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Theodor Icklers Sprachtagebuch

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10.02.2012
 

Unzeitgemäßes über Schule
Warum lernen unsere Kinder so wenig?

Eine junge Frau leistet nach dem Abitur ein Jahr soziale Arbeit in einem Dorf in Kenia. Sie gibt auch Englischunterricht in einer Schule, hilft regelmäßig im Waisenhaus.

Wenn sie die Klasse betritt, stehen alle Schüler auf und begrüßen sie im Chor; zum Ende der Stunde bedanken sie sich in derselben Weise für den Unterricht. Disziplinschwierigkeiten gibt es nicht, alle lernen konzentriert und kameradschaftlich.

(Im Krankenhaus, das dürftig genug eingerichtet ist, übernachten auch die Angehörigen der Kranken, denn es gibt keine ununterbrochene Dienstbereitschaft des wenigen Personals.)

Die Schule ist keine Prügelschule, und die Kinder werden auch zu Hause zwar streng, aber nicht brutal erzogen. Das anständige Benehmen ist ihnen selbstverständlich.

Als ich in Berlin Studienreferendar war (Gymnasium Steglitz – Ortskundige wissen, daß das keine prekäre Population ist), ging es in einigen Klassen drunter und drüber, je nach Lehrer. Wer Schwäche zeigte, war schon verloren. Eine Mathematiklehrerin kam oft weinend aus dem Klassenzimmer. Der Direktor schickte mich zur Begleitung mit, ich brüllte mal kurz, setzte mich furchterregend in die letzte Reihe, und es ging so ruhig zu, wie es sich auch die Schüler im Grunde wünschten. Denn alle oder fast alle leiden ja unter dem, was sie anrichten, aber sie können es von sich aus nicht ändern. So vergehen die Jahre.

Ich bin überzeugt, daß ich in diesem System auch untergegangen wäre, denn ich bin überhaupt nicht in der Lage, für Disziplin zu sorgen; das klappte nur einen Augenblick lang, weil mich keiner kannte.

Man ruft nach weiterer Verkleinerung der Klassen, aber das hilft nicht viel. Wenn eines Tages nur noch zwei Schüler in der Klasse sitzen, werden sie es trotzdem schaffen, den Unterricht zu stören und die Lehrerin fertigzumachen.



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Kommentare zu »Unzeitgemäßes über Schule«
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Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2019 um 05.12 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#41966

Haben eigentlich die Apollo-Astronauten (8 und 11) wirklich aus der Bibel gelesen und nicht einmal diese wenigen Worte auswendig gekonnt? Ist es vielleicht ein frommes Zeichen, die religiösen Texte nicht auswendig herzusagen, sondern aus der "heiligen Schrift" abzulesen?
Manche Religionen berufen sich auf das, was "geschrieben steht", andere auf das, was ein "gesprochen Wort war" (Goethe: Hegire).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.08.2019 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#41965

Meine Mutter hat bis ins Alter gern erzählt, wie sie mit mir als Grundschüler das Gedicht "Klaus ist in den Wald gegangen" eingeübt hat. Eigentlich habe ich Verse immer schnell und dauerhaft auswendig gelernt, aber dieses wollte mir einfach nicht in den Kopf. Jetzt bin ich auf ein Zitat gestoßen (in Otto Ernsts "Appelschnut"), da fiel es mir wieder ein. Es ist von Friedrich Wilhelm Güll, der früher in keinem Lesebuch fehlte.
Wie ich sehe, ist es wirklich ein schrottiges Machwerk, aber fürs Lesebuch hielt man solches Zeug wohl für gut genug. Ich will nicht sagen, daß es heute besser ist. Eine Zeitlang habe ich mir gratis Prüfexemplare von Schulbüchern schicken lassen und untersucht: Pädagogik der siebziger Jahre und überwiegend freudlos "gesellschaftskritisch".
Wahrscheinlich läßt es sich nicht ändern, daß ein großer Teil der Kindheit mit unnützen und nicht einmal lustigen Dingen verplempert wird.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 23.05.2017 um 19.55 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#35168

Ärzte, die nicht für ihren Beruf geschaffen sind, mögen hauptsächlich andere unglücklich machen. Berufsungeeignete Lehrer tun das aber auch.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 23.05.2017 um 14.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#35165

Nach meinen Bekenntnissen im Haupteintrag möchte ich noch folgendes bemerken. Im SPIEGEL stoße ich auf eine Person, die zu spät, nämlich erst im Referendariat, erkannte, daß sie nicht für diesen Beruf geeignet ist, und "hinschmiss". Darüber schreibt sie jetzt und hat vorher schon andere Lebenskrisen beschrieben (https://www.larissasarand.de/), versucht anscheinend davon zu leben.
Ich finde diese Art Literatur nicht besonders ersprießlich, aber wenn es anderen hilft, meinetwegen!

Tatsache ist, daß Lehrer zu einem großen Teil nicht für ihren Beruf geschaffen sind. Sie werden mehr oder weniger unglücklich, während Ärzte, von denen man dasselbe sagen muß, hauptsächlich andere unglücklich machen.

Das sind zwei Berufe, bei denen die Rekrutierung des Nachwuchses besonders problematisch ist. Medizin glauben viele studieren zu müssen, weil sie nun mal Einser-Abiturienten sind, Lehramt eher aus Verlegenheit und weil man keinen anderen Beruf so gut zu kennen glaubt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 09.11.2016 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#33803

Olga Martynova meint in der FAZ (8.11.16), Schüler sollten Gedichte lieber auswendig lernen als „analysieren“. Tatsächlich bringt nichts die jungen Menschen so sehr von der Dichtung ab und treibt sie schlimmstenfalls der Literaturwissenschaft zu wie das ständige „Analysieren“. Es führt unvermeidlich zu der Ansicht, Literatur werde zum Zweck der Textanalyse geschrieben – und warum sollte einen das interessieren? Die sogenannte Wissenschaftsorientierung der Schule greift auf Fächer über, wo sie nichts zu suchen und zu gewinnen hat.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 08.10.2015 um 13.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#30221

Die Jugendlichen aus dem Nahen Osten und Nordafrika brauchen dringend "ein anderes Bild vom Lernen". Was Kultur und Wirtschaft dieser Regionen fehlt, ist natürlich Zuversichtskompetenz.

http://www.cicero.de/berliner-republik/interview-wir-brauchen-ein-anderes-bild-vom-lernen/59953
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.10.2015 um 12.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#30220

Die Jugendlichen aus dem Nahen Osten und Nordafrika sind Frontalunterricht gewohnt und lehnen Partner- und Gruppenarbeit oft rundweg ab. Vorn steht der Lehrer, die unangefochtene Autorität. Ich – allein! ist die sehr bestimmte Antwort, wenn eine Übungsaufgabe mit dem Partner bearbeitet werden soll.

Ob sich das später fortsetzt und einiges an Kultur und Wirtschaft dieser Regionen erklärt??
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 24.09.2015 um 10.48 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#30053

Nachtrag zum "Nis Randers": Am nächsten Tag habe ich einem 85jährigen Landschaftsgärtner aus Unterfranken das Stichwort gegeben, und er hat den ganzen "Nis Randers" aufgesagt, fehlerfrei! Wahrscheinlich hatte er dazu 75 Jahre lang keine Gelegenheit gehabt. Oft habe ich betagte Menschen getroffen, die den Herrn von Ribbeck im Havelland noch konnten.
Nun, ihr trefflichen Neuropsychologen, erkläret mir dieses Wunder der Natur!
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.08.2015 um 07.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#29775

Natürlich sollte man sich gut überlegen, was man in die Lesebücher aufnimmt.
Gestern abend bei einem Unwetter hier auf der Sandbank Juist fiel mir "Nis Randers" ein, den ich nach 60 Jahren immer noch fast auswendig kann. "Da hängt noch ein Mann im Mast" und das ergreifende "Sagt Mutter, 's ist Uwe" gehören bei uns zur Familiensprache, und ich habe wieder Tränen lachen müssen, als ich es meiner Frau vortrug. Tja, die poetae minores haben ganze Generationen geprägt. Aber ist der saure sozialpädagogische Kitsch der neueren Lesebücher denn besser?
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.03.2015 um 12.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#28425

