr als 14 Jahren amtlich ist (vgl. auch http://snipurl.com/markner letzter Satz) und die meisten Schreibenden sich daran gewöhnt haben dürften, diejenigen begründungspflichtig sind, die diese Schreibung nun wieder ändern wollen.

–––

Lieber Herr Wrage,

mag sein, dass ich Ihre Gedanken zur Amtlichkeit missverstehe. Aber mir scheint es, als wären alle Ihre Ausführungen ein Argument dagegen, dass ebendiese Amtlichkeit Leuten egal sein sollte, die von ihr nicht betroffen sind – und kein Argument dafür.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2010 um 12.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17462

Mit dem Trick, das Verordnete für das Übliche zu erklären, haben die Reformer gearbeitet. Darauf möchte ich nicht weiter eingehen. Sonst könnten wir gleich sagen: Die Sache ist gelaufen, die Akten sind geschlossen. Weil wir das nicht sagen, gibt es dieses Forum.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 06.12.2010 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17463

Gut möglich. Bei mir ist es aber kein Trick, denn ich habe gar kein persönliches Interesse daran, dass die amtliche Rechtschreibung Quentchen mit ä schreiben soll.

Tatsache ist doch, dass Millionen von Schülerinnen und Schülern nun einmal dieses ä gelernt haben, noch lernen und auch bis zu einer möglichen weiteren Reform noch lernen werden. Für die ist das Quäntchen das Übliche.

Aus meiner Sicht dürfte ein Argument nicht die Form haben: X hat ähnlich formuliert, deshalb gilt A nicht. Sondern es müsste zum Beispiel diese Form haben: A gilt nicht, weil seine Prämisse P1 unwahr ist.

Man könnte zum Beispiel sagen: Den meisten Schülerinnen und Schülern ist in ihrer Schulzeit das Wort Quäntchen gar nicht begegnet. Oder: Die meisten Schülerinnen und Schüler werden aus Büchern das Wort noch in der alten Rechtschreibung kennen und beide Formen als üblich empfinden.
 
 

Kommentar von Heinz Erich Stiene, verfaßt am 06.12.2010 um 13.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17464

Ja, und die Hambergerinnen und Hamberger. Das duftet doch sehr nach Ergebenheit.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.12.2010 um 13.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17465

A gilt nicht, weil seine Prämisse P1 unwahr ist.

Wenn die Prämisse unwahr ist, kann man nichts über den Wahrheitswert der Schlußfolgerung wissen, d.h. die obige "Form" funktioniert nicht.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 06.12.2010 um 13.22 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17466

A ist das Argument, nicht die Schlussfolgerung.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 06.12.2010 um 14.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17467

Lieber Herr Hamberger,

Sie postulieren:
"Tatsache ist doch, dass Millionen von Schülerinnen und Schülern nun einmal dieses ä gelernt haben, noch lernen und auch bis zu einer möglichen weiteren Reform noch lernen werden."

Treten Sie doch bitte den Beweis an, daß dies tatsächlich der Fall ist. Falls Ihnen der Beweis gelingt, erklären Sie uns doch bitte, wie es dazu kommen konnte, daß ein derart seltenes Wort zu einem vorwiegenden Lehrgegenstand werden konnte.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 06.12.2010 um 14.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17468

Hartmut von Hentig hat – in einem Versuch, irgend etwas Brauchbares an der Reform zu entdecken – einmal geschrieben, er finde, „wir“ sollten bei behende an „Hand“ denken. Die (etymologisch) richtige Spur ist in diesem Fall jedoch genau die falsche. Beim Quentchen verhält es sich einigermaßen umgekehrt. Die mit dem Augst-ä gelegte falsche Spur führt meistens trotzdem in die richtige Richtung (kleine Menge). Dadurch wird das Quäntchen aber nicht hinnehmbarer; es folgt demselben Muster. „Wir“ sollen beim Quentchen an „Quantum“ denken (ebenso wie beim Stengel an „Stange“ oder bei schneuzen an "Schnauze"). Das eigentlich Ärgerliche ist nicht die – unterschiedliche – Güte der Begründungen, sondern der Eingriff in die Bilderwelt überhaupt und die damit einhergehende pädagogische Anmaßung.

An dieser Stelle ist ein Gespräch nicht mehr möglich. Wer die Anmaßung wahrnimmt, kann nicht Reformbefürworter sein, und wer sie nicht wahrnimmt, kann sich über die Hartnäckigkeit der Gegner nur wundern. Um so erstaunlicher, wenn er dann doch das Gespräch sucht. Was treibt Sie um, Herr Hamberger? Sind Sie insgeheim ein Reformgegner, der hier den Advocatus diaboli gibt, um seine Argumente zu schärfen? Aber dafür argumentieren Sie zu rabulistisch. Oder hegen Sie die Hoffnung, irgend jemanden zu Ihrer Sicht der Dinge überreden zu können, weil Sie sich danach besser fühlen würden? – Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das geht jetzt nicht ad hominem. Es interessiert mich wirklich.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.12.2010 um 14.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17469

Lieber Herr Riemer,

eigentlich hat Prof. Ickler zur Etymologie hier ja schon alles Wesentliche gesagt.

Ein paar kleinere Punkte will ich aber noch ansprechen:

Zunächst sollte man sorgfältig historische Etymologie und Volksetymologie auseinandehalten. Augst hat ausdrücklich volksetymologisch argumentiert. Man mag davon halten, was man will, man mag Augst vieles vorwerfen, man kann ihm aber schwerlich unterstellen, er kenne nicht den Unterschied zwischen historischer Etymologie und Volksetymologie.

Deshalb halte ich den Vorwurf von Herrn Wagner an die Reformer, die "Änderung der Schreibung auf der Grundlage einer kontrafaktisch unterstellten Etymologie" zu begründen für unzutreffend.

Herr Markner verweist auf Thron als historisch-etymologisch begründete Schreibweise. Ich habe aber Zweifel, ob diese Entscheidung der 2. Orthographischen Konferenz wirklich völlig aufgeklärt ist. Richtig ist, daß man entschieden hat, das th in deutschen Wörtern fallenzulassen, in Fremdwörtern dagegen, wo etymologisch angemessen, beizubehalten. Die Beibehaltung der Schreibung Thron wird, da das Wort griechischer Herkunft sei, darauf zurückgeführt. Eine ausdrückliche Behandlung dieser Schreibung habe ich in den Protokollen der Konferenz allerdings nicht gefunden. Nun kann man sich fragen, ob es gerechtfertigt sei, das alte Lehnwort Thron wie ein Fremdwort zu behandeln, etwa wie Orthographie. In sehr frühem Deutsch wurde es noch tron geschrieben. Die Möglichkeit, daß bei dieser Entscheidung auch andere Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben könnten, scheint mir deshalb nicht völlig ausgeräumt. Aber vielleicht kann mich Herr Markner eines besseren belehren.

Herr Markner spricht ferner davon, daß "es offensichtlich unsinnig und potentiell irreführend ist, falsche etymologische Fährten zu legen". Das Beispiel behände zeigt aber, daß es auch unsinnig und potentiell irreführend sein kann, richtige etymologische Fährten zu legen. Was an Quäntchen so gefährlich und potentiell irreführend sein soll, erschließt sich mir nicht. Abgesehen von der sicherlich nicht gerade besonders dringlichen Änderung des etablierten Schreibgebrauchs, sehe ich gegen Quäntchen allein das Argument, man müsse dabei zwanghaft an das pysikalische Quant denken. Ich denke allerdings nicht daran, und ich bezweifle, daß die Autoren, die noch im 20. Jahrhundert Quäntchen geschrieben haben, daran gedacht hätten. Unverzeihlich ist aber, daß die Reformer diese Schreibung als einzig zulässige eingeführt haben. Da stimme ich Prof. Ickler völlig zu. Wäre Quäntchen als zusätzliche Variante erlaubt worden, hätte man sich ja beruhigt zurücklehnen und abwarten können, welche Schreibung sich durchsetzt.

Schließlich finde ich es etwas befremdlich, wie hier auf Herrn Hamberger eingedroschen wird. Diese fast schon Ketzerverfolgung macht auf mich den deutlichen Eindruck des Sektiererischen, etwas was wir aus diesem Forum doch besser heraushalten sollten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.12.2010 um 15.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17470

Auch ich finde die Behauptung, daß Millionen Schüler Quäntchen gelernt hätten, abwegig, und das ist keine Nebensache. Denn der Haupteinwand gegen Augst ist ja die Entlegenheit und damit Irrelevanz der meisten geänderten Wörter. Am ursprünglichen amtlichen Wörterverzeichnis habe ich damals schon gezeigt, daß manche Wörter geradezu postum geändert wurden, und sie wurden dann wieder in die Rechtschreibwörterbücher aufgenommen, aus denen man sie schon gestrichen hatte.

