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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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29.07.2005
 

Geschlossene Abteilung
Eine Erinnerung

Neue Besucher dieser Seite können sich wohl kaum noch vorstellen, was es alles einmal gegeben hat.
Nichts bezeugt das Desaster der Rechtschreibreform schlagender als die vier Berichte der Zwischenstaatlichen Kommission. Die Urheber waren daher darauf bedacht, diese Berichte, die sie der KMK erstatten mußten, nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen.

Der erste Bericht sollte auf Drängen der KMK von einer Expertenrunde diskutiert werden. Das geschah bei der „Mannheimer Anhörung“ am 23.1.1998. Mit einiger Mühe gelang es, auch einige Reformkritiker auf die Einladungsliste zu setzen, darunter auch mich. Als wir die zu diskutierende Vorlage nicht zugestellt bekamen, besorgten wir uns den Text in einer Nacht-und-Nebel-Aktion: Mit einigen Freunden fuhr ich wenige Tage vor der Anhörung nach Mannheim, ein harmlos aussehender, dem IDS unbekannter Rechtsanwalt klingelte an der Pforte, sagte einer Sekretärin, er sei beauftragt, eine Kopie des Berichts abzuholen, und bekam sie tatsächlich ausgehändigt (nichts für ungut, werte Dame!). Wir eilten zum nächsten Kopierladen und stellten 100 Exemplare her. In einem Café versuchten wir eine erste Sichtung und sorgten auch für die weitere Verbreitung des Textes. Zur Anhörung, von der Journalisten ausgeschlossen wurden, konnte ich bereits einen umfangreichen Kommentar vorlegen. Diese von der KMK erzwungene Anhörung war der Kommission so peinlich, daß sie sie nie wieder erwähnte, auch nicht in chronologischen Darstellungen der Reform.
Den zweiten Bericht – kümmerliche vier Seiten lang – wollte mir der Geschäftsführer Heller nicht schicken, bis er nach mehrfacher Beschwerde durch eine Anweisung der KMK dazu gezwungen wurde.
Der Politiker, der mir den dritten Bericht besorgte, schrieb dazu: „Um Himmels willen! Sagen Sie bloß keinem, wo Sie den Bericht herhaben – ich werde von den eigenen Leuten gesteinigt!“
Den vierten Bericht stellt die Kommission ins Internet, nachdem sie erfahren hatte, daß die Reformkritiker, denen er wiederum zugespielt worden war, im Begriff standen, das gleiche zu tun. Da der vierte Bericht zugleich die endgültige Ermächtigung der Kommission zu ständigen Eingriffen in die Rechtschreibung enthielt, war die Vorsicht nicht unbegründet. Das Ergebnis ist bekannt: der Bericht mußte vorläufig zurückgezogen werden, die Kommission wurde aufgelöst, und der weitere Zerfall der Reform nahm seinen beschleunigten Lauf.




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Kommentare zu »Geschlossene Abteilung«
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Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 12.09.2005 um 19.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#937

Dokumentation: Internetseiten der Rechtschreibkommission

Hier noch ein Detail am Rande: Die Internetseiten der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung wurden beim Institut für deutsche Sprache betrieben. In der Fassung vom August 2000 (im April 2001 archiviert) ist folgender Distanzierungshinweis enthalten:

Inhaltlich verantwortlich für diese Seiten ist die Kommission!

(web.archive.org/web/20010404053719/http://www.rechtschreibkommission.de)

Von dieser Seite aus gelangt man übrigens zu einer kompletten HTML-Fassung sowohl des Regelwerks als auch des Wörterverzeichnis' von 1996. – Sämtliche Archivierungen lassen sich unter web.archive.org/web/*/http://www.rechtschreibkommission.de aufrufen.

 
 

Kommentar von Peter Müller, verfaßt am 01.08.2005 um 15.33 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#839

Unsorgfältig

Die Umwandlung in HTML wurde nicht mit der dem Thema angemessenen Sorgfalt vorgenommen. Mein schlaues Programm sagt mir:

In § 36 ist "Dies betrifft:" von (2.1) irrtümlicherweise nach (1) gerutscht. In den Vorbemerkungen (neu: Vorbemerkung) ging vergessen, Schwer beschädigt und schwerbeschädigt kursiv zu setzen, ebenso in § 33 E Acht geben/achtgeben. Dafür ist in § 36 (1.6.) zum Beispiel fälschlicherweise kursiv. Statt Gedankenstrichen werden (in § 36 E3 und § 37 E2) Bindestriche gesetzt. In § 37 E4 wird die Betonung halbfett markiert, was wesentlich schlechter zu erkennen ist als unterstrichen. Bei High Society, Electronic Banking und New Economy ist die Markierung ganz vergessengegangen.

 
 

Kommentar von Peter Müller, verfaßt am 01.08.2005 um 13.32 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#837

Das "Kompositum" in § 37 E 5 ging vergessen, an allen andern Orten war es mit "Zusammensetzung" ersetzt worden. Ich hatte auch auf die Fehler im gleichen Artikel hingewiesen; sie stehen immer noch da (hunderstel und Hunderstel).