In einem bestimmten Studiengang haben die Studenten die Aufgabe, ein kurzes Gedicht dramatisch vorzutragen. Kein einziger hat die kleine Mühe auf sich genommen, den Text auswendig zu lernen – an sich eine Vorbedingung fürs Gelingen. Sie lesen also mehr oder weniger vom Zettel ab. Dasselbe beobachtet man bei Chören.
Das hängt bestimmt mit der Schule zusammen, die das Auswendiglernen als das Allerletzte verbannt hat.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 26.11.2014 um 08.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#27442

Seit es die Zeitungen breitgetreten haben, wird man in jedem Gespräch über Schule und Sprache mit der Empörung darüber konfrontiert, daß die Lehrer Rechtschreibfehler nicht mehr korrigieren usw.
Abgesehen davon, daß es nicht stimmt und daß Lehrer schon immer nur schrittweise die Texte der Kinder an die Orthographie herangeführt haben (und ganz bestimmt nicht wie bei Schmachthagen die GZS von Verbgefügen zum Stolperstein gemacht haben) – wollen wir etwa auch die Sprechversuche der Kleinsten schon korrigieren, aus lauter Besorgnis, daß sie sonst niemals richtig sprechen werden? Kaum konnten unsere Mädchen schreiben, füllten sie ihre Hefte mit selbstgemachten Gedichten. Hätten wir die Metrik korrigieren, auf reine Reime achten sollen? Sie sind für meine Begriffe sprachgewandt genug geworden, und nichts amüsiert sie und uns so sehr wie ihre Gedichte von damals. (Darunter ist eine düstere Ballade der Jüngsten mit dem Titel "Das Grausam", mit gesundheitsgefährdendem Erheiterungswert.)
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 18.08.2014 um 23.21 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#26577

»In Hamburg müssen Grundschüler künftig am Ende der 4. Klasse einen Basiswortschatz von 785 Wörtern oder Wörtergruppen sicher beherrschen.«

Es wird nicht gesagt, was passiert, wenn sie ihn nicht beherrschen. Vielleicht müssen sie dann ein Praktikum beim Spiegel antreten.

785 Wörter »oder Wörtergruppen« klingt jedenfalls eher nach 4. Lebensjahr als nach 4. Klasse.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.04.2014 um 13.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#25681

Kindermund erfreut ja immer, deshalb noch schnell zwei Geschichterchen.

Unsere Jüngste half in der 5. Klasse einem Klassenkameraden in Handarbeit beim Nähen. Er flüsterte ihr bewundernd ins Ohr: "Ich habe immer an dich geglaubt."

Einen anderen (oder war's derselbe?) traf sie beim Heimweg mit dem Handarbeitszeug in den Händen, vor sich hinhäkelnd. Als ein anderer drohte, ihn zu verpetzen, weil er schon für die nächste Stunde vorhäkele, sagte er: "Ich mach das doch nur aus Versehen."
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.01.2014 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#24831

Wenn man sich das wabbelige Hirn ansieht, kann man nur staunen, wie lange das Auswendiggelernte überdauert. Meine Mutter konnte noch Gedichte aufsagen, die sie 70 Jahre zuvor gelernt hatte, in genau demselben Tonfall, wie es der Lehrer damals einstudiert hatte. So habe ich dann auch Fontane mitbekommen:

Schwedische Heide, Novembertag,
Der Nebel grau am Boden lag,
Hin über das Steinfeld von Dalarn
Holpert, stolpert ein Räderkarrn.

Ein Räderkarrn, beladen mit Korn;
Lorns Atterdag zieht an der Deichsel vorn,
Niels Rudbeck schiebt. Sie zwingen's nicht,
Das Gestrüpp wird dichter; Niels aber spricht:

usw.

Der linkische Räderkarrn hat sie und mich so wenig gestört wie die Deichsel vorn. Die Hauptsache war, daß das Holpern und Stolpern durch die übertriebene Artikulation recht deutlich wurde.
Das fiel mir gerade wieder ein, weil ich noch einmal Ludwig Reiners' alberne Anweisungen zum "Rumpeln" des Bauernkarren gelesen hatte.

 
 

Kommentar von Kohl, verfaßt am 28.12.2013 um 18.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#24698

Das erinnert mich daran, daß ich in Taiwan mal eine Familie getroffen habe, die ihre Tochter im Kindergarten die Klassiker von Zhuangzi und Konfuzius hat auswendig lernen lassen (einschließlich Schreiben).
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.12.2013 um 12.59 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#24697

Kinder lernen leicht und schnell auswendig. Ich habe es bei meinen Kindern wieder erlebt, wundere mich aber auch manchmal über mich selbst, weil ich so vieles aus meiner Schulzeit im Kopf behalten habe, auch Lateinisches, das mich damals gar nicht interessierte. Mündliche Kulturen nutzen diese Möglichkeit, den Kindern vieles beizubringen, was ihnen erst später erklärt werden kann, umfangreiche und schwierige Textmassen wie in Indien zum Beispiel.

Was man aber als Kind auch alles hinnimmt, ohne zu murren! Wir haben damals im evangelischen Religionsunterricht etwas gelernt, was mir ungefähr so in Erinnerung geblieben ist:

Wenn unser Herr Jesus sagt „Tut Buße“, so will er, daß das ganze Leben der Gläubigen eine Buße sein soll.

Ich weiß nicht, welche der vielen Übersetzungen von Luthers erster These das war. Aber ich habe so wenig wie meine Klassenkameraden dagegen protestiert, daß mein ganzes Leben eine Buße sein soll. Ist das eigentlich eine verantwortbare Perspektive für kleine Jungen und Mädchen? Ich kann mich auch nicht erinnern, daß der Lehrer es irgendwie relativiert hat. Natürlich hat er sich nicht daran gehalten, wir ja auch nicht. Aber aufgesagt haben wir es.

Kinder lernen leicht und schnell, aber um so mehr sollte man sich überlegen, womit man ihre Hirne zu imprägnieren gedenkt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 25.10.2013 um 05.00 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#24267

Nachdem kürzlich die Überlegenheit der ostdeutschen Schulen festgestellt wurde, ging das Erraten der Gründe los. (Ich lasse dahingestellt, was an den Untersuchungen dran ist.)

Eine Leserin schrieb in der FAZ, der Ausdruck Frontalunterricht sei irreführend negativ, man solle von dialogischem Unterricht sprechen. Daran ist etwas Wahres, und es zeigt wieder einmal die Macht der Sprache. Wir haben ja schon gesehen, wie es wirkt, wenn Deutschland in irgendeiner Hinsicht Schlusslicht sein soll (ich schreibe es reformiert, weil das gewissermaßen ins Bild paßt). Die Wörter fördern den blindwütigen Aktionismus und schaffen damit Arbeitsplätze.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 03.09.2013 um 18.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#23974

Spiegel online: Gabriel will Hausaufgaben abschaffen

Er sei dafür, Hausaufgaben abzuschaffen, hat Sigmar Gabriel gegenüber der "Rhein Zeitung" erklärt. Schließlich könnten Mütter und Väter, die nicht studiert haben, ihren Kindern nicht so gut helfen wie Akademikereltern. Damit beginne die Ungerechtigkeit. "Und deswegen will ich, dass das in der Schule stattfindet und nicht im Elternhaus." Abgesehen davon, daß Gabriel nicht zu wissen scheint, welchem Zweck Hausaufgaben dienen, ist es natürlich eine selten blöde Idee, ausgerechnet solche Eltern an der (für den Staat kostenlosen!) Nachwuchsförderung zu hindern, die dafür besonders qualifiziert sind. Man darf aber nicht verkennen, daß die SPD auch einen Erkenntnisgewinn zu verzeichnen hat. Es ist nicht lange her, da galten ihr von Haus aus aufgeweckte Kinder als privilegierte Brut der "Reichen". Nun spricht sich offenbar herum, daß nicht Reichtum, sondern Zuwendung schlau macht. Und die kann man ja unterbinden.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.08.2013 um 06.01 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#23887

Solche Lernstifte sind eigentlich schon länger auf dem Markt:

http://harrypotter.wikia.com/wiki/Spell-Checking_Quill

Ihre Fähigkeiten sind auch nicht auf Rechtschreibkontrolle beschränkt, wie man in Band 6 der Harry-Potter-Serie nachlesen kann.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 08.08.2013 um 05.41 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#23866

"Der Lernstift soll den Schreibanfängern eine bisher nicht gekannte Hilfe sein, wenn sie die Kunst des Schreibens erlernen wollen. Dank eines eingebauten Prozessors meldet sich das Werkzeug nicht nur dann zu Wort, wenn ein Buchstabe daneben geht oder die Buchstabenfolge nicht mit der gültigen Rechtschreibung übereinstimmt.