Das Verfehlte der Augstschen Volksetymologie ist nicht diese selbst – als anerkanntes Phänomen –, sondern der Versuch, ein Wörterbuch (und nebenbei eine Schreibweise) auf der Grundlage der gemutmaßten "synchronen etymologischen Kompetenz" zu schaffen. Ich habe schon erzählt, wie wir uns Anfang der achtziger Jahre in München über einen Vortrag Augsts gewundert und auch amüsiert hatten. Es war ja klar genug, daß das nicht funktionieren würde. In meiner Besprechung seines Wortfamilienwörterbuchs (Kurzfassung hier) konnte ich dann leicht nachweisen, wie sehr es nicht funktionierte.
Wer sich mit diesem Wörterbuch beschäftigt, kann nur noch den Kopf schütteln. Vielleicht versteht mancher nun meine Ungeduld mit einigen Einlassungen hier.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.12.2010 um 15.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17471

Daß die Schreibung Quäntchen »gefährlich« sei, hat hier niemand behauptet, es reicht ja auch festzustellen, daß sie unsinnig und irreführend ist. Daraus, daß Quäntchen eine unsinnige und irreführende Schreibung ist, folgt im übrigen nicht, daß behände oder Schänke oder Gämse gleichermaßen unsinnig und irreführend sind. Man muß die Wörter schon einzeln betrachten, auch wenn sie eine Gruppe unter den reformierten Schreibungen bilden.

In den Protokollen der Orthographischen Konferenz ist nicht von einer Intervention des Kaisers betreffend die Schreibweise von Thron die Rede. Eben! Das ist der beste Beleg dafür, daß auf seine Empfindlichkeiten nicht, wie häufig behauptet wurde, in diesem Punkt Rücksicht genommen wurde. Schließlich kann man nicht erwarten, daß die Protokolle ausdrücklich vermerken, daß der Kaiser nicht darum bat, an der Schreibung Thron nichts zu ändern.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.12.2010 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17472

Lieber Herr Markner,

Sie haben vollkommen recht. Das Wort "gefährlich" ist mir versehentlich reingerutscht.

Sie haben natürlich auch recht, daß man jeden Fall einzeln behandeln muß.

Was an der Schreibung Quäntchen in diesem Einzelfall aber so "unsinnig und irreführend" sein soll, sehe ich immer noch nicht ein. Helmut Thielicke und Fritz von Unruh (oder ihre Lektoren) scheinen es auch nicht so empfunden zu haben.

Ich sehe es nicht als eine Aufgabe der Rechtschreibung an, "etymologische Fährten" zu legen, ob nun "falsche" oder "richtige".
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 06.12.2010 um 16.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17473

Faktisch legt die Rechtschreibung aber immer etymologische Fährten, manchmal falsche, manchmal richtige, das kann man gar nicht verhindern. Man kann sich nur nicht darauf verlassen. Aber so ganz schlecht wäre es schon nicht, wenn die Fährten wenigstens so weit als möglich richtig wären. Deshalb hat die Etymologie auch eine gewisse Berechtigung in der Rechtschreibung. Sie steckt sowieso drin. Sie muß ja nicht das zuerst bestimmende Prinzip sein.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.12.2010 um 16.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17474

Wer bitte ist Helmut Thielicke? (Herder hat in der Regel Quentchen geschrieben übrigens.)

Es mag nicht die ausdrückliche Aufgabe der Rechtschreibung sein, etymologische Fährten zu legen, aber eine nicht bloß phonetische Orthographie tut dies nun einmal (wie Herr Riemer gerade auch feststellt). Und wer folgt schon gern Holzwegen? Vielleicht die Heideggerleser?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 06.12.2010 um 17.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17475

Ich hatte ja schon zusammenfassend die vorsichtige Bewertung vorgeschlagen, die Schreibung Quäntchen habe "bisweilen" Nachteile für den Leser, abhängig vom Kontext. Natürlich auch abhängig von der Leseerfahrung und der Bildung des Lesers. Wenn der Leser sich für Quantenphysik interessiert oder sogar beruflich damit zu tun hat, kann ihn schon mal das reformierte Quäntchen zu einer gedanklichen Ehrenrunde zwingen, also zu einem Leseunfall, wie ihn gute Rechtschreibung in aller Regel zu verhindern weiß. Alternativ könnte ich auch wieder sagen, Quentchen sei "etwas besser" oder "geringfügig besser" als Quäntchen. Der Qualitätsunterschied ist nicht weltbewegend, aber es gibt ihn. Herr Markner spricht dies klar aus und hat recht damit.

Rechtschreibung bedeutet, daß sich die Mehrheit, in der Regel eine sehr breite Mehrheit, über bestimmte Schreibungen einig geworden ist. Natürlich gibt es immer Ausreißer. Helmut Thielicke war nicht als Beherrscher der Rechtschreibung bekannt, sondern als Theologe. Er kannte vielleicht jedes Jota in der Bibel, aber nicht jeden Buchstaben im Duden.

Wir haben hier genug Argumente gegen Quäntchen zusammengetragen. Wenn nun Herr Achenbach irgendeinen x-beliebigen Beleg für diese Schreibung beibringt und als Rechtfertigung verwenden will, finde ich das schwach, denn es bedeutet, daß erstens das Prinzip der Rechtschreibung (Mehrheit) und zweitens die bisherigen Beiträge zum Thema als belanglos hingestellt werden.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 06.12.2010 um 18.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17477

Was spricht dagegen, Quäntchen und Quentchen je nach Bedeutung zu handhaben? Warum den Bedeutungsunterschied leugnen wie die Reformer? Die Erfindung des unbedarften Augstschen Laien soll vermutlich dem Zweck so vieler wohlmeinender (namentlich schulreformerischer) Bemühungen dienen, Schwachbegabten oder sonstwie Benachteiligten das Leben mittels Vereinfachung der Welt zu erleichtern. Daß die Welt da mitmacht, ist aber unwahrscheinlich. Sie wird sich nicht mal von Niedlichkeiten trennen wie dem Elefäntchen in der Sendung mit der Maus. Wenn es dem Schreiber beliebt, steht ihm ein ironisches Zitätchen ebenso zu Gebote wie ein Deodoräntchen, Gigäntchen oder Quäntchen, und wenn ein schmaler Grat zum Grätchen wird, ist das kein Grund, auch Gretchen mit ä zu schreiben – im Gegenteil.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 06.12.2010 um 19.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17478

Mal ganz dumm gefragt: Was ist eine Volksetymologie anderes als eine kontrafaktisch unterstellte?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 06.12.2010 um 20.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17479

Augst ging es im Prinzip um sychrone Zuordnungen, nicht um diachrone Ableitungen. Wobei die Unterscheidung nicht streng durchzuhalten ist, wie das Beispiel Quäntchen gerade zeigt, denn ein Diminutiv setzt ja das Grundwort voraus, so daß aus dem Das-gehört-zu-dem unweigerlich wieder ein Das-kommt-von-dem wird.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 06.12.2010 um 22.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17480

Lieber Herr Wrase,

ich räume gerne ein, daß die Schreibung Quäntchen in bestimmten, aber seltenen Zusammenhängen "bisweilen" Nachteile für den Leser haben mag. Ich persönlich empfinde diese Nachteile nicht sehr deutlich, obwohl oder weil ich mal Quantenphysik studiert habe.

Würden Sie mir auch einräumen, daß die Schreibung Quentchen "bisweilen" Nachteile für den Schreiber haben mag, der etwas darüber stutzt, daß er eine Verkleinerungsform eines ihm unbekannten Worts bilden soll?

Wäre das vielleicht die Grundlage für eine Einigung?

Ohne eine alte Diskussion aufwärmen zu wollen, will ich doch sagen, daß ich als Leser über Schreibungen wie fertig stellen noch viel stärker stolpere - egal in welchem Zusammenhang.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 06.12.2010 um 23.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17481

Lieber Herr Achenbach, ich will den Einigungsversuch ja wirklich nicht torpedieren, aber Nachteile für den Schreiber, weil er zufällig nicht weiß, wo er Quentchen etymologisch hinstecken muß? Hätte je ein Schreiber Schwierigkeiten gehabt, weil er nicht wußte, woher Flittchen, Kittchen, Maskottchen, Schlafittchen und Schneewittchen (warum nicht Schneewitchen?) kommen? Hand aufs Herz: Denken Sie, wenn Sie Brötchen schreiben, an kleine Brote oder einfach nur an Brötchen?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.12.2010 um 00.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17482

Lieber Herr Metz,
Sie haben mir gerade die meisten weggeschnappt, ich hatte noch Veilchen, Kaninchen, Frettchen, Donnerlüttchen.

Früher (vor der Reform) habe ich mir kaum Gedanken darüber gemacht, woher eine Verkleinerungsform kommt. Deshalb habe ich mich damals auch nie über Quentchen gewundert.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 01.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17483

Lieber Herr Metz,

ich schätze Ihre Beiträge sehr hoch. Hier kann ich Ihnen aber nicht folgen.

Natürlich denke ich bei Brötchen an ein kleines Brot, denn Brötchen ist nun mal die Verkleinerungsform von Brot mit einem ganz regelmäßigen Ablaut.

