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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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15.10.2014
 

Gustav Korlén ist tot
Persönliche Anmerkungen

Unser Beiratsmitglied starb am vergangenen Freitag, wenige Monate vor seinem 100. Geburtstag.
Die Festschrift, die gerade für den 27. Januar 2015 vorbereitet wird, muß nun leider als Gedenkschrift erscheinen.

Gustav Korlén war ein sehr bedeutender Germanist. Er hat mir bis ins hohe Alter immer wieder geschrieben, "Moderna Språk" zugeschickt und sich unermüdlich für die bewährte Rechtschreibung eingesetzt. Diesen Zuspruch aus dem Ausland haben wir in der heißen Phase des Kampfes gegen die Reform dringend gebraucht. Schon früher habe ich oft mit ihm über allgemeinere Fragen des Fremdsprachenunterrichts und der Bildung in unseren Ländern gesprochen. Sein feiner Humor wird mir in Erinnerung bleiben.
Natürlich ist Korlén noch auf ganz anderen Gebieten tätig und einflußreich gewesen. Kaum ein Auslandsgermanist hat sich so um die zeitgenössische deutsche Literatur gekümmert (Gruppe 47 usw.)
Aber das hier soll kein Nachruf werden, dazu ist die Meldung noch zu frisch; ich wollte sie nur schnell weitergegeben haben.



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Kommentare zu »Gustav Korlén ist tot«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2016 um 09.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1625#32740

In der erwähnten Gedenkschrift für Gustav Korlén schreibt Gunnar Magnusson:

Die deutsche Rechtschreibung
In puncto Modernisierung hätte nun die Rechtschreibreform einen großen Beitrag für die deutsche Sprache leisten können – beispielsweise durch die Abschaffung der Großbuchstaben bei den Substantiven (außer bei Namen u.Ä.). Die komplizierte deutsche Syntax mit Nominalketten und erweiterten Attributen wird erst recht möglich durch die seit Ende des 18. Jahrhunderts strenge Regelung der Großschreibung der Substantive: „Die Einführung der Substantivgroßschreibung war ein mehrstufiger Prozess, der sich als ‚mechanische Selbstentwicklung‘, ohne Konzept, wie ‚sich immer weiter ausdehnende Kreise eines ins Wasser geworfenen Steines‘ expandiert hat“ (von Polenz 1994, 246f.). Die Zitate im Zitat (mit einfachen Anführungszeichen) entstammen einer Arbeit von Wolfgang Mentrup (1979, 18, 93). Die großgeschriebenen Substantive stehen da wie stolze Fichten:
„Diese von den von nah und fern kommenden Delegierten als typisch deutsch aufgefassten Formulierungen […]“. (Beispiel GM).
Ihre Bedeutung für die komplizierte deutsche Syntax sah schon Mark Twain ein (1900, 258): „all the [German] nouns begin with a capital letter. Now that is a good idea.“ Twain verstand sicherlich intuitiv, dass wir uns ohne die stolzen Fichten in der Dickichtsyntax gewisser Gattungen verlaufen würden. Ohne die Großschreibung würden Textproduzenten sich wahrscheinlich gezwungen fühlen, Sätze zu bauen, die überschaubarer und verständlicher sind. Das erhoffte Resultat wären kürzere Sätze und mehr Relativsätze wie im Schwedischen statt erweiterter Attribute. Nicht-Muttersprachler des Deutschen könnten den Kurs durch die deutsche syntaktische Landschaft viel leichter halten. Das wäre im Sinne der Modernisierung der deutschen Sprache eine Rechtschreibreform, die diesen Namen verdient (siehe Magnusson 2003, 136). Ist das ein unmöglicher Traum? Keineswegs. Die Dänen haben es geschafft. Meines Wissens hat ihre Abschaffung der Großschreibung bei den Substantiven im Jahre 1948 keinen Kulturverfall gezeitigt.


Der Gedanke, daß die deutsche Substantivgroßschreibung mit der Syntax zusammenhängt, ist nicht neu, aber schwer zu beweisen. Der schwerfällige Nominalstil kann auch unabhängig von der Schrift zurückgedrängt werden, wenn man sich allgemein an die Sprechbarkeit der Sätze hält und das pseudowissenschaftliche Imponieren unterläßt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 20.10.2014 um 13.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1625#27105

Ich hatte auch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung auf den Tod ihres Mitgliedes (seit 1960) hingewiesen, aber sie hat nicht reagiert, ist wahrscheinlich zu sehr mit der Vorbereitung der nächsten Festivitäten beschäftigt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 15.10.2014 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1625#27059

Korlén war noch als Greis frischer und angriffslustiger als die meisten »Juniorprofessoren« dieser Tage. Hartmut von Hentig bekam es zu spüren, als er auf der Herbsttagung der Darmstädter Akademie 2000 Sympathien für die Reform (und vielleicht noch mehr für die Reformer, seine Genossen, von denen der fettsüchtige Zabel selbst anwesend war) erkennen ließ.
 
 

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