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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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29.05.2006
 

Erstaunlich
Ein Tollpatsch ist nicht gut zu Fuß?

Aus dem „Sprachalphabet“ von WAHRIG (Website):

»Ein Tollpatsch ist nicht gut zu Fuß

Ein Mensch seines Schlages hat es nicht leicht, denn er stellt sich immer wieder ungeschickt und dumm an, wobei er sich oftmals nur selbst im Weg steht. Dabei zeigt der etymologische Ursprung des Wortes Tollpatsch, dass dieser anfänglich gar nicht selbst für seine Unbeholfenheit verantwortlich war.

Tollpatsch geht zurück auf das ungarische Wort talpas (17. Jahrhundert) mit der Bedeutung „Infanterist, Fußsoldat“, in einigen Dialekten auch „breitfüßig“. Abgeleitet ist talpas von talp „Sohle“. Diesen Bedeutungen entspricht, dass der ungarische Soldat früher breite, an den Fuß geschnürte Sohlen getragen haben soll, die ihm den Bewegungsablauf erschwerten. Demzufolge war der Tollpatsch zunächst lediglich ein „ungeschickt und schwerfällig gehender Mensch“. Die deutsche Schreibung entstand durch die Angleichung des ungarischen Begriffs an die in der Zusammensetzung laut- und bedeutungsähnlichen Wörter toll, Tölpel und patschen.

Viele ähnlich erstaunliche und wissenswerte Informationen zur Etymologie von Wörtern finden Sie im WAHRIG Herkunftswörterbuch!«

Das ist in der Tat erstaunlich! Bisher hieß es in etymologischen Wörterbüchern, daß der Tolpatsch volksetymologisch mit dem Tölpel in Verbindung gebracht werde, mit dem er zwar nichts zu tun hat, aber semantisch stimmt es einigermaßen. Davon scheint etwas bei den Bertelsmännern hängengeblieben zu sein, nur gibt es jetzt keinen Sinn mehr, denn der Tölpel wird ja gar nicht mit ll geschrieben!



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Kommentare zu »Erstaunlich«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.09.2018 um 04.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#39470

"Dieses Wort ist rechtschreiblich schwierig." (Duden zu rau)

Wieso eigentlich? Nach der Reform doch nicht mehr, oder?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.02.2015 um 04.15 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#27988

Erstaunlich und nicht gemogelt: Amerika hat seinen Namen von Amerigo Vespucci, Amerigo ist romanisiertes Emmerich, und der heilige Emmerich (Imre), Sohn von Stephan I. und Gisela, heißt eigentlich Heinrich. Daher ist, wie Hans Weigel mal bemerkt, ein Ami eigentlich ein Heini. Hätten Sie's gewußt?
 
 

Kommentar von Horst Ludwig, verfaßt am 05.06.2006 um 21.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4260

Zu Rominte van Thiels Aussprache (#4257):
Ich meine nicht, daß das Ende von "rauh" "mehr in der Kehle" und von "grau" "weiter vorne" gesprochen wird; die "Artikulationsstelle" ist die gleiche. Aber bei den flektierten Formen vor "e" ist bei meiner Aussprache durchaus oft das "h" für mich deutlich drin! Ich sage "oft", weil beide Aussprachen, [rau:e] und [rau:he] (wobei hier mal das "e" für den Schwa-Laut steht; ich habe dieses umgekehrte "e" nicht als Zeichen in meinem Schreibprogramm), durchaus akzeptablem Standard entsprechen. Zu "rauh" (ursprünglich "rauch" = behaart, zottig, uneben) gehört auch "Rauchwerk/Rauchwaren". Genauso wie bei "hoch" in den flektierten Formen vor "e" die "h"-Aussprache noch hörbar ist (bei mir [vor allem, wenn ich darauf achte!), aber auch wegfallen kann, ist das eben bei "rauh" auch der Fall. Von zwei natürlichen Aussprachen wird hier jetzt jedoch eine als falsch erklärt ("grauhes"? [obwohl auch hier ein Sproß-"h" möglich ist, welches jedoch keinen stört, weil's vom normalen Ohr gar nicht so wahrgenommen wird]), und das ist Vorschreiberei. Aber die beglückt die Reformbetreiber. Wenn schon nicht bei "roh", dann doch wenigstens bei "rauh"! Denn was hätten sie denn sonst noch in der Kultur zu hinterlassen! Außer beachtlichem Gehalt gemessen an ihrem Können jedenfalls nicht gute Einsicht. — Aber wäre andererseits nicht mit der "Nähe zu flau, lau und mau" dem "rauh" etwas von seiner unzöglingsgemäßen Härte genommen? Tun Ihnen denn nicht "die armen Kinder leid" (Ahnen), liebe Frau Rominte van Thiel? Im Sinne kultusministerlicher Pädagogikerfahrung dürfte uns doch wirklich kein Opfer zu teuer sein, auch das unserer Muttersprache nicht. Oder?
 
 

Kommentar von Martin Gerdes, verfaßt am 05.06.2006 um 21.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4259

| Zu Wolfgang Wrases Raureif: Ich bin der Meinung, daß
| es sich nicht nur um eine andere Schreibung handelt,
| sondern daß sich auch die Aussprache ändert.

Ganz offensichtlich sind Sie Süddeutscher. :-)

| Ich spreche die Wörter mit "h" anders aus als die
| ohne, also zum Beispiel "rauh" (mehr in der Kehle)
| anders als "grau" (weiter vorne). Da ich kein
| Experte in Phonetik bin, weiß ich nicht, ob es
| anderen auch so geht. Das würde mich interessieren.