Auf die Idee Schneewitchen zu schreiben käme ich natürlich auch nicht, denn die Konsonantenverdopplung nach kurzer betonter Silbe liegt mir seit der Volksschule im Blut.

Dagegen weiß ich nicht unbedingt, wann ich für den kurzen e-Laut ein e oder ein ä schreiben soll. Sollte ich etwa einen Zweifel an der Schreibung Mätzchen haben, würde ich mir überlegen, ob es ein Wort oder einen Stamm Matz(e), Metze(e) oder Mätz(e) gibt. Da ich zu keinem Ergebnis komme, schaue ich im Wörterbuch nach.

Hätte ich nie das Wort Quentchen gesehen (ich weiß gar nicht, ob ich es früher jemals geschrieben habe), würde ich mich auch fragen, ob es ein Wort oder einen Stamm Quent(e), Quant(e) oder Quänt(e) gibt. Quent(e) würde ich zunächst ausschließen, da ich es nie gehört oder gesehen habe, ebenso Quänt(e). Den Gedanken an Quanten (Füße) würde ich sofort verwerfen, da ich keinen Zusammenhang mit der Bedeutung von Quentchen sehe. Da fällt mir das Wort Quantum ein. Das paßt in der Bedeutung sehr gut zu Quentchen. Also würde ich Quäntchen, wiederum mit einem regelmäßigen Ablaut, schreiben - jedenfalls in einem familiär-persönliche Schreiben. Bei einem wichtigen dienstlichen oder geschäftlichen Schreiben würde ich vielleicht sicherheitshalber im Wörterbuch nachschlagen.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2010 um 02.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17484

Kein Mensch stellt sich beim Schreiben solche Fragen und kommt zu solchen Antworten. Es mag wohl sein, daß einer mal Schlawittchen schreibt, weil er an Schlawiner denkt oder an Schneewittchen, aber wenn, dann geschieht das eben weitgehend unbewußt und nicht aufgrund von Grübeleien, daß es einen Zusammenhang zwischen Schlawinern und Schlawittchen geben könnte oder ob Schlafittchen vielleicht eine Kurzform von Schlafendes Schneewittchen darstelle, wobei letzteres dann ja wieder sowohl für die Schreibung mit f als auch die mit w sprechen könnte. Von der ebenfalls denk- und begrübelbaren mit v zu schweigen.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.12.2010 um 03.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17485

Lieber Herr Achenbach,

ich will die Diskussion der Verbzusätze genausowenig aufwärmen und gestehe Ihnen auch sofort zu, daß fertig stellen den Leser mehr irritiert als Quäntchen. Das können Sie hier aber nicht als Argument verwenden, und das muß ich Ihnen schon entgegnen. In diesem Zusammenhang sind nur die Reformer hart zu kritisieren, die es im Jahr 1996 fertig brachten, bei fertig_stellen plötzlich obligatorische Getrenntschreibung zu verordnen. Beachten Sie auch bitte, daß der Eintrag im Ickler einen Bogen hat, die bessere Schreibung also beibehält, während wir uns hier über den ganz anders gearteten Fall unterhalten, daß Gerhard Augst Quäntchen alternativlos (!) der ganzen Schreibgemeinschaft anstelle des zuvor etablierten Quentchen aufnötigen will.

Bei den Verbzusätzen ging es darum, daß es nicht möglich ist, für die riesige Masse der entsprechenden Fügungen jeweils eine eindeutige Schreibung anzugeben, ohne sich der tausendfachen Willkür schuldig zu machen und sich weitere Nachteile einzuhandeln. Ich hatte Sie mehrmals aufgefordert, bei der sehr übersichtlichen Gruppe mit fertig oder bei zusammen den Gegenbeweis anzutreten, aber Sie sind ihn schuldig geblieben, was ich übrigens nicht anders erwartet hatte. Waren Sie zu faul? Waren Sie feige? Begann Sie die Einsicht zu beschleichen, daß Sie Ihre Meinung ändern müssen, sobald Sie einen Gegenentwurf ausarbeiten wollen? Haben Sie es versucht und sind im stillen Kämmerlein gescheitert, ohne es zuzugeben? Wir wissen es nicht.

Es wäre einstweilen anständig und fair von Ihnen, nicht schon wieder mit kritischem Ton die Verbzusätze im Ickler ins Spiel zu bringen, bei denen Sie bis heute keine bessere Lösung präsentiert haben. Ich hatte bereits, durchaus mit Rücksicht auf Ihre Empfindungen, Professor Ickler vorgeschlagen, einen weniger auffälligen Bogen zu wählen, sozusagen einen Gluon-Bogen, um die Tatsache abzubilden, daß die Getrenntschreibung meistens weniger gut ist als die Zusammenschreibung. Das hat im Fall von fertig stellen doch niemand bestritten! Also bitte, hören Sie auf damit – oder zeigen Sie uns, daß Sie es besser können. Im einem passenden Diskussionsstrang, wenn ich Sie darum bitten darf.

Bei Quäntchen gefällt es Ihnen, daß das Wort plötzlich einen Sinn ergibt, während Sie sich auf Quentchen keinen Reim machen konnten? Nun, dann hat Gerhard Augst einen Volltreffer bei Ihnen gelandet. Wollen Sie befriedigt werden, auch wenn Sie dabei in die Irre geführt werden? Finden Sie es richtig, daß ein Reformertrupp dieses Prinzip der gütigen Veräppelung gleich auf hundert Millionen Deutsche anwendet?

Ich möchte nicht verarscht werden, auch nicht mit wohlwollender Rücksicht auf meine vermeintliche Bedürftigkeit, und ich möchte auch nicht, daß meine Mitmenschen in dieser autoritär überbehütenden Art für dumm verkauft werden.

Meine Vorstellung wäre die demokratische Abstimmung. Zu diesem Zweck hätte Gerhard Augst sein Quäntchen als Nebenvariante anbieten und dann abwarten müssen, ob seine Mitbürger auf das Angebot abfahren. Leider hat es Gerhard Augst beliebt, uns mit Gewalt als Laien abzustempeln, anstatt seinen erwachsenen Mitmenschen mit angemessener Zurückhaltung einen Vorschlag zu unterbreiten. Das sehen Sie ja auch selbst so (#17469).

Vielleicht kommt es dazu, daß der Rechtschreibrat Quentchen an den Schulen wieder zuläßt. Dann müssen wir eben sehen, wie die Meinungsbildung aussieht, nachdem dem undemokratisch verordneten Quäntchen ein unsportlicher Vorsprung gegeben worden ist.

Übrigens: Sie finden es unangemessen, wie auf "Horst Hamberger" eingedroschen wird? Ich bleibe bei meiner Meinung, daß er uns einfach ein bißchen ärgern will, das ist doch ziemlich eindeutig. Dann kann man sich auch kameradschaftlich mit ihm balgen, meine ich. Wenn man auf einen vorlauten Anonymen mit vorzüglicher Seriosität eingeht, macht man sich auf Dauer lächerlich. Das ist ungefähr dasselbe, wie wenn man sich der Unordnungskraft Gerhard Augst und seinen Helfern freiwillig unterwirft und sich dabei vorstellt, so werde die bürgerliche Bügelfalte gerettet.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.12.2010 um 11.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17486

In Schneewittchen steckt das niederdeutsche witt für hochdeutsch weiß.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 13.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17487

Lieber Herr Wrase,

lassen Sie doch bitte Ihre persönlichen Angriffe gegen mich. Es ist ja auch widersinnig, einerseits eine demokratische Abstimmung der Schreibung von Quä/entchen vorzuschlagen und andererseits sofort alle demokratischen Prinzipien über Bord zu werfen, sobald jemand eine andere Meinung zur Schreibung dieses Worts vertritt. Als "kameradschaftliches Balgen" verstehe ich Ihre Mobbingversuche jedenfalls nicht.

Ihr Zorn über die autoritär überbehütende Art, mit der Sie sich durch die Neuschreibung von "Quentchen" konfrontiert sehen, bringt mich ins Grübeln. Heißt das, dass Sie Beamter sind und von Ihrem Dienstherrn zu dieser Schreibung gezwungen werden? Dann wären Sie, nach allem, was ich in diesem Forum gelernt habe, einer der ganz wenigen Menschen in Deutschland, der überhaupt von der Neuschreibung betroffen ist. Aber wann benutzen Sie im Dienstgebrauch denn dieses Wort?

Die Argumentation Ihrer Vorreder war ja in etwa so:

1. Die Rechtschreibreform ist nur verbindlich für Schulen und - mit Einschränkungen - Behörden.
2. In Schulen wird das Wort "Quäntchen" praktisch nicht benutzt.