Der Lernstift macht sich auch dann bemerkbar, wenn bei den Übungsstunden die Schönschrift ihren Namen nicht mehr verdient und das Schriftbild verwackelt ist.
Dann vibriert der Stift und weist den Anfänger darauf hin, dass irgendetwas nicht stimmt. Was genau nicht den Regeln entspricht, wird dem Nutzer allerdings nicht mitgeteilt."

(www.wz-newsline.de; ähnlich in anderen Zeitungen)

Das war vor einem Jahr auch schon zu lesen, inzwischen scheint der Erfinder Geld aufgetrieben zu haben und den schreibenden Vibrator tatsächlich herzustellen.

Seit Jahren wird als neueste pädagogische Einsicht verbreitet, die Kinder nicht durch sofortige Korrektur sämtlicher Fehler zu entmutigen, und nun wird das genaue Gegenteil in begeisterten Tönen verkündet – nur weil es technisch möglich ist. Man muß kein Prophet sein, um dieser netten Spielerei keine Zukunft zu geben.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.06.2013 um 06.58 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#23498

Von Arne Ulbricht gibt es nun auch ein Buch gleichen Inhalts, die FAZ bespricht es wohlwollend, kritisiert allerdings die Einseitigkeit und Ichbezogenheit, auch die Pauschalurteile in krasser Sprache. Dauerempörung, besonders über den Beamtenstatus. Davon werden die Schulen auch nicht besser.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.12.2012 um 10.52 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#22213

Süddeutsche Zeitung 29.12.12: Wieder ein Beitrag von Arne Ulbricht, der nach vielen Jahren als Vertretungslehrer mit 40 doch noch Beamter geworden ist, aber bald darauf um Entlassung nachgesucht hat und nun als angestellter Lehrer arbeitet. (Vgl. auch seine Beiträge in der SZ vom 25. und 30.7.2011) Als Grund führt er u. a. an, der Beamtenstatus schränke die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit ein; er sagt aber selbst, das sei wohl meist nicht relevant. Ulbricht gibt selbst zu, daß auch andere Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber nicht uneingeschränkt kritisieren dürfen, aber für Beamte will er das nicht gelten lassen. (Soll die Unkündbarkeit mit weniger statt mehr Loyalität vergolten werden? Wegen Kritik an der Rechtschreibreform scheint es Repressalien gegeben zu haben, aber solche Details interessieren Ulbricht nicht.) Wieder erwähnt er, daß Beamte für die gleiche Leistung 500 Euro mehr bekommen, fügt aber diesmal hinzu, man sei wegen Beihilfe „günstig privatversichert“ (man zahlt immer noch mehrere hundert Euro je nach Familienstand, wodurch der Vorsprung wieder futsch ist). Ungerecht findet er, daß Kranke und Dicke nicht Beamte werden können, weil der Staat sich die Kosten der Frühpensionierung sparen will. Nun, immerhin ist es Steuergeld. („Wie sollen wir Lehrer denn darauf reagieren, wenn ein dickes Kind in der Klasse gemobbt wird, wenn der Staat mit derart schlechtem Beispiel vorangeht?“ Das ist so sein Niveau.)

Ulbricht stellt sich selbst wieder mal als Helden dar. Als Beamter leiste er keinen Beitrag zur Bekämpfung der (Alters-)Armut, weil er keinen Cent in die Rentenversicherung einzahle. Aber das hat der Staat in die Besoldung bereits eingerechnet; man muß natürlich das System der Besoldung im Ganzen einbeziehen – auch die Besoldungsstufen. Den Beamten geht es gut, einfache Polizisten könnten mehr verdienen, aber so richtig viel verdienen sie alle nicht, warum sollten sie auch? (Meine Siemens-Bekannten verdienen alle mehr als ich, das finde ich auch richtig.) In seinem ersten Buch (demnächst bei Vandenhoeck – alle anderen scheinen keinen Verlag gefunden zu haben) will er nun das „Elend der Verbeamtung“ darstellen. Sind die Beamten nun vom Staat verwöhnte Luxusgeschöpfe oder Elendsgestalten? Kurzum, die Gründe erscheinen vorgeschoben und inkonsistent. Eine gründliche Analyse des Beamtentums ist es jedenfalls nicht. Und wenn jemand nach eigener Aussage nur deshalb Lehrer geworden ist, „weil es mit der Schriftstellerkarriere nicht geklappt hat“, und lange keine Lehrerstelle bekommen hat, weil seine Examensnoten zu schlecht waren (was auch schon ein Kunststück ist), dann wirkt auch seine Selbstdarstellung als pädagogisch überaus verantwortungsbewußt nicht besonders überzeugend. Er scheint es nirgendwo lange auszuhalten und stilisiert nun dieses persönliche Problem zu einer gesellschaftskritischen Großtat. Früher hat er geradezu sein Scheitern zu Geld zu machen versucht, diesmal stellt er es etwas indirekter an.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 27.06.2012 um 07.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20947

In der Rheinischen Post wird mal wieder gegen Jürgen Reichens Methode "Lesen durch Schreiben" polemisiert. Je nachdem, welche Didaktiker man dazu befragt, findet man diese oder jene starke Meinung, es ist eben ein ideologischer Krieg ohne viel Empirie. Die "Methoden" des Unterrichts sind ja allgemein viel zu schlecht definiert und operationalisierbar, als daß man sie wirklich testen könnte.

Alle Kinder schreiben nach dem ersten Kennenlernen der Buchstaben phonetisch – oder gar nicht. Mit dem eigenen Lesen gehen sie dann zu orthographischer Schreibweise über, unterstützt durch Hinweise und Vormachen. Daran können "Methoden" nichts ändern.

Damit können sich Didaktiker natürlich nicht zufriedengeben, denn, wie ich heute anderswo eingetragen habe:

"It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends upon his not understanding it!"
 
 

Kommentar von WELT online, 31. März 2012, verfaßt am 05.04.2012 um 22.18 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20367

Nicht jeder Zappelphilipp hat ADHS

Wer zappelt, impulsiv ist und sich nicht gut konzentrieren kann, muss ADHS haben. Nach solchen Faustregeln entscheiden Jugendpsychiater häufig. Dass sie oftmals falsch liegen, zeigt eine neue Studie.

[...]

Die ADHS-Diagnose sei inflationär geworden, kritisieren die Wissenschaftler: Zwischen 1989 und 2001 sei die Zahl der Fälle in der klinischen Praxis um fast 400 Prozent gestiegen. Die Ausgabe von ADHS-Medikamenten verneunfachte sich von 1993 bis 2003. Auch die Dosierungen wurden erhöht. Diesen Zahlen und dem offenbar großen öffentlichen Interesse an ADHS stehe "eine bemerkenswert geringe Basis an empirischen Studien zu diesem Thema gegenüber", schreiben die Autoren der Studie.

(www.welt.de)
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 13.03.2012 um 13.09 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20232

Die altmodischen Unterrichtsformen kommen laut Lavys Studie eher sozial Schwachen zugute, während die neueren Methoden tendenziell Schüler aus höheren Gesellschaftsschichten begünstigen. Keine große Überraschung. Daß die Schwafelschule Prekariatskinder – namentlich solche mit schlechten Deutschkenntnissen – benachteiligt, dürfte selbst dem Heer der fortschrittlichen Bildungsideologen klar sein. Aber man muß ja nicht alles glauben, was man weiß.
 