 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.08.2005 um 12.03 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#836

Nachdem mir aufgefallen war, daß auf der Internetseite des Rates die Darbietung der GZS am 27. Juli noch einmal geändert worden war, erkundigte ich mich nach den Einzelheiten und erfuhr heute, daß außer der Formatänderung (html) in § 37 E 5 statt "ein Kompositum" nunmehr "eine Zusammensetzung" zu lesen ist.

 
 

Kommentar von Robert Schuster, verfaßt am 01.08.2005 um 03.19 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#835

Herrn Wagner möchte ich für seinen dokumentarischen Beitrag recht herzlich danken. So ist es auch mir möglich, alle Berichte nochmals zu bekommen, um auch die Unfähigkeit der KMK für unsere Nachkommen festzuhalten.

 
 

Kommentar von Jan-Martin Wagner, verfaßt am 29.07.2005 um 19.16 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=198#824

Dokumente: Kommissionsberichte und Kommentare
(Korrektur: 18. Mai 2006)

Von dem ersten Bericht existiert eine Kurzfassung der Ursprungsversion (von vor der „Mannheimer Anhörung“), in der bereits die Revision der Getrennt- und Zusammenschreibung, wie sie in § 34 und § 36 geregelt ist, hervorgehoben wird. Siehe dazu hier: www.argumente.de/ar/thread.php?threadid=410&boardid=25 bzw. als Zusammenfassung der Originalseitenbilder: forschungsgruppe.free.fr/b1e.pdf (ca. 0,2 MB).

Der erste Bericht findet sich unter www.argumente.de/ar/board.php?boardid=24, eine Zusammenfassung aller einzeln gerasterten Originalseitenbilder kann hier abgerufen werden: forschungsgruppe.free.fr/b1.pdf (ca. 1,8 MB), bzw. in anderer Formatierung: www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/erster_bericht.pdf (ca. 2 MB).

Der zweite Bericht ist hier einsehbar: www.argumente.de/ar/thread.php?threadid=82&boardid=23.

Der dritte Bericht wurde bereits von der Kommission als PDF veröffentlicht. Da die Internetseite der Kommission leergeräumt wurde, kann man diese Datei (ca. 2,3 MB) nur noch anderweitig abrufen, so etwa hier:
web.archive.org/web/20031211204808/rechtschreibung.ids-mannheim.de/gesamttext.pdf
bzw. hier: rechtschreibreform.de/K3/K3Gesamttext.pdf oder auch hier: forschungsgruppe.free.fr/b3.pdf.
Korrektur: Ich hatte an dieser Stelle behauptet, daß die Seiteneinteilung der PDF-Fassung nicht mit der des Originals übereinstimme und daß man letztere an anderer Stelle einsehen könne. Dabei hatte ich übersehen, daß das eine die offiziell veröffentlichte, endgültige Fassung ist, das andere aber eine vorläufige, als „vertraulich“ gekennzeichnete. Diese beiden Fassungen unterscheiden sich punktuell voneinander (siehe dazu hier). Letztere kann man am Stück, aber mit einzelnen Konvertierungsfehlern, hier als HTML einsehen: rechtschreibreform.de/K3/K3_alles.html, desgleichen seitenweise hier: www.argumente.de/ar/board.php?boardid=5. Es bleibt aber trotzdem der Eindruck, daß die offiziell veröffentlichte PDF-Fassung des dritten Berichts nachträglich aus einer anders formatierten Vorlage entstanden ist, denn es werden im PDF einige Überschriften durch Seitenwechsel unterbrochen, siehe etwa die Überschriften von Anlage 4 und Anlage 5, Seiten 114–116.

Prof. Icklers Kommentar zum dritten Kommissionsbericht steht als PDF (ca. 90 KB) zur Verfügung unter rechtschreibreform.de/K3/IcklerK3Kommkurz.pdf, mein eigener (ca. 260 KB), der sich auch auf den vierten Bericht bezieht (und der nochmal überarbeitet werden muß; Hinweise dazu gern per E-Mail), unter www.ifto.uni-jena.de/~jmartin/Berichtskritik_14Dez.pdf.

Vom vierten Bericht existieren zwei Fassungen, die sich in ihrer Bezugnahme auf die Buchstabenstrecke D des Österreichischen Wörterbuchs unterscheiden. Die ursprüngliche Fassung (ca. 560 KB) gibt es hier: rechtschreibreform.de/K4/K4ohneOWB.pdf bzw. hier: forschungsgruppe.free.fr/b4.pdf, die veränderte Fassung ist um ca. 200 KB größer, weicht jedoch nur auf einer Seite davon ab: rechtschreibreform.de/K4/Vergleich/.
Die Buchstabenstrecke D des ÖWB: rechtschreibreform.de/K4/OWB/.

Über die Gespräche der Kommission mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung im Mai 2004 gibt einen separaten Bericht (ca. 13 KB): web.archive.org/web/20040717174323/rechtschreibung.ids-mannheim.de/Bericht040517.rtf.
Dessen abschließendes Fazit ist ein Eingeständnis des Scheiterns der reformierten Getrennt- und Zusammenschreibungsregelung.
 
 

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