Bleiben also nur Behörden, und auch die nur eingeschränkt. Dort aber dürfte das Wort "Quäntchen" wohl kaum je benutzt werden. Mit anderen Worten: Der erdrückenden Mehrheit der Schreibenden ist völlig frei darin, "Quentchen", "Quäntchen", "Kwentchn" oder sonst etwas zu schreiben. Könnte man hier nicht von einer demokratischen Entscheidung sprechen, wenn man ganz gelassen abwartet, welche Schreibung sich durchsetzt?
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 07.12.2010 um 13.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17488

Immerhin zeigt Herr Achenbach eine neue Facette des Konstrukts "unbedarfter Wörterbuchnutzer". Statt gleich nachzugucken, stellt dieser zunächst Überlegungen an, die die profunden Kenntnisse eines Volksetymologen voraussetzen.

Mir gefällt der Vorschlag von Herrn Virch sehr gut. Wer unbedingt eine Verkleinerungsform von Quantum verwenden will, kommt um "Quäntchen" oder "Quäntlein" nicht herum. Die Schreibung der Gewichtseinheit hat davon unberührt zu bleiben.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 13.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17489

Lieber Herr Markner,

man lernt nie aus. Da hätte ich doch glatt Schlawittchen geschrieben, weil ich es ja auch so ausspreche. An andere Wörter hätte ich dabei überhaupt nicht denken müssen.

Wieder ein Quentchen klüger! Oder besser um einen Quantensprung (Aha-Erlebnis) klüger?
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 07.12.2010 um 13.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17490

Lieber Herr Hamberger

darf ich daran erinnern, daß Sie derjenige waren, der die Behauptung aufgestellt hat, das Wort "Quäntchen" würde Millionen von Schülern gelehrt?
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 07.12.2010 um 14.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17491

Lieber Herr Hamberger,

wo habe ich Sie gemobbt? Ich habe einmal gesagt, daß Sie einen Limbo hingelegt haben, dann habe ich das begründet und ansonsten mehrmals meinen Eindruck mitgeteilt, daß Sie uns ärgern wollen. Ich habe nie gesagt, Sie dürften keineswegs bei Ihrer Meinung bleiben oder etwas ähnliches. "Demokratische Prinzipien über Bord werfen"? Kann ich nicht erkennen. Das könnte man vielleicht sagen, wenn man Ihre Beiträge löschen würde. Also, meckern Sie mal nicht so wehleidig, das paßt nicht zu Ihrer großen Klappe.

Lassen Sie doch Ihrerseits Ihre Heuchelei. "Bringt mich ins Grübeln", so so. Dann schalten Sie doch einfach Ihr Gehirn ein, dann werden Sie darauf kommen, was ich gemeint habe. Auf Ihre Pseudo-Argumentation gehe ich nicht ein.

Was wollen Sie hier eigentlich? Sie glauben doch nicht im Ernst, daß sich hier jemand von Ihrer Aufforderung beeindrucken läßt, man sollte sich möglichst lückenlos der Schreibung Quäntchen anschließen, weil sie bereits Millionen von Schülern beigebracht worden sei. Wenn das Ihr Ziel sein sollte, muß man bei Ihnen irgendwo einen Pfropfen rausziehen, um mal Ihr Wording zu zitieren. Soweit Sie lediglich Ihre Auffasung mitteilen wollten, ist es nicht nötig, sie vielfach zu wiederholen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2010 um 16.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17492

Volksetymologie entspringt dem Wunsch der Sprecher, sich die Wörter (wieder) durchsichtig zu machen. Das kommt schon bei Kindern sehr oft vor. Es entlastet offenbar das Gedächtnis, aber das wird nicht der Hauptgrund sein.
Die Volksetymologie steht eigentlich nicht in Konkurrenz zur wissenschaftlichen, weil das sprachgeschichtliche Bewußtsein fehlt. Man denkt sich einen Zusammenhang, aber nicht eigentlich als historische Entwicklung (das tun dann die Gelehrten). Wenn also die Leute sagen: "Macht kommt von machen", meinen sie gar keine im strikten Sinn historische Herleitung.

Wir radelten früher oft mit unserer kleinen Tochter auf dem Kindersitz nach Langensendelbach, und dort bekam sie jedesmal in einer Bäckerei ein Brötchen, das wir damals, aus München zugezogen, noch Semmel nannten (hier heißen sie Weckla). Daher verstand sie den Namen des Dorfes als "Langensemmelbach". Ich denke übrigens (um auf Herrn Achenbach zu antworten) normalerweise bei Brötchen nicht an Brot.

Über "Stehgreif" (statt unverstandenem "Stegreif") haben wir schon gesprochen. (Auch das hübsche Reclam-Bändchen von Olschansky haben wir wohl schon erwähnt.)

Das lateinische Postumus wurde bekanntlich zu posthumus umgedeutet. Aus cicer wurde bei uns die Kichererbse, in England die chickpea.

Der Name der Münchner Frauenkirche wurde von einer mir nahestehenden Person, als sie noch ein kleines Mädchen war, als Hinweis auf die Form der Turmkuppeln verstanden, die wie zwei Brüste aussehen.

Usw.

Augst scheiterte daran, daß die volksetymologischen Vorstellungen der Leute nicht systematisierbar sind. Der eine denkt sich dies, der andere das und der dritte gar nichts, weshalb er erst von Augst darauf gestoßen werden muß.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.12.2010 um 17.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17493

Sigmar Salzburg hat im Diskussionsforum an den wichtigen Grundsatz erinnert, daß bisherige Formen nicht falsch werden dürfen. Aber dazu waren die Reformer nicht bereit, weil, wie gesagt, Wahlfreiheit zwischen üblichen und reformierten Schreibweisen den Tod der Reform bedeutet hätte. Erst wenn die bessere Schreibweise mit Strafe bedroht ist, kommt die schlechtere zum Zuge. Die Zeitungen haben kräftig mitgeholfen.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 18.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17496

Lieber Herr Wrase,

ich verstehs wirklich nicht. Die Neuschreibung von Quentchen ist doch für Sie gar nicht verbindlich – und nach Ihrer eigenen Logik für praktisch niemanden in Deutschland. Wo ist denn das Problem?

Eine Aufforderung, sich irgendeiner Schreibung anzuschließen, hab ich ganz sicher nicht abgegeben. Von mir aus kann jeder Mensch das Wort Quentchen schreiben, wie er will.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17497

Lieber Herr Virch, lieber Herr Bärlein,

»Mir gefällt der Vorschlag von Herrn Virch sehr gut. Wer unbedingt eine Verkleinerungsform von Quantum verwenden will, kommt um "Quäntchen" oder "Quäntlein" nicht herum. Die Schreibung der Gewichtseinheit hat davon unberührt zu bleiben.«

Das entspricht seit 14 Jahren der Duden-Regelung.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 07.12.2010 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17498

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 06.12.2010 um 12.20 Uhr
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17461

... Und nach wie vor bin ich der Meinung, dass, nachdem die Schreibung mit ä seit mehr als 14 Jahren amtlich ist (vgl. auch http://snipurl.com/markner letzter Satz) und die meisten Schreibenden sich daran gewöhnt haben dürften, diejenigen begründungspflichtig sind, die diese Schreibung nun wieder ändern wollen...

Haben Sie jetzt Ihre Meinung geändert, Herr Hamberger, oder ist Ihnen einfach nur egal, was Sie schreiben?
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 18.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17499

Übrigens:

wenn man bei Brötchen nicht an Brot denkt, warum sollte man bei Quäntchen denn an Quant oder Quantum denken?
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 18.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17500

Nein, Herr Bärlein, ich habe meine Meinung nicht geändert. Erläutern Sie doch bitte, wie Sie darauf kommen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 07.12.2010 um 18.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17501

Ich werde einen Teufel tun und dem Troll noch mehr Futter hinstellen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 07.12.2010 um 18.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17502

Die Entlastung des Gedächtnisses war gewiß zentrale Absicht. Man könnte die "synchrone etymologische Kompetenz" ja schlicht Eselsbrücke nennen, hätte letztere nicht den Zweck, dem Esel ans Ziel zu helfen. Stattdessen wird ihm nun versichert, er sei schon da.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 07.12.2010 um 19.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17503

Ich habe die inzwischen sehr heftig gewordene Diskussion nur noch aus der Entfernung verfolgt. Dennoch fällt mir auf, daß – wie ich es eingangs nannte – nach wie vor das Totschlagargument der 14jährigen Amtlichkeit herhalten muß. Sonst werden noch die Schüler (Verzeihung, Schülerinnen und Schüler) angeführt, die angeblich keine andere Schreibweise mehr kennengelernt haben. Wenn dann mal wieder aus den Reihen dieses Forums der Hinweis kommt, daß Augst die Schreibweise "Quäntchen" der Schreibnation 1996 (eingeführt bereits 1995) gegen den herkömmlichen – und tatsächlich länger als 14 Jahre akzeptierten! – Schreibgebrauch aufgezwungen hat, kommt wieder nur die 14jährige amtliche Verbindlichkeit. Darauf folgt die aufmunternd pädagogisch verbrämte Aufforderung, man solle sich nach – wiederum – 14 Jahren gültiger Schreibweise "Quäntchen" doch mal Gedanken machen, ob es nicht auch Argumente gäbe, die für diese Schreibweise sprächen.