Die unterschiedliche Aussprache von Vokalen und manchen Diphthongen hängt an der Wortherkunft. Das h am Ende hat direkt nichts damit zu tun. Für die Aussprache maßgeblich ist vielmehr die Tatsache, daß das Wort zu früheren Zeiten mal mit u gesprochen wurde. Die Schweizer Mundart bewahrt den mittelhochdeutschen Lautstand am meisten aller süddeutscher Mundarten, dort taucht dieses u noch auf (Beispielwort: Haus - schweizerisch: Huus).

Das "hell" gesprochene au in blau, grau, genau hingegen geht auf ein mittelhochdeutsches a zurück.

Sinngemäß gleich erklären sich unterschiedlich gesprochene "ei" und unterschiedlich gesprochene "eu/äu". Für mich ist "gräulich/greulich" ein Minimalpaar (ein Wortpaar, das sich in genau einem Laut unterscheidet), für Sie wohl auch. Der Standarddeutsche spricht beide Wörter gleich.
 
 

Kommentar von Rominte van Thiel, verfaßt am 05.06.2006 um 18.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4257

Zu Wolfgang Wrases Raureif: Ich bin der Meinung, daß es sich nicht nur um eine andere Schreibung handelt, sondern daß sich auch die Aussprache ändert. Ich spreche die Wörter mit "h" anders aus als die ohne, also zum Beispiel "rauh" (mehr in der Kehle) anders als "grau" (weiter vorne). Da ich kein Experte in Phonetik bin, weiß ich nicht, ob es anderen auch so geht. Das würde mich interessieren.
Aus dem genannten Grunde empfinde ich die Kastration des Wörtchens rauh auch als besonders "barbarisch", weil es als "rau" nur noch so lasch daherkommt. Außerdem vermittelt das andere Schriftbild eine assoziative Nähe zu flau, lau und mau.
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 05.06.2006 um 04.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4256

Zu Weinachten gibt's Raureif

Außer bei rauh hätten die Reformer mit derselben Logik doch auch bei Substantiven und schwach gebeugten Verben das unregelmäßig auftauchende h nach Diphthong entfernen können: Wieso Kleie, aber Reihe, wieso Geier, aber Reiher, wieso prophezeien, aber weihen? Schade, daß sie es nicht versucht haben. Sonst hätten die geballten Emotionen, die mit dem trauten Weihnachten verbunden sind, den ganzen Augst als Tollpatsch abserviert. Stattdessen laufen ihm die Deutschen nun hinterher wie die Schäflein dem Weibischof.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 04.06.2006 um 17.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4255

Der Tollpatsch wird wahrscheinlich nicht berichtigt werden, es kann allerhöchstens dazu kommen, daß man um der Schüler willen auch den Tolpatsch wieder erlaubt, vielleicht mit der Begründung, er sei an den Tölpel angelehnt.

Gerade heute morgen ging mir wieder einmal durch den Kopf, wie seltsam es ist, daß in Reformerkreisen noch niemals auch nur der Hauch eines Gedankens daran gewendet wurde, die Augstschen Einfälle zu revidieren. Das ist darum besonders unbegreiflich, weil die meisten seiner Genossen durchaus nicht erbaut waren, ganz sicher zum Beispiel nicht Nerius. Aber auch der Rechtschreibrat will dieses Thema auf gar keinen Fall anpacken. Es wird also bei den rauen Stängeln bleiben. Wenn es im Lande noch einen rechten Bürgersinn gäbe, würden sich die Zeitungen darüber hinwegsetzen, aber wer kann daran noch glauben?
 
 

Kommentar von Odilo Gudorf, verfaßt am 04.06.2006 um 16.54 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4254

Wenn der Wahrig schon am Beispiel des „Tollpatsch“ die etymologischen „Kreationen“ der Reformkommission ein wenig offenlegt, dann hätte er auch gleich klären können, wie sich das deutsch O aus dem ungarischen A in talpas herleitet. Die Antwort ist einfach: das ohne Akzent geschriebene A wird im Ungarischen wie O gesprochen, also „tolposch“. Vgl. farkas (forkosch) = der Wolf, aber Tamás (Tomasch) = Thomas. Übrigens enthält das heutige ungarische Lexikon den talpas noch als tenyeres-talpas, als Trampeltier.
 
 

Kommentar von Augias, verfaßt am 30.05.2006 um 08.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4215

Gestreute Wahrheiten wie diese leiten die allmähliche Rückkehr zum Status quo ante ein -- man wird diskutieren, wieso eigentlich Tollpatsch mit ll geschrieben werde, man wird dies als Irrweg benennen und man wird es klammheimlich berichtigen.

Genau dafür brauchten wir den Diktatfrieden, denn der deutsche Staat ist immer im Recht, auch wenn er das nicht ist.
 
 

Kommentar von GL, verfaßt am 30.05.2006 um 07.11 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4214

Jetzt weiss ich endlich, warum Grislis so grazil daherkommen!
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 30.05.2006 um 06.08 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4213

Der Grisli isst ein Müsli mit dem Häsli.
 
 

Kommentar von Herkules, verfaßt am 29.05.2006 um 18.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=521#4211

... denn der Tölpel wird ja gar nicht mit ll geschrieben!

Pssst, nicht so laut, sonst wird der „Töllpel“ in der nächsten Sitzung des Rechtschreibrats diskutiert! Wahrscheinlich ist den Mitgliedern jedes noch so belangslose Thema für die nächste Sitzung recht – denn jetzt haben wir ja die Reform im großen und ganzen überstanden ...
 
 

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