 

Kommentar von Handelsblatt, 11.03.2012, verfaßt am 12.03.2012 um 16.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20230

»Frontalunterricht ist besser als sein Ruf

Das sture Auswendiglernen gilt modernen Bildungsforschern als veraltet und uneffektiv. Eine Studie aus Israel kommt nun teils zum gegenteiligen Schluss. Entscheidend sei vielmehr ein Mix der Lehrmethoden.«

www.handelsblatt.com
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 28.02.2012 um 20.10 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20193

Marco Mahlmann, #20064:

ADHS

''Über ADS und ADHS kann man sich streiten. Es gibt Untersuchungen, die eine Stoffwechselstörung ausmachen; Medikamente zeigen bei manchem auch Wirkung. Gewiß gibt es daneben andere Fälle. Eine Krankheit ist aber nicht dadurch »erfunden«, daß sie »modern« ist und oft diagnostiziert wird.''

Psychische ''Krankheiten'' werden auf von Pharmakonzernen gesponserten internationalen Psychiatrie-Kongressen durch Mehrheitsbeschluß definiert. Da gibt es z. B. die ''Lesestörung'', die ''Rechenstörung'',
die ''Störung des sprachlichen Ausdrucks'', die ''Kleinkind-Rivalitätsstörung'', die ''Störung mit oppositionellem Trotzverhalten'' etc. Diese werden dann im Diagnosehandbuch DSM (Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen) aufgenommen, damit sie abgerechnet werden können. Danach werden dann Kinder und Jugendliche mit diesen erfundenen ''Krankheiten'' etikettiert und bekommen die entsprechenden Psychodrogen – ''Medikamente'' – verschrieben. Natürlich zeigen diese Drogen auch bei manchen eine Wirkung, einschließlich katastrophaler Nebenwirkungen: Suchtgefahr, erhöhtes Krebsrisiko, erhöhte Selbstmordtendenzen, erhöhte Gewaltbereitschaft, medizinische Probleme etc.

Strafen

Kinder und Jugendliche müssen ihre Grenzen erkennen bzw. müssen Grenzen gesetzt bekommen, dies ist heute jedoch (von einer weinerlichen linksideologischen Lehrerschaft) nicht mehr erwünscht.

Herr Mahlmann, es geht nicht daran, Lust am Strafen etc. zu empfinden. Es geht darum, als Lehrer ein Mittel an der Hand zu haben, bestimmten Schülern zu zeigen, daß der von ihnen eingeschlagene Weg falsch ist/nicht zum Ziel führt oder unfair den Mitschülern gegenüber ist. Wenn Sie insbesondere letzteren Punkt nicht vermitteln können, dann haben Sie nicht nur als Lehrer, sondern auch als Mensch und als Demokrat versagt! Sorry!

Wenn Sie als Lehrer nur der ''Dutzfreund'' Ihrer Schüler sein wollen, ihnen aber nicht ihre Grenzen aufzeigen können oder dürfen, dann läuft da was falsch. Wie aber wollen Sie einem Schüler seine Grenzen aufzeigen, wenn Sie ihm diese Grenzen nicht zeigen bzw. erfahren lassen dürfen? Bilden sich Pädagogen etwa ein, daß Schüler Ihre psychologischen und pädagogischen Tricks nicht durchschauen? Ein Schüler, der seine Mitschüler mobbt, bedient sich psychologischer Tricks, es ist daher naiv, anzunehmen, daß Sie ihn mit pädagogischen ''Psychotricks'' von seinem ''Spaß'' abhalten können.

Zeitlicher Aufwand für die Schule

Zu meiner Realschulzeit waren zwei bis vier Stunden Hausaufgabe die Regel, vom ersten bis zum letzten Tag. In der fünften Klasse mußte ich die DJK aufgeben, da ich danach immer zu müde war. In den ersten Jahren waren pro Jahr ein oder zwei Jahresarbeiten anzufertigen, zusätzlich zu den regulären Hausaufgaben, vom Ärger mit den Klassenfahrten ganz zu schweigen. Zudem wurde ich während der Realschulzeit massiv gemobbt. Später mußte ich – als einziger meiner Klasse – zusätzlich für zwei Halbjahre am sog. ''Kompensatorischen Sportunterricht'' teilnehmen, was zwei Stunden Sport pro Woche zusätzlich bedeutete, habe aber nie erfahren, warum. Irgendwann – am Anfang oder Ende einer Schulstunde – schoß mir mal durch den Kopf, wie man denn Mathe verstehen können soll, wenn man dauernd geärgert wird? Gegen Ende der Realschulzeit hatte ich einen Job, um mein Taschengeld aufzubessern. Trotz alledem stand ich immer zwischen zwei und drei.

In der Realschule gab es generell mehr Hausaufgaben als in der Oberstufe. Ich habe für die Schule nie so wenig getan wie in der Oberstufe, dafür hatte ich da aber drei Nebenjobs. Der Lernstoff in Bio in der Oberstufe war zum Teil nur Wiederholung des Lehrstoffs aus der Realschule. Herrn Icklers Beobachtungen bezüglich Biologiebücher/Unterricht (Citratcyclus) kann ich bestätigen. Habe das auch fürs Abitur gelernt. Es hieß, daß, weil die Gymnasiasten mehr Zeit hätten (13 Jahre statt 10 Jahre), sie in der Sekundarstufe zwei nicht so viel tun bräuchten. Irgendwie unfair, nicht?
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 28.02.2012 um 19.53 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20192

Erich Virch, #20043:

Manipulierende Einleitungen in Zeitungsartikel etc.

Diese Einleitungen sind dazu da, den Leser auf den kommenden Artikel einzustimmen und seine Zustimmung zu erheischen. Da wird natürlich manchmal ziemlich übertrieben. Ich wüßte auch nicht, wie hier der ''Konkurrenzkampf'' motiviert sein soll, oder sind gute Noten bereits so knapp, daß darum unter den Schülern erbittert gekämpft werden müßte?

Ob die verordneten Pillen die Kinder ''ruhigstellen'' steht nochmal auf einem anderen Blatt, schauen Sie mal bei Wikipedia unter ''Ritalin'' oder ''Methylphenidat'' nach:

Methylphenidat ist ein Arzneistoff mit stimulierender Wirkung.

Beeindruckend ist auch die Liste mit Nebenwirkungen, wobei ich den Eindruck habe, daß hier vieles noch verharmlosend dargestellt wird, insbesondere wenn man bedenkt, daß viele Schüler auch noch andere Drogen nebenher nehmen.

Mögliche Ursachen für hyperaktives Verhalten, hier eine Zusammenfassung aus meiner Quelle:

Langeweile, Familiäre Probleme, Abwertung und Selbstabwertung, fehlender Respekt, Unterdrückung (unter diesen Punkt fällt hier die Mobbing-Problematik), Launen von Erwachsenen, Hochbegabung, Passivität (hierunter fällt Fernsehkonsum), Bewegungsmangel, Schlafstörungen, falsche bzw. schlechte Ernährung oder Unterernährung, Vitamin-, Zink-, und Eisenmangel, Ritalin, Amphetamine und andere Aufputschmittel, Medikamente, Drogen, Gifte, Koffein (z. B. in Limonaden), Vergiftungen (Blei, Quecksilber, Mangan, Pestizide an ungewaschenem Obst und Gemüse, Benzingase, Desinfektions-, Holzschutz- und Unkrautvernichtungsmittel, Möbelpolitur, Lufterfrischer), Infektionen, Allergien, Würmer, Hefepilzbefall, Hör- und Sehstörungen, Kopfverletzungen, Blutarmut, niedriger Blutzuckergehalt, Stoffwechselstörungen, Schilddrüsenstörungen, Diabetes, Spätfolgen von Ohrenentzündungen, Störungen im Immunsystem und Herzerkrankungen, Tourette-Syndrom (Ursache unbekannt, wird aber mit dem Nehmen von Ritalin in Zusammenhang gebracht), Gehirntumore.