Höchstwahrscheinlich bin ich nur wieder mit dem Klammerbeutel gepudert worden, aber es läuft doch immer wieder auf einen seit 14 Jahren amtlich gültigen Kreislauf hinaus. Wie unergiebig und wie wenig originell!
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2010 um 19.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17504

Man sollte nicht vergessen, daß die scheinetymologischen Begründungen erst ersonnen wurden, als weitergehende Bestrebungen aufgegeben worden waren. Augst mochte nicht ganz von Eingriffen in die »Laut-Buchstaben-Beziehungen« lassen (es war ja sein Ressort) und fand dann einen neuen Dreh. Es ist alles furchtbar lächerlich.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 20.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17505

Ich danke den Herren Virch, Höher und Hamberger für ihre Beiträge, die uns, wie ich meine, einen Weg zu einem gütlichen Einvernehmen aufzeigen.

Zugegeben, ich habe etwas gestutzt, als ich die Aussage von Herrn Hamberger las: "Das entspricht seit 14 Jahren der Duden-Regelung."

Der Eintrag im Duden "Quent|chen alte Schreibung für Quäntchen" scheint dem ja eindeutig zu widersprechen. Andererseits steht im Duden auch der Eintrag "Quent, das; -[e]s, -e (altes dt. Gewicht); 5 Quent "

Wenn es nun das Wort Quent gibt, dann muß auch die Verkleinerungsform Quentchen möglich sein. Selbst der Duden kann nicht die Gesetze der deutschen Wortbildung außer Kraft setzen. Nun steht im Duden Quentchen nicht drin, aber erstens enthält der Duden natürlich nicht sämtliche Verkleinerungsformen oder sonstige Ableitungsmöglichkeiten, zweitens folgt aus der Tatsache, daß es ein Wort im Duden nicht gibt, nicht daß es das Wort nicht gäbe.

Umgekehrt folgt aus der Tatsache, daß im alten Duden nur Quentchen stand, nicht daß man von Quantum nicht die Verkleinerungsform Quäntchen hätte bilden könne.

Genauso hat ja auch Prof. Ickler immer wieder argumentiert, daß aus der Tatsache, daß im Duden radfahren steht, nicht geschlossen werden könne, daß Rad fahren verboten sei.

Eine sinngemäße Deutung des Duden ergäbe somit eine Bedeutungsunterscheidung zwischen Quentchen als Maßeinheit und Quäntchen als Bezeichnung einer kleinen Menge.

Bleibt nur noch, die Ämter und die Schulen aufzuklären…
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2010 um 20.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17506

Das ist, mit Verlaub, höherer Blödsinn (oder sehr trockene Ironie?). Quentchen ist so wenig bloß das Diminutiv von Quent wie Brötchen das von Brot. Beides sind eigenständige Wörter und können nicht einfach ad hoc noch einmal gebildet werden, als gäbe es sie nicht bereits.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 07.12.2010 um 21.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17507

Steht in Norddeutschland "Brötchenklöße" drauf?
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 21.06 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17508

Ich bin wie R. M. der Meinung, dass das Quentchen in "Es fehlte mir am Ende nur ein Quentchen Glück." ein eigenständiges Wort ist. Seine Bedeutung ist weder "kleines Quant" oder "kleines Quantum" noch "kleines Quent", natürlich ist es auch keine Gewichtseinheit, sondern bedeutet in etwa "ein winziges bisschen".

Und Urs Bärlein hat sich eigentlich gar nicht über dieses Quentchen geäußert:

Wer unbedingt eine Verkleinerungsform von Quantum verwenden will, kommt um "Quäntchen" oder "Quäntlein" nicht herum. Die Schreibung der Gewichtseinheit hat davon unberührt zu bleiben.

Die Schreibung der Gewichtseinheit ist nach wie vor "Quent", wollte man diese Gewichtseinheit verkleinern wie in "Ich hab ein paar Pfündchen zugelegt", könnte man "Quentchen" schreiben – auch nach Duden.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 07.12.2010 um 21.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17509

Wie aber soll das damit zusammenpassen, daß im ersten reformierten Wörterverzeichnis von 1996 explizit »Quäntchen*« steht, wobei der Stern anzeigt, daß es sich um eine »Änderung gegenüber der alten Schreibung« handelt? Demnach ist »Quentchen« amtlicherseit verboten – oder hat sich bei einer der amtlichen Revisionen der Amtsschreibung (2004, 2006) etwas daran verändert?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.12.2010 um 21.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17510

Nein, aber es paßt doch ohne weiteres zusammen. Es ist theoretisch möglich, ein kleines Brot Brötchen zu nennen und ein kleines Quent Quentchen, aber das ist nicht dasselbe wie die Verwendung der bereits existierenden Wörter Brötchen und Quentchen, und deren Existenz macht die Bildung der Diminutive ja auch unpraktikabel.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 21.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17511

Verboten für Quentchen im Sinne von "winziges bisschen", erlaubt für Quentchen im Sinne von "kleines Quent".
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 22.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17512

Lieber Herr Wagner,

ich hatte ja schon darauf hingewiesen, daß auch der Duden Quentchen als "alte Schreibung" aufführt.

Eigentlich paßt das ja tatsächlich nicht so recht zusammen. Ich vermute, daß Augst nur an den übertragenen Gebrauch im Sinne von kleiner Menge gedacht hat. Ich kann mir schwer vorstellen, daß er einem nur noch historischen Wort nachträglich eine neue Volksetymologie unterschieben wollte. Das widerspräche ja auch diametral seinem synchronen Ansatz.

In den Amtlichen Regeln steht ja auch nicht das Wort Quent, woraus man aber nicht schließen kann, daß die Reformer es abgeschafft hätten.

Bei wohlwollender Interpretation der Amtlichen Regeln hätte man also sagen können, daß Quentchen als Bezeichnung einer historischen Maßeinheit auch durch die Reform nicht abgeschafft ist. Schade, daß der Duden dazu nicht Manns genug ist, sondern am Buchstaben des Gesetzes klebt.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 22.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17513

Am Rande und zur Auflockerung:

Das Wort Quentchen ist ja eigentlich ein Pleonasmus. Im DWB stoße ich nun auf ein Zitat von Herder mit einem doppelten Pleonasmus:

ein nestchen ist das leben in der schöpfung,
und ach, wie noch ein kleines quentchen ist
verstand und herz auf unsrer erde!

 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 07.12.2010 um 23.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17514

Lieber Herr Markner,

Sowohl – als auch.

Der Bierenst dieser Debatte böte schon mehr als genug Stoff für eine Satire.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 07.12.2010 um 23.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17515

Ja, erinnert an mittelalterliche Dispute unter Mönchen darüber, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen. Und ganz im Ernst: Schon die Gewichtseinheit Quent kennt doch außerhalb der Geschichtswissenschaft kein Aas. Wer, bitteschön, soll denn davon in einem Text auch noch eine Koseform benutzen, und vor allem: Wieso sollte die Schreibung dieser Koseform auch noch amtlich geregelt werden?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 07.12.2010 um 23.56 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17516

"Die Gewichtseinheit Quent", die niemand kennt, soll das jetzt ein Test sein, oder ...?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.12.2010 um 00.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17517

Wohl doch keine Ironie. Also bitte, es gibt und gab nie eine »historische Gewichtseinheit« Quentchen. Quentchen ist auch kein »historisches Wort«, das übertragen gebraucht wird. Hingegen ist das Wort Quent so obsolet wie die betreffende Gewichtseinheit und folglich richtigerweise in der Wörterliste, die ja einen aktuellen Kernwortschatz abbilden soll, nicht enthalten. Mit wohlwollender Interpretation und Mannhaftigkeit ist das Faktum des Eingriffs in die Rechtschreibung an dieser Stelle nicht aus der Welt zu schaffen.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 08.12.2010 um 00.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17518

Es wurden ja gerade etliche Verkleinerungsformen genannt, deren Grundform auch kaum noch jemand kennt. Neue Argumente scheinen also langsam auszugehen.
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 08.12.2010 um 01.36 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17519

Verboten für Quentchen im Sinne von "winziges bisschen"

Das ist doch der Punkt. Das Wort darf nicht mehr in seiner üblich gewordenen Bedeutung verwendet werden. (Daß die Verwendung von Wörtern einer amtlichen Regelung bedarf, ist im übrigen eine fixe Idee, die niemand hier vertritt.)

Am besten gefällt mir Herr Hamberger noch in der selbstgewählten Rolle des Mobbingopfers. Man sollte ihn ein bißchen darin unterstützen, indem man sich seine Rabulistik genauer anschaut. So hatte er weiter unten die Dreistigkeit zu behaupten, Herr Virch und ich verträten nichts anderes als die reformierte Duden-"Regelung".

Wobei ich seine Fähigkeit, sich gleich nach einer solchen Panne wieder aufzuplustern, sogar bewundere. Anderen Leuten fehlt für derartige Auftritte einfach die Schamlosigkeit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.12.2010 um 06.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17520

"Volksetymologie" ist, wie die Sprachwissenschaft schon im 19. Jahrhundert wußte, als die Bezeichnung aufkam, nicht unbedingt der richtige Ausdruck. Einen Teil dieser Erscheinungen hat Coseriu einmal "gelehrte Volksetymologie" genannt.
Darüber und über Augst ist schon vor 14 Jahren alles gesagt worden, weshalb die enorme Länge dieses Diskussionsstranges in der Tat ein bißchen überrascht. Aber warum nicht! Schaden kann es nicht, zumal immer wieder neue Diskutanten nachwachsen.

Bei Augst, dessen sozusagen einzige wissenschaftliche Idee in seinem langen Berufsleben gerade die "synchrone etymologische Kompetenz" war, überraschte uns Kollegen seinerzeit, wie selektiv er diese Idee in die Reform einfließen ließ. Was ist denn schon das Dutzend Neuschreibungen gegen die Hunderte von weiteren Möglichkeiten? Allein schon die Umlautschreibungen mit ä sind in sehr viel mehr Fällen mit denselben Begründungen zu rechtfertigen. Ich meine Spängler, käntern usw. Rolf Bergmann (der die Zeitschrift "Sprachwissenschaft" frühzeitig umstellte und damit wenigstens einen Abonnenten verlor ...) hat sie mal zusammengestellt.

Auf der anderen Seite kramte Augst wirkliche Etymologien hervor, die nachweislich längst vergessen waren: Stängel, behände. Und in einem dritten Bereich ließ er von variierenden Schreibweisen jeweils eine verpflichtend werden (einbläuen).

All dies kann man als handwerkliche Fehler der Reform bezeichnen.

Augst hat seine Idee nie zu Ende gedacht, und das ist, wie sein Wortfamilienwörterbuch erweist, auch gar nicht möglich.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 08.12.2010 um 06.17 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17521

Ich hatte in #17458 beschrieben, zu welchem "maximalen Durcheinander" der Rechtschreibung die sogenannte Amtlichkeit der Neuregelung – also die Mischung aus Verbindlichkeit, Halbverbindlichkeit, vermeintlicher Verbindlichkeit und Unverbindlichkeit der neuen Schreibungen, bezogen auf verschiedene Teile der Schreibgemeinschaft – geführt hat. Dem widersprach "Horst Hamberger" nicht, sondern er antwortete:

... mir scheint es, als wären alle Ihre Ausführungen ein Argument dagegen, dass ebendiese Amtlichkeit Leuten egal sein sollte, die von ihr nicht betroffen sind – und kein Argument dafür.

Das war zwar indirekt formuliert, aber eindeutig genug: Er sagte, daß die breite Masse der Bevölkerung, die sich nicht nach der Neuregelung richten muß, sich dennoch an sie anpassen "sollte". Diese Konsequenz bezog sich natürlich nicht nur auf Quäntchen, sondern auf die gesamte Neuregelung.

"Horst Hamberger" behauptet jetzt (#17496):

Eine Aufforderung, sich irgendeiner Schreibung anzuschließen, hab ich ganz sicher nicht abgegeben.

Wenn sich ein Diskutant selbst derart widerspricht und sich damit jeder anständigen Auseinandersetzung entwindet, kann man sich mit ihm nicht fruchtbringend unterhalten.

Von Herrn Bärlein (#17498) mit Beleg auf den Selbstwiderspruch hingewiesen, lautete die Reaktion von"Horst Hamberger":

Nein, Herr Bärlein, ich habe meine Meinung nicht geändert. Erläutern Sie doch bitte, wie Sie darauf kommen.

Wer einen zu guten Charakter hat, kann sich von diesem Dampfplauderer noch ein paar Runden an der Nase herumführen lassen. Viel Spaß dabei.

Eine anständige Reaktion wäre gewesen, wenn Herr Hamberger sich ehrlich zu der Frage geäußert hätte, was er hier erreichen möchte. Diese Frage wurde ihm schon mehrmals gestellt, so ausführlich von Urs Bärlein (#17468).
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 08.12.2010 um 07.45 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17523

Im Spiegel-Online-Forum zum Thema Rechtschreibreform hatten wir einen Herrn Hamberger vergleichbaren Teilnehmer, Herrn Nevermind. Mich hat damals gestört, wie dieser Hundertprozentige vorgab, neutral und unvoreingenommen zu sein. Als rhetorischen Trick sollte man es sich vielleicht merken.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 08.12.2010 um 08.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17524

Lieber Herr Wrase,

einerseits sind Sie ganz entschieden gegen die Amtlichkeit, andererseits soll den Menschen diese Amtlichkeit egal sein. Das finde ich einen Widerspruch.

Sie müssten doch konsequenterweise sagen: Die Amtlichkeit ist ein Riesenproblem, und alle sollten sich dagegen wenden. Stattdessen sagen sie: Die Amtlichkeit hat niemanden zu kümmern, für den sie nicht gilt.

Ich habe Ihnen das ja schon einmal geschrieben (#17461). Inwiefern das indirekt ein Aufruf sein soll, nach den Regeln der reformierten Rechtschreibung zu schreiben, verstehe ich nicht.

––––––––––––––––

Lieber Herr Bärlein,

nun nehmen Sie es doch nicht persönlich. Es ist doch im aktuellen Duden nachzulesen, dass sich die Schreibweise der Gewichtseinheit Quent nicht geändert hat. Und dass eine Verkleinerung von Quant in Quäntlein oder Quäntchen dem Duden widerspricht, werden Sie ja nicht im Ernst vertreten wollen.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 08.12.2010 um 10.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17525

Ich finde ebenfalls: nicht weiter füttern. Wo einer die Mißbilligung und Nichtbeachtung falscher Vorschriften beharrlich als Indifferenz geißelt, ist der Mumpitzfaktor zu bestimmend.
 
 

Kommentar von Horst Hamberger, verfaßt am 08.12.2010 um 13.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17526

Hallo Herr Virch,

Sie meinen, ich werfe den Reformgegnern vor, dass die Rechtschreibreform ihnen egal sei? Das ist, bei allem Respekt, mal eine wirklich bizarre Interpretation meiner Postings.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 08.12.2010 um 14.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17528

Kommentar von Manfred Riemer am 06.12.2010 (#17465):
»A gilt nicht, weil seine Prämisse P1 unwahr ist.

Wenn die Prämisse unwahr ist, kann man nichts über den Wahrheitswert der Schlußfolgerung wissen, d.h. die obige "Form" funktioniert nicht.«

Antwort von Horst Hamberger am 06.12.2010 (#17466):
»A ist das Argument, nicht die Schlussfolgerung.«

Was für eine bestechende Logik!
 
 

Kommentar von Urs Bärlein, verfaßt am 08.12.2010 um 14.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17529

Die Form funktioniert nicht nur nicht, sondern sie ist von vornherein Humbug, weil es in der Logik keinen weil-Operator gibt. Wie gesagt, es hat keinen Sinn, sich auf Diskussionen mit Herrn Hamberger einzulassen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.12.2010 um 14.44 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17530

Lieber Herr Markner.

Sie sagen "es gibt und gab nie eine »historische Gewichtseinheit« Quentchen".

Dazu sind verschiedene Wörterbücher anderer Meinung, so Adelung, DWB, Brockhaus Enzyklopädie (1895) und Wahrig. Wahrig unterscheidet ausdrücklich zwischen der Bedeutung Quentchen=Quent und der figürlichen Bedeutung ein weinig, eine kleine Menge.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.12.2010 um 15.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17531

Daß die Gewichtseinheit Quent heißt, steht so bei Adelung. Es werden dann auch noch die Diminutive angegeben, sicherlich mit Rücksicht auf deren häufigen Gebrauch im heutigen Sinne, wie auch die Belege im DWb (alle aus dem 18. Jh.) zeigen. Daß dort unter Quentchen die pedantisch falsche Erläuterung »der vierte theil eines lothes« steht, wird durch ebendiese Belege gleich wieder dementiert, denn keiner der zitierten Autoren meinte ja diese exakte Menge. Das Lemma Heller ist, zum Vergleich, besser erläutert; dort wird auf den genauen Wert der Münze ausdrücklich gar nicht erst eingegangen.