Es ist natürlich leicht möglich, daß für ein Kind mehrere dieser Punkte zutreffen.

In dieser Quelle findet sich auch eine lange Liste von durch Methylphenidat verursachter körperlicher Probleme.

Erich Virch, #20068:

Schüler, die sich um Inhalte bemühen, werden diese sehr wahrscheinlich auch ganz gut vortragen können, die höchste Eloquenz nutzt nichts, wenn die Inhalte nicht verstanden werden. Außerdem dürften die ''Gruppen'' in der Schule eher sehr klein sein, maximal drei bis vier Schüler.

Gruppenarbeit, Projektarbeit, Mannschaften im Sportunterricht sind aufgezwungene Interaktion zwischen Mitschülern. Das wird zur Hölle, wenn der Mobbing-Terrorist in der Gruppe seines Opfers ist, was für dieses eine ständige Bedrohung darstellt.

Meines Erachtens spricht nichts gegen den Frontalunterricht, er ermöglicht es, unter dem Tisch zu lesen oder einfach mal abzuschalten. Kein Mensch kann 45 oder 90 Minuten ununterbrochen aufmerksam sein.

Weiterhin sollte auch gesehen werden, daß Krankheit und Tod eines Verwandten ein Kind innerlich stark beschäftigen kann, so daß die schulischen Leistungen sinken.
 
 

Kommentar von Karl Hainbuch, verfaßt am 28.02.2012 um 19.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20191

Prof. Ickler bringt am 12.02.2012 um 08.35 Uhr passend zum Thema die Droge Ritalin ins Spiel. Angeblich wird sie in USA von Kindern mit Rezept an Kinder ohne ein solches verdealt und von diesen dann zerbröselt und gesnieft. Ob es stimmt, weiß ich nicht, es wäre nicht verwunderlich. Dem pharmazeutischen Laien fällt auf, daß die Kombination "gezügelter Appetit" und "gesteigerte Arbeitsfreude" der beschriebenen Wirkung von Kokain zumindestens ähnelt. (Zu meiner Schulzeit gab es "X 112", mit Pseudoephedrin, 1000 Tropfen für zwanzig Mark, rezeptfrei in der Apotheke: Ungefähr sechs Stunden kein Schlaf, keinen lästigen Hunger und jede Menge Lust zu arbeiten, und sei es nachts um halb drei.)

"Die FAS vom 12.2.12 bringt passenderweise einen großen Artikel über Ritalin. Rund 1,8 Tonnen davon werden jährlich an deutsche Kinder, meist Jungen, verfüttert. ADHS heißt die erfundene Krankheit, die es heilen soll. Jeder zehnte Junge soll daran leiden. Ein ganzes Volk vergiftet seinen männlichen Nachwuchs." Grund genug für Heiligen Zorn!

Zu meiner Schulzeit fing das Fernsehen gegen 16 Uhr an, halb elf war Sendeschluß, samstags gab es einen "Spätfilm", und die Dritten, erklärtermaßen für "Bildung" zuständig, hatten in den Sommerferien Sommerpause. Es gab noch kein kika, nick, toggo, ravensburger tv und wie die ganzen medienpädagogisch begleiteten bunten Wunderwelten sonst noch heißen mögen. Auch noch kein Gta4. (Die Empfehlung, einen Selbstversuch durchzuführen, kann hier getrost weitere Beschreibungen ersparen. Es muß ja nicht, wie bei "Super Slime me", ein ganzer Monat sein.)

Erfundene Krankheit? Wäre es nicht ein Wunder, wenn die Kleinen das unbeschadet überstehen?

Damals hörte man häufig von den Gefahren des Fernsehens für die Gesundheit der Kinder, von zu häufigen und zu schnellen Bildwechseln war die Rede. Die Mahner – heute vergessen – haben recht behalten.

Die Position des Warners und des Mahners vor einer schrecklichen Zukunft scheint attraktiver zu sein als die dessen, der sachlich den Bestand in der Gegenwart aufnimmt und darüber befindet: "Unsere Kinder sind in einem Zustand, der fördernde Drogen sowie in Schulnähe bereits stadtbildprägende Nachhilfeinstitute erforderlich erscheinen läßt."
 
 

Kommentar von Wolfgang Wrase, verfaßt am 28.02.2012 um 16.19 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20188

Ohne es beweisen zu können, sehe ich Fernsehen & Co. als Hauptschuldige an. Diese bewegten Bilder sind eine unglaubliche Verwöhnung im Vergleich zum Lesen, zum sonstigen "aktiven Hinsehen" und zum ernsthaften Nachdenken. Alles ist optimal aufbereitet, und man muß sich nicht anstrengen, während man berieselt wird. Ich stelle regelmäßig fest, daß ich in einer Stunde Lesen mehr lerne als in einer Stunde Fernsehen, auch wenn ich vorzugsweise informative Formate konsumiere. Trotzdem pendle ich immer wieder zum Flimmerkasten zurück, anstatt die höhere Ergiebigkeit des Lesens zu nutzen. Man müßte es wirklich wie der Professor machen: einen Müllcontainer unter dem Fenster aufstellen und das teuflische Gerät beidhändig hineindonnern.

Dazu kommen Computer und das Internet. Man hält es für normal, innerhalb einer Sekunde jede beliebige Information serviert zu bekommen. Wie sollen Kinder, die damit aufwachsen, Konzentration und Bemühung lernen? Meiner Meinung nach kann man mit besseren Schulbüchern kaum gegen diese Einflüsse ankommen. Um so wichtiger könnte es andererseits sein, Schulbücher ansprechend zu gestalten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 28.02.2012 um 09.16 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20186

Die Schulbücher – ich kann mangels eigener Forschung nur Eindrücke wiedergeben – waren früher mehr auf das Verständnis und Interesse von Schülern abgestimmt. Ich weiß noch sehr genau, daß es für mich immer ein Festtag war, wenn die neuen Schulbücher ausgegeben wurden. Mein Musterbeispiel aus neuerer Zeit ist das Biologiebuch. Ich habe wohl schon einmal das Gymnasiallehrbuch von Karl von Frisch gerühmt, das natürlich aus der Sicht unseres heutigen "wissenschaftsorientierten" Biologieunterichts indiskutabel wäre und daher schon lange nicht mehr verwendet wird. Man kann sich kaum noch vorstellen, daß es tatsächlich in Bayern zugelassen war. Schöne Bilder, ausgezeichnet geschriebener Text, stellenweise sogar witzig.

Die heutigen Bücher sind schwerverständlich, haben nachweisbar eine früher nicht gekannte Dichte von Fachterminologie (wobei viele Ausdrücke nur einmal und dann nie wieder vorkommen) usw. (Ich habe das Register einiger dieser Bände ausgezählt – mehr als 2.000 Fachausdrücke sind keine Seltenheit.) Das Ganze wäre nur gerechtfertigt als erste Stufe des Biologiestudiums, und selbst dann wäre es didaktisch ungeschickt. Aber die Gymnasien sollen ja immer noch allgemeinbildend sein. Biologie ist ja nur eines von vielen Fächern, und nirgendwo das wichtigste. Der letzte Beweis der Unbrauchbarkeit besteht darin, daß unsere Kinder sofort nach dem Abitur das meiste wieder vergessen haben. Die starke Ausrichtung an der Biochemie soll wohl eine Verzahnung mit dem Chemieunterricht bewirken, aber der ist ja oft schon abgelegt, und die Verzahnung der Fächer klappt sowieso nirgends.

Man scheint eine Heidenangst vor der Popularisierung zu haben. Aber sogar Einstein hat gesagt, er habe seine Begeisterung für die Physik einigen populärwissenschaftlichen Schriften zu verdanken. Dieselbe Souveränität findet man bei Altmeister Karl von Frisch, der sehr gut wußte, daß das komische Verhalten der Putzerfische später noch eine tiefere Erklärung finden mußte und auch würde, wenn nur einmal das Interesse an der Natur durch die Schule gefördert statt getötet sein würde.