Ein Beleg für die Verwendung von Quentchen im eigentlichen Sinne müßte erst noch gefunden werden. Sollte er sich in einem historischen Text aufspüren lassen, würde das aber über die heutigen Verhältnisse auch nichts aussagen.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.12.2010 um 17.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17533

Ökonomisch-technologische Encyclopädie, Teil 79, 1800:

Scubak, ächter. Man thut vier Pinten Branntwein, einen Schoppen Wasser, drey Quentchen Saffran, wesentliches Oehl von der Cebraschale, von der Bergamottenschale, von portugisischen Pommeranzen und Limonen, von jedem zehn Tropfen, ein halbes Quentchen gestoßenen Vanille, ein Quentchen gestoßene Muskatblumen, acht Quentchen gestoßene Würznelken, ein Quentchen Angeliksamen, ein halbes Quentchen Koriander ...“

Geschichte der Chemie, 1845:

„Bei Monge’s Versuch wogen die zu verbrennenden Luftarten 3 Unzen, 6 Quentchen, 27 Gran, das gebildete Wasser 3 Unzen, 2 Quentchen, 45 Gran;“
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.12.2010 um 17.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17534

Schön, also hat Quentchen früher gelegentlich auch noch so Verwendung gefunden, was die älteren Lexikographen in ihrer Fixierung auf literarische Quellen nicht nachgewiesen haben. Vielleicht hat Quentchen Quent insgesamt verdrängt. Aber wie gesagt, heute ist Quent natürlich ebenso obsolet wie Quentchen im eigentlichen Sinne.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.12.2010 um 18.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17535

Hat das jemand bezweifelt?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 08.12.2010 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17536

Ja, der Verfasser des Beitrags #17505.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 08.12.2010 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17537

Das mag das Verständnis des Verfassers des Beitrags #17536 sein, ist aber nicht das Verständnis des Verfassers des Beitrags #17505.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 08.12.2010 um 19.07 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17538

Das Quent ist tot und begraben, kein Zweifel, doch wer sich des Gewichtes erinnert, ist schon mal vor schiefen Metaphern sicher. Die Gefahr, sich ein Quentchen zu dunkel, zu vorsichtig oder zu aufsässig auszudrücken, ist gering, aber vermeidbar. Man macht doch Fehler genug.
 
 

Kommentar von Quintus Fixlein, verfaßt am 08.12.2010 um 19.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17539

Tot und begraben – welch ein träfes Schlußwort. Denn die Zeit verwundet alles Heile. Oder bin ich wieder mal zu optimistisch?
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 09.12.2010 um 10.02 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17541

Menschen, die schon vor der Reform gelesen haben und die Geschichte der Reform ein wenig mitverfolgt haben, haben seither ein erweitertes Leseverstehen entwickelt. Ein Bewußtsein, daß in jenen Fällen, in denen Verständnis und geschriebener Text nicht unmittelbar übereinstimmen, der nähere Kontext herangezogen werden muß. Das funktioniert in vielen Fällen, aber nicht in allen, wie das Beispiel von Prof. Ickler zeigt. Hin und wieder wird man trotz Reformbewußtsein auf eine falsche Fährte gelockt.

Aber das ist halt jetzt einmal so, daran muß man sich gewöhnen. Ich unterstelle den Reformbetreibern auch nicht, daß solche Effekte beabsichtigt waren, obwohl natürlich weitsichtigere Fachleute genau das sofort befürchtet haben, als sie die geplanten Änderungen zu Gesicht bekamen.

Ich frage mich, wie empfinden Menschen die Situation, die seit der Reform ins Schreiben und Lesen einstiegen, haben sie manchmal ebenfalls Verständnisprobleme oder sind die nur ein Überbleibsel früherer Lesegewohnheiten?

Bezüglich Quentchen lernte ich in dieser Diskussion u. a., daß es nicht nur das Diminutiv von Quent ist, sondern zusätzlich ein gleichlautendes selbständiges Wort. Und daß Quäntchen, in dem Sinn, in dem es üblich verwendet wird, eigentlich Quantumchen heißen müßte, aber wegen dem früheren Quentchen zu der Kurzform Quäntchen wurde, es sich also nicht um das Diminutiv von Quant handelt, welches es aber natürlich auch gibt, zumindest formal.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 12.12.2010 um 21.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17560

Da wir uns bei diesem Thema schon soviel Mühe gegeben haben, noch eine Ergänzung:

Das Quentchen war spätestens seit 1816 amtliches Gewichtsmaß in Preußen.

In den Anweisungen zu der Maaß- und Gewicht-Ordnung für die Preußischen Staaten vom 16. Mai 1816 heißt es:

§ 21. Das Preuß. Pfund soll auch als Kammergewicht dienen, und zu diesem Zwecke in zwei und dreißig Lothe, das Loth aber in vier Quentchen getheilt werden.

Das mag auch eine Erklärung dafür sein, daß Quentchen im DWB und im Brockhaus als Haupteintrag erscheint.
 
 

Kommentar von sb, verfaßt am 23.12.2010 um 15.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17630

Dass ein Wort den Leser für einen Augenblick auf die falsche Spur führt, kommt immer wieder mal vor. Das ist nur ein Argument dafür, beim Schreiben besser achtzugeben – und nicht dafür, die Schreibweise des Worts zu ändern.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 24.12.2010 um 11.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#17631

zu (sb, #17630):
Ganz richtig, deshalb durfte z. B. die Schreibweise Quentchen nicht geändert werden.

"... falsche Spur ... kommt immer wieder mal vor":

"das hübsche Reclam-Bändchen von Olschansky" (#17492) kannte ich noch nicht, aber ich bin für solche Hinweise immer dankbar und habe es mir besorgt. Ich fand es sehr interessant, aber mir ist davon schwindlig geworden. Ein paar einzelne Dinge, wie z. B. daß der Braten etymologisch nichts mit braten zu tun hat, wußte ich ja schon, ich hielt das, wie sb, für etwas Gelegentliches. Aber daß es eine solche Menge von volksetymologischen Umdeutungen gibt, daß sie fast die Regel sind, hat mich überrascht. Man weiß gar nicht, welchem deutschen Wort man überhaupt noch "trauen" kann. Es ist doch erstaunlich, wie Sprache mit so vielen Irrtümern überhaupt immer weiter funktioniert.

Ja, da könnte man wirklich fast glauben, bei so vielen Umdeutungen kommt es auf ein Quentchen mehr oder weniger auch nicht an. Es ist aber ein unerträglicher Unterschied, ob sich solche Änderungen gleichsam von allein durchsetzen, oder ob sich jemand einbildet, Gott zu sein, und dem Volk per Mißbrauch seiner Kinder aufdrücken zu dürfen glaubt, wo es sich schon immer etwas anderes gedacht zu haben hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.10.2011 um 10.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#19427

Eigentlich sollte die Reform den "zentralen Wortschatz" entlasten. Aber da Augst sich seit langer Zeit auf bestimmte Lieblingswörter, die ziemlich weit vom Wortschatz der Schulkinder entfernt sind, eingeschossen hatte, sind dann auch diese über die Jahre hin immer wieder traktiert worden. Schon unter den Gemsen dürften die Schüler kaum gelitten haben (wenn man von Frau Hohlmeier absieht, die jetzt nur noch Gämse schreibt), aber als es dann um Lehde und Lohde ging, wurde die Sache komisch.
Stendel war in manchen Wörterbüchern ebenfalls gar nicht enthalten und wurde dann nur aufgenommen, um sich in neuer Schreibweise darstellen zu können.
Wiki ist ja sehr folgsam, aber unter "Mimikry" schreiben die Leute immer noch Stendelwurz.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 14.07.2012 um 05.54 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21068

Hatten wir das Beispiel schon? Laut § 13 müßte man hägen schreiben, weil es von Hag abgeleitet ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 26.10.2012 um 17.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21784

Die alte Währung müßte nach § 13 eigentlich Häller geschrieben werden.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.10.2012 um 23.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21787

Nicht nur hägen, sondern auch Häcke und Häxe.
 
 

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 26.10.2012 um 23.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21788

Es gibt tatsächlich ein unreformiertes Wörterbuch, das aussschließlich Quäntchen enthält. Zu dumm (für Augst), daß es das Luxemburgische Wörterbuch (Luxemburg 1955) ist.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 27.10.2012 um 09.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21792

Ja genau. Das Schiffshäck gehört auch dazu.
 
 

Kommentar von Aronaftis, verfaßt am 27.10.2012 um 11.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#21793

Vor allem aber das Hämd.
Pfälzer sagen: hämmer Hämmer? (haben wir Hemden?)
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 21.12.2012 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#22170

Ein Vogelfreund hat bei Wikipedia den Artikel Blässhuhn erstellt, in der irrigen Annahme, laut Rechtschreibreform sei Blesshuhn unzulässig geworden oder veraltet. Es heißt ausdrücklich: "Auch die alte Schreibweise mit e (Blesshuhn, Blessralle) wird oft noch verwendet." Folglich wird tapfer das ä durchgehalten. Dennoch ist dann natürlich von der namengebenden Blesse die Rede, samt Link zum Artikel Blesse. Wäre ja noch schöner, wenn man Blesse nicht mehr von Blässe unterscheiden könnte!