Als unsere Töchter noch klein waren, bin ich manchmal mit ihnen und ihren Freundinnen durch den Wald spaziert, der gleich hinter dem Haus beginnt. Mein Versuch, ihnen Vögel zu zeigen und zu benennen, scheiterte an der regelmäßigen Antwort, sie hätte neulich im Fernsehen noch viel tollere Vögel gesehen usw. Die Lehrer unternahmen niemals irgendwelche Exkursionen in die Umgebung, Wandertage verliefen in der bekannten Art und bestanden manchmal nur im Kinobesuch. Über Symbiosen lernte man einiges Chemische aus den Büchern, aber niemand kam auf den Gedanken, sich das mal in natura anzusehen. Ich war oft ganz verblüfft über das Desinteresse. Zum Beispiel fällt mir seit Jahren auf, daß die Flechten vor dem Haus, auf dem Dach und sogar auf Straßenrändern stark zu genommen haben, was mit der Verbesserung der Luft zusammenhängt, denn Flechten sind sehr empfindliche Indikatoren. Unsere Schulkindern büffeln irgendwelche Zitronensäurezyklen und vergessen sie alsbald wieder, allem ökologischen Tagesgeschwätz zum Trotz. Für das, was vor aller Augen liegt, haben sie keinen Blick und keine Sprache. Ich halte das für eine Fehlentwicklung und bin erstaunt, wie weit es vom allgegenwärtigen Bekenntnis zum "schülerzentrierten" Unterricht usw. entfernt ist.

Man kann Kinder nicht nur durch Kopfnüsse quälen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 27.02.2012 um 19.43 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20184

Zu den Beiträgen von Theodor Ickler

#20041: Klassenstärke

Die Schüler wurden früher völlig anders (strenger) erzogen. Damals gab es noch Kopfnüsse vom Lehrer, sie waren generell besser erzogen und durften, falls eklatantes Fehlverhalten vorlag, noch richtig bestraft werden. Heute hat sich die Pädagogik selbst ins Aus manövriert, weil sie dem Schüler ideologiebedingt fast alles durchgehen läßt. Außerdem sind die Schüler durch Fernsehn bzw. Internet in allem schon ''abgeklärter'' als das früher der Fall war. Auch dürfte die Motivation, im Unterricht mitzuarbeiten, durch die allgemeine Verfügbarkeit von Information (Wikipedia) heute generell geringer sein.

Sind 1/10 der Schüler unter Ritalin viel oder wenig?

#20059:

Zu meiner Zeit (Grundschule) stellte der Lehrer im Rechenunterricht eine Aufgabe, und dann gingen die Arme hoch. Fast alle. Der Lehrer konnte sich dann aussuchen, wen er drannehmen wollte. Natürlich konnten da nicht alle drankommen, aber irgendwie war das toll! Damals war noch klar, was gefordert war, heute ist das oft nicht mehr der Fall.

#20070:

Eine meiner Thesen ist, daß Kinder von Ärzten, Rechtsanwälten, Lehrern, Professoren und dergleichen durch den gesellschaftlichen Status ihrer Eltern von Phänomenen wie Mobbing etc. weitgehend geschützt sind. Und sollten sie dennoch betroffen sein, so sind Eltern aus aus diesen Personengruppen eher in der Lage, mit den entstehenden Problemen fertigzuwerden. Auch dürfte es Eltern, die nicht diesen Personengruppen angehören, schwerfallen, ihre Kinder durch eine Schule zu ''bugsieren''.

Die gesprochene Fremdsprache wird wohl Englisch sein, und das lernt man heute besser bei youtube, die von Ihnen gesehene wahrscheinliche Verbesserung ist also sicher nicht durch die Schule bedingt.

Auch vor der Reform waren die Schulbücher schon schlecht/fehlerhaft/schwer verständlich. Wir haben sie jeden Tag brav mitgeschleppt, aber nur selten gebraucht. Man sollte einmal untersuchen, ob Haltungsschäden nicht vom zu hohen Gewicht des Schulranzens kommen.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 21.02.2012 um 20.34 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20122

Neulich in Schilda:

... aber sind Sie wirklich der Ansicht, daß der Beamtenstatus der Schildaer Straßenkehrer abgeschafft werden sollte? Glauben Sie ja nicht, daß wir hier nur Besitzstandswahrung betreiben! Menschen mit schmutzigen Gedanken können auf Dauer die Reinheit der Straßen Schildas nicht garantieren! – Schilda ist eine saubere Stadt, und damit das so bleibt ist es notwendig, eventuelle Bewerber für dieses wichtige Amt einer entsprechenden Gewissensprüfung zu unterziehen und ihre Vergangenheit zu durchleuchten. Ohne verbeamtete Straßenkehrer wäre Schilda schon längst im Dreck der Geschichte erstickt! Ohne die durch den Beamtenstatus garantierte Sicherheit des Arbeitsplatzes eines Straßenkehrers ist kaum zu erwarten, daß auch noch das letzte Stäubchen am Straßenrand sicher und fachgerecht entfernt wird. Außerdem sind beamtete Straßenkehrer weisungsgebunden, so daß sichergestellt ist, daß nur staatlich anerkannte Kehrtechniken zur Anwendung kommen und auf Geheiß der Stadtoberen auch das letzte Gäßchen gereinigt wird ...
 
 

Kommentar von Matthias Künzer, verfaßt am 21.02.2012 um 07.29 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20111

Man ruft nach Verkleinerung der Klassen, um die Korrekturlast zu senken. Besser klingende Gründe finden sich dann schon.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.02.2012 um 10.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20074

Im Lamento sind die Ankläger des Leistungsdrucks schwerlich zu schlagen. Seltsam: meine Kinder konnten (allerdings kurz vor G8) noch Abitur machen, ohne auch nur einen Hauch von Streß oder Leistungsdruck zu spüren. Die Anforderungen müssen in den Bundesländern sehr unterschiedlich sein, und die Verkürzung der Schulzeit muß eine immense Verschärfung bewirkt haben. Die von Herrn Mahlmann angeprangerte Vierzigstundenwoche Dreizehnjähriger ist allerdings nichts Neues. Bei durchschnittlich fünf Schulstunden pro Tag (Samstag eingeschlossen) und jeweils zwei Stunden Hausaufgaben kam ein Quartaner allemal auf diese Zahl. Nebenher gab es noch den Schulchor, die Musik- und die Theater-AG. Letztere ist heute zum ernsten Fach gereift und wird von Lehrkräften, die oft nur einen raschen Kurs in "Darstellendem Spiel" absolviert haben, in der Oberstufe angeboten. Darstellendes Spiel vermittelt Kreativität und soziale Kompetenz und darf den stressigen Musikunterricht ersetzen.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 14.02.2012 um 06.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20070

Herr Mahlmann hat in vielem recht. Ich habe ja selbst gerade meine Jüngste durch das G8 bugsiert. Der Leistungsdruck kam allerdings nicht durch ein höheres Lernpensum zustande. Die Schüler heute lernen nicht mehr als wir früher, nur in gesprochener Fremdsprache sind sie wahrscheinlich besser, dafür haben sie viel weniger gelesen. Zum Verzweifeln sind die Schulbücher, das kann ich nach langer Beschäftigung nicht anders sagen. Aber ich glaube nicht, daß wir das hier durchdiskutieren können, und bekenne mich schuldig, zu weit ausgeholt zu haben. Immerhin macht man sich auch anläßlich der Rechtschreibung Gedanken, warum für solche Dinge so wenig Kraft und Interesse bleibt.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 14.02.2012 um 00.04 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20068

Wenn Unterricht nicht lehrerzentriert stattfindet – wer unterrichtet dann? Wie nehmen sich die notorisch zitierten anderen Unterrichtsformen denn in der Praxis aus? Kann es sein, daß aus gutem Grund nur die Gruppenarbeit in der Tageswirklichkeit angekommen ist? Und wie oft kommt es vor, daß sich in einer solchen Gruppe lediglich ein, zwei Schüler um Inhalte bemühen, die dann ein dritter, der eloquenteste, vorträgt, während der Rest sich darauf beschränkt, die Note entgegenzunehmen?
Der vielgeschmähte "Frontalunterricht" besteht derweil längst aus Unterrichtsgesprächen, die möglichst alle Schüler einbeziehen sollen. Bildungsexperten und gluckende Eltern sind sich dessenungeachtet in seiner Ablehnung einig. Was spricht wirklich gegen ihn? Allenfalls ein langweiliger Lehrer. Tatsächlich: nicht jeder hat die Gabe, junge Menschen zu begeistern. Was noch keinen Valiumvertreter von der falschen Berufswahl abgehalten hat.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 13.02.2012 um 21.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20064

Ich erlebe als Lehrer jeden Tag die Situation in der Schule. Herr Virch hat unrecht. Die Eltern verlangen von den Lehrern Drill, Strenge und Disziplin. Einige von ihnen tun es deshalb, damit sie es ihren Kindern nicht selbst beibringen müssen, wie sie sich zu verhalten haben, der Großteil aber wendet sehr viel Kraft und Zeit für die Erziehung auf; das medikamentöse Ruhigstellen und das Parken vor dem Fernseher sind Zivilisationskritikstandards, die hier und da zutreffen, aber nicht flächendeckend.
Der Leistungsdruck ist insbesondere durch G8 höher geworden. Mit Hausaufgaben haben schon Siebtkläßler – Dreizehnjährige – eine Vierzigstundenwoche. Wenn sie dazu noch ein Musikinstrument lernen und Sport treiben sollen, haben sie natürlich ernstzunehmenden Streß.

Auch schwierige Kurse werden sofort ganz anders, wenn wegen Kursfahrten, Grippewellen oder irgend welcher Schulveranstaltungen einige Schüler fehlen und statt dreißig zwanzig Leute lernen.

Ein Lehrer hat seinen Beruf verfehlt, wenn er Lust am Strafen, an der Strenge und Schroffheit empfindet. Mit Einschüchterung erzeugt man auch keine produktive Lernatmosphäre. Gleichwohl ist er streng und straft, wo er es für geboten hält. Gespräche mit den Schülern und den Eltern finden parallel dazu immer statt.

Über ADS und ADHS kann man sich streiten. Es gibt Untersuchungen, die eine Stoffwechselstörung ausmachen; Medikamente zeigen bei manchem auch Wirkung. Gewiß gibt es daneben andere Fälle. Eine Krankheit ist aber nicht dadurch »erfunden«, daß sie »modern« ist und oft diagnostiziert wird.

Immer mal wieder wird die alte Sau durch's Dorf getrieben, ob Lehrer verbeamtet werden sollen. Sie sollen nach »Leistung« bezahlt werden. Wie soll diese Leistung denn gemessen werden? Am Schulerfolg der Schüler? Dann steht ja schon der nächste Vorwurf bevor: Der Lehrer stellt den Schülern gute Noten aus, damit er selbst davon profitiert.
Die Frage ist doch: Von welchen Leuten will man die Leistung seiner Kinder beurteilen lassen? Bei Beamten hat man den Vorteil, daß sie eben kein persönliches Interesse an den Noten haben. Daß sie deshalb faul sind, ist genauso ein Klischee wie das, daß der Privatschullehrer dem Sohnemann vom Hauptsponsor der Schule keine 5 gibt, damit der Alte nicht den Scheck streicht.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 13.02.2012 um 19.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20063

Zu #20047:

Ich stimme Ihnen zu, daß man sich sehr viel mehr um die tatsächlichen Probleme der Schüler kümmern sollte.

Ab und zu höre ich, daß an der Schule, in die ich damals gegangen bin, so viel Gewalt herrscht. Auch zu meiner Zeit gab es schon viel Gewalt. Da passiert also Gewalt, und unsere Christmoralisten, die Gewaltlosigkeitsapostel, die Pfarrer, die Ärzte, die Richter, Polizisten, Psychologen etc., was tun die? – Nichts! Aber wehe, wenn man sich nach seiner Schulzeit irgenwann mal was Falsches sagt oder tut, was von ebendiesen Christmoralisten, Gewaltlosigkeitsaposteln, Pfarrern, Ärzten, Richtern, Polizisten, Psychologen etc als ''Beleidigung'', ''Gewalt'', oder ähnliches eingestuft wird: ab in die Psychiatrie! Wenn es um Gewalt geht, besonders um Gewalt in der Schule und ihre Folgen, dann herrscht in unserer Gesellschaft himmelschreiende Heuchelei! Das man als Kind jahrelang Notsignale gegeben hat und sich damit fair verhalten hat, das zählt nicht, die Ignoranz obiger Personengruppen müssen die Opfer bezahlen, wenn sie sich nach einer von Gewalt an der Schule zerstörten Familie, Kindheit und Jugend gegen den Terror verteidigen. Oder sie tun es nicht und werden magenkrank.

* bessere Lehrer

Jemand, der Deutsch lehren will, sollten natürlich einen gewissen Hintergrund über die Entstehung des Deutschen haben. Ich hätte zu meiner Schulzeit gerne etwas über frühere Formen des Deutschen erfahren.

* verbeamtete Lehrer

Vielleicht sollte man die Verbeamtung von Lehrern aufgeben, andere Staaten kommen auch ohne aus. Dann könnte man schlechte Lehrer leichter loswerden. Das stimmt, die pädagogische Eignung mancher Lehrer ist sehr zweifelhaft.

* Übungen

Was Sie zur Koordinierung bei den Hausaufgaben sagen, trifft zu. Lehrer scheinen zu glauben, außer ihrem Fach hätten die Kinder nichts anderes zu tun. Es dürfte allerdings schwierig sein, dieses Problem in den Griff zu bekommen, da der Aufwand, den der einzelne Schüler für eine Hausaufgabe betreibt, unterschiedlich ist. Eine Möglichkeit wäre es, daß pro Woche nur in ganz bestimmten Fächern überhaupt Hausaufgaben gegeben werden dürfen. Aber dann ist da wieder das Problem, daß in bestimmten Fächern kontinuierliches Lernen erforderlich ist. Alle paar Wochen mal ein paar Vokablen lernen ist nicht zielführend.

* späterer Unterrichtsbeginn

Zu meiner Zeit begann der Unterricht meist um 8 Uhr. In der Grundschule habe ich oft noch vorher in der Kirche gedient (Meßdiener). Für die Realschule mußte ich ins Nachbardorf fahren, gedient habe ich dann sonntags um 8 Uhr. Ich bin also durchgehend früh aufgestanden, viele Wochen lang. Die Gymnasiasten hatten meist eine Stunde später Unterrichtsbeginn.

Im Arbeitsleben müssen Sie dann auch früh aufstehen! Natürlich würde auch ich fordern, daß man generell den Unterrichts- bzw. Arbeitsbeginn etwas später machen soll, gerade wenn man zur Arbeit fahren muß. Oder vermehrt Arbeit so gestalten, daß sie keinen festen Arbeitsbeginn erfordert.

* schulinterne Förderung

Auch ich kann mich nicht daran erinnern, daß besonders gute oder schlechte Schüler gefördert wurden.

* frühere Schwerpunktsetzung

Halte ich nicht für sinnvoll. Ein Schüler in der Mittelstufe kann noch gar nicht erkennen, mit welchem Fach er ''absolut nichts anfangen kann'', insbesondere wenn er durch Mobbing o. ä. am Lernen gehindert wird. Oder wenn es am Lehrer liegt. Wenn Abitur ein Zeugnis der Allgemeinbildung sein soll, so müssen gewisse Standards erfüllt werden, und auch Realschüler sollen die Möglichkeit bekommen, nach der zehnten Klasse aufs Gymnasium wechseln zu können.

Für eine populärwissenschaftliche Behandlung der Themen sind dann die Medien zuständig, die man sich antun kann oder auch nicht. Ich mußte mich jahrelang mit meinen Mitschülern herumquälen, das ist das Problem, nicht der Lehrstoff! Und ich war nicht der einzige, der ''fertiggemacht'' wurde.
In der Physik wird nicht verlangt, ''alles berechnen zu können''. Wie wollen Sie die Evolutionstheorie verstehen können, wenn Sie keine Ahnung davon haben, wie eine Zelle aufgebaut ist? Was nutzt es, mit der Evolutionstheorie ''konfrontiert'' worden zu sein, wenn man sie nicht versteht, weil einen die nötigen Grundbegriffe fehlen? Ist es so schwierig, ein paar Begriffe wie Zellkern, Zellwand, Zellplasma, Vakuole, Chromosomen, endoplasmatisches Retikulum zu lernen?
Was Sie in der Schule lernen, insbesondere in den naturwissenschaftlichen Fächern, ist die absolute Grundlage, es macht die Sache später nur noch schwieriger, wenn Sie da nach Belieben noch weiter reduzieren. Schon zu meiner Schulzeit witzelte ein Lehrer, daß sich die Schüler ihr Abitur ersingen, erspringen, ermalen und erbeten. Das wird es wohl sein, was den Schülern typischerweise am meisten liegt. Abitur ist die allgemeine Hochschulreife, d. h. es berechtigt zur Aufnahme eines jeden Studiums. Ihr Vorschlag läuft dieser Idee zuwider.
 
 

Kommentar von Pt, verfaßt am 13.02.2012 um 18.50 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20060

Ich habe auf diesen Seiten schon etwas zu meiner Schulzeit geschrieben.

Zu Marko Hohmann:

Das ist vielleicht ein Teil des Problems: daß die Lehrer heutzutage nicht streng oder strafend sein wollen. Ein Lehrer soll einem Schüler etwas beibringen, und dafür ist es manchmal notwendig, auch streng und strafend zu sein, anderenfalls hat man seinen Beruf verfehlt. Gibt es heute wirklich noch Nachsitzen?

Gespräche mit den Eltern sind nutzlos, wenn der Lehrer nicht vorher mit dem Kind spricht, bzw. wenn die Eltern nach dem Gespräch mit dem Lehrer nicht mit dem Kind sprechen. (Beides ist mir passiert.) Sie sind insbesondere dann nutzlos, wenn man einen ganz bestimmten Sachverhalt von vornherein ausklammert: daß das Kind von Mitschülern terrorisiert wird. Sie sind auch dann nutzlos, wenn der Lehrer dem Schüler oder den Eltern seine Ideologie aufdrücken will.

Zu Herrn Ickler:

Natürlich kommt es auch auf die Klassenstärke an, denn unter 43 Kindern ist es leichter, Terror gegen einen oder wenige Mitschüler zu verstecken also unter 25. Auch ist es für den Lehrer schwieriger, 43 Namen den Gesichtern zuzuordnen und ev. vorhandene weitere Probleme dieser Schüler zu berücksichtigen. Andererseits ist auch klar, daß jeder letzlich für sich selbst lernen muß.

Zu Ihrer Zeit war Disziplin noch selbstverständlich. Heute werden die Kinder von Anfang an auf Disziplinlosigkeit gedrillt. Da darf man sich nicht wundern, wenn diese dann genau das auch sind.

Die Sache mit dem Ritalin ist wirklich ein Skandal. Aber auch hier: wenn man nicht bereit ist, die wirklichen Probleme anzugehen, d. h. den/die Betroffenen zu fragen, was los ist, die Antwort akzeptiert, und zusammen mit diesen nach Lösungen sucht, dann besteht der bequemere Weg eben darin, durch Psychologen Ritalin zu verschreiben. In unserer Gesellschaft wird zuviel auf den Psychosektor abgeschoben, zuviel verkrankt, weil die naheliegenden Lösungen aus rechtlichen Gründen nicht mehr gangbar sind. Da ist es einfacher, Krankheiten zu erfinden, insbesondere, weil dadurch Psychologen und Psychiater wie auch Pharmaindustrie prächtig verdienen können.

Es gibt eine Webseite, die etwa 45 körperliche Gründe aufführt, die zu Symptomen wie bei ADHS führen können. Wenn man sich nicht die Mühe macht dies abzuklären ...
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 13.02.2012 um 18.30 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20059

Ich wollte keineswegs ein großes Lamento anstimmen, sondern nur auf einen mir nicht recht erklärlichen Wandel im Geist der Zeit hinweisen. Natürlich gehören zu sehr großen Klassen auch andere Unterrichtsformen. Früher kam es nicht sehr darauf an, wie oft ein Schüler sich "beteiligen" konnte, der Unterricht war selbstverständlich sehr lehrerzentriert. Das wird heute von vornherein perhorresziert, ohne ausreichende Begründung, wie alle Dogmen.
 
 

Kommentar von Kohl, verfaßt am 13.02.2012 um 17.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20057

Als derzeitiger Gymnasiast kann ich Schilderungen von zu viel Lerndruck nicht ganz nachempfinden. Ich komme zwar "nur" aus Berlin, aber vom oftmals beschworenen "Lerndruck" habe ich von der siebten Klasse bis zum zweiten Semester nicht viel mitgekriegt. Viel eher habe ich den Eindruck, daß manche meiner Mitschüler ihre Zeit nicht richtig planen. Den Stoff kann man in den meisten Fächer auch ohne ausgiebiges Lernen behalten kann. Problematisch wird das ganze eher in den Fremdsprachen: Dort wird vehement auf Vokabelunterricht, den viele Schüler (mich eingeschlossen) dringend nötig hätten, verzichtet. "Vokabeln müßt ihr euch alleine raussuchen." An sich kein Problem. Nur lernen sich Vokabeln in der Gruppe und unter Anleitung eines Lehrers einfach viel leichter und effektiver. Generell wird auf gemeinsames Üben kaum Wert gelegt. Auf Pünktlichkeit wird kaum noch Wert gelegt, Lehrer, die ab Stundenbeginn eintragen, werden von den Schüler als unfaire Despoten betrachtet.
 
 

Kommentar von Andreas Blombach, verfaßt am 12.02.2012 um 17.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20047

Natürlich ist am wichtigsten, wie gut die Lehrer sind. Aber dass ein Faktor wichtiger ist als ein anderer, heißt doch noch lange nicht, dass man letzteren deshalb unter den Tisch fallen lassen sollte - schon gar nicht, wenn es sich dabei um eine Variable handelt, die sich viel besser kontrollieren lässt.
Je größer eine Klasse, desto seltener ist man selbst direkt beteiligt (wenn eine Unterrichtsform nicht auf Interaktion setzt, ist das natürlich egal), desto eher ist es möglich, dass sich die Aufmerksamkeit anderem zuwendet – wenn ich dagegen das Gefühl habe, dass mir etwas erklärt wird (und dass die Erklärung angepasst wird, wenn ich sie nicht auf Anhieb verstehe), wenn ich weiß, dass ich mich regelmäßig in irgendeiner Form äußern muss, dann bleibe ich auch viel eher bei der Sache. Insofern finde ich insbesondere das Zwei-Schüler-Beispiel nicht überzeugend. Mag sein, dass auch nur zwei Schüler eine Lehrerin bisweilen zur Verzweiflung treiben können – aber mit der Situation in einer großen Klasse, in der fast immer Schüler unbeteiligt bleiben (müssen), wodurch fortlaufend Unruheherde entstehen, ist das kaum zu vergleichen.
Ja, eine gewisse Disziplin ist notwendig, gar keine Frage. Aber in kleineren Klassen ist es auch erheblich leichter, diese Disziplin aufrechtzuerhalten, ohne dass sich ein Lehrer allzu autoritär gebärden müsste (was zu einer Belastung des Lehrers werden kann, wenn solches Verhalten sonst nicht seiner Art entspricht).

Ich hatte im Gymnasium (noch G9) das Glück, in einer kleineren Klasse zu sein (ca. 25 Schüler im Vergleich zu 30+ in allen anderen Klassen), weil ich Französisch als erste Fremdsprache gewählt hatte. In der Oberstufe stach besonders der Französisch-Leistungskurs heraus, in dem wir nur ca. 10 Leute waren. In einem solchen