Daß man analog statt Blessbock auch Blässbock schreiben könnte, darauf ist bei Wikipedia nur ein Verfasser gekommen (im Artikel über die südafrikanische Stadt Queenstown). Ansonsten gibt es nach wie vor nur Blessböcke, insbesondere in dem sie behandelnden Artikel Buntbock ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 06.08.2015 um 11.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29635

Duden online:

»Für die Schreibung des Deutschen verwenden wir eine Buchstabenschrift, in der Sprachlaute und Buchstaben als einander zugeordnet betrachtet werden. Rechtschreibliche Schwierigkeiten ergeben sich vor allem dort, wo gleiche Laute durch unterschiedliche Buchstaben repräsentiert sind.
Einige nur selten vorkommende alte Laut-Buchstaben-Zuordnungen wurden deshalb an vergleichbare Schreibungen angeglichen, z. B. Känguru (früher: Känguruh, jetzt wie Emu, Gnu, Kakadu), rau (früher: rauh, jetzt wie blau, genau, schlau), Zierrat (früher: Zierat, jetzt wie Verrat, Vorrat).«

Also deshalb soll jetzt Zierrat geschrieben werden? Versteht das jemand?
 
 

Kommentar von Bernhard Strowitzki, verfaßt am 07.08.2015 um 16.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29646

Man muß sich eben sehr dumm stellen und weigern, die völlig unterschiedliche Konstruktion von Verrát, Vórrat und Zierat zu erkennen. (Warum dann nicht auch Vorraus?) Typisch für die Reformer: Aufhängen an bloßen Äußerlichkeiten ohne Sinn und Verstand.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.08.2015 um 00.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29666

Lieber Herr Strowitzki,

die zitierte Begründung für die Schreibung Zierrat ist die des Dudens und offenkundig für den beschränkten Untertanenverstand gedacht; sie ist aber kaum die der „Reformer“ im Sinne der Rechtschreibkommission.

Das Wort Zierat ist ja tatsächlich ein orthographisches Problem. Es ist heute nicht mehr analysierbar als Zusammensetzung oder Ableitung, da die Endung -at nicht mehr produktiv ist. Da liegt es nun sehr nahe, es als Zusammensetzung Zier-Rat zu deuten nach dem Vorbild von Hausrat, Unrat, Vorrat.

Tatsächlich findet sich die Schreibung Zierrat schon seit langem neben der überwiegenden Zierat. In Google Books finden sich zahlreiche Fundstellen; im DWB kommt die Schreibung in den Zitaten häufiger vor (so etwa Goethe, Schiller); in Kluges Etymologie wird die Schreibung erwähnt.

Daher erscheint es mir durchaus gerechtfertigt zu überlegen, ob man die Schreibung Zierrat weiterhin als „falsch“ kennzeichnen sollte. Die Reformer hätten sie ja auch als Alternativschreibung zulassen können. Nur noch diese Schreibung zuzulassen, geht allerdings zu weit.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 10.08.2015 um 03.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29671

In meinem "Kritischen Kommentar" hatte ich geschrieben:

Zierrat*
Die Neuschreibung wird damit begründet, daß „die meisten Deutschen“ in dem Wort eine Zusammensetzung aus Zier und Rat (wie in Vorrat) sehen (Gallmann/Sitta 1996a, S. 315). Die volksetymologische Neudeutung ist seit dem 16. Jahrhundert anzutreffen, wurde jedoch von den praktischen Wörterbüchern bisher nicht anerkannt. Im neuen Duden-Universalwörterbuch findet man die korrekte Herleitung aus Zier und einem Suffix -ât (wie in Heimat usw.); die Herkunft des zweiten -r- wird vielsagend offengelassen. Bertelsmann behauptet tatsächlich: „Analog zu der Vorrat wird zukünftig bei der Endung -rat ein vorausgehendes -r- geschrieben.“ (Ebenso Gallmann/Sitta 1996a s.v.). Auch der Reformer Nerius kennt die wirkliche Herleitung nicht, sonst könnte er nicht schreiben, es solle nun „das r in Zierrat nicht mehr getilgt werden“ (Nerius 1996, S. 34). Auch in Merkblättchen, wie sie die GEW vertreibt, wird das Wort ohne Umstände als Zusammensetzung angeführt. In der Schule dürfte es kaum vorkommen, so daß die Änderung irrelevant ist.
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 10.08.2015 um 19.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29683

Mein Sprachgefühl würde "das Zierat" für richtig halten, der männliche Artikel erfordert fast ein Doppel-r, weil "der Zierat" klingt für mich irgendwie falsch.
 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 10.08.2015 um 19.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29684

Mag auch die Endung -at nicht mehr produktiv sein, so gibt es noch andere Wörter auf -at, an die man sich hätte halten können – Fremdwörter zwar, die aber nicht mit Verben auf -ieren zusammenhängen und bei denen das „r“ vor dem „at“ zum Stamm gehört: Direktorat, Pastorat, Rektorat. (Die Fehlschreibungen Direktorrat, Pastorrat und Rektorrat [auf die nicht mal Herr Künzer gekommen ist; vgl. „Erforderliche weitere Reformschritte“] sind bereits in geringer Zahl im WWW zu finden.)

(Weil es gerade dazu paßt: Unter www.lehrtheke.de/woerter.htm gibt es ein Rückläufiges Wörterbuch des deutschen Grundwortschatzes als kostenlose PDF-Datei.)
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 10.08.2015 um 23.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29687

Das Wort Einöde ist wohl schon im MHD volksetymologisch von einer Ableitung in eine Zusammensetzung uminterpretiert worden.

Wenn selbst Nerius Zierat anscheinend für eine orthographisch verfremdete Zusammensetzung hält, dann erscheint die Aussage, daß „die meisten Deutschen“ das auch so sehen, durchaus plausibel.
 
 

Kommentar von Klaus Achenbach, verfaßt am 11.08.2015 um 00.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29689

Wenn Herr strasser das Zierat eher für richtig halten würde (ich habe zunächst auch geschwankt), so liegt das wohl an den von Herrn Wagner genannten Wörtern auf -at, die grundsätzlich Neutra sind.

Diese Wörter eignen sich aber nicht als Analogie zu Zierat, da sie alle Ableitungen aus dem Lateinischen sind. Diese latinisierende Endung ist durchaus noch produktiv. Das in einschlägigen Kreisen seit langem geläufige Kompromat hat es allerdings bis heute nicht in den Duden geschafft (wohl in Wikipedia).
 
 

Kommentar von stefan strasser, verfaßt am 11.08.2015 um 08.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29691

Ich weiß nicht, ob Beispiele wie Internat, Substrat, Habitat, Fabrikat, Format, Zertifikat usw. bzgl. Artikel zu Zierat passen.

Jedenfalls spricht für mich nichts gegen ein Wort Zierrat, weil es ja jedem frei steht, Wörter zu kreieren. Zierrat in Analogie etwa zu Unrat kann also durchaus gebildet werden. Zierrat sind einzelne separate Gegenstände, die der Zierde dienen.

Es ist aber eben ein anderes Wort als Zierat, dessen Bedeutung ich mit Verzierung, Ausschmückung beschreiben würde. Also ein Detail eines Gegenstandes, das Zierzwecken dient.

Zierat und Zierrat werden auch unterschiedlich ausgesprochen. Die Neuregelung bedeutet somit die Abschaffung einer Wortbedeutung.
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 11.08.2015 um 13.26 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29695

das Emirat, der Emirrat (Emir-Rat).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.08.2015 um 18.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#29696

"Der Zusenn oder das Heimat" (Adolf Muschg)

Übrigens ist der Artikel "Heimat" bei Wikipedia seltsam. Noch vor der Wortgeschcihte steht ein Abschnitt

Neurobiologie

Heimat ist im Gehirn jedes Menschen präsent. Heimat besteht aus einer Unmenge von Engrammen. Je länger er an einem Ort verweilt, desto stärker sind die Engramme synaptisch bei ihm verfestigt, sofern sie emotional positiv korrelieren. Heimatgefühle manifestieren sich durch wiederholte Prägung.
Diesen Gedankengang hat bereits der römische Philosoph Cicero entwickelt.
Wenn emotional bejaht, können mehrere Orte für ein bestimmtes Individuum Heimat werden. Auf ähnliche Weise entstehen nicht-ortgebundene Heimatgefühle (wie das Sich-Heimisch-Fühlen in einer Sprache).
Umgekehrt ergibt sich aus einer Auflösung neuronaler Strukturen im Zuge einer Demenzerkrankung oft ein Gefühl der Heimatlosigkeit, und zwar auch dann, wenn sich in der Umgebung des Erkrankten objektiv nichts Wesentliches verändert hat: Wenn sich Engramme auflösen, verschwindet die Heimat.


Natürlich hat kein Neurobiologe davon etwas beobachtet. Es ist die übliche Spekulation.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 11.01.2017 um 16.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#34291

Zu http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#19427

Im Zuge der Wiederzulassung groß geschriebener Schwarzer Bretter usw. hat man 2006 auch gleich den Schwarzen Peter neu eingeführt. Nicht losgeworden sind wir aus dem "zentralen Wortschatz" die Schwarze Hand, die sich schon durch Generationen von Dudenbänden zog, auch wenn die Erinnerung immer mehr verblaßte.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 22.11.2020 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1373#44739

Robert Habeck meint vor laufender Kamera: "Macht kommt von machen." Er will an die Macht, um was zu machen; das ist sein gutes Recht, aber etymologisch ist er auf dem Irrweg.
 
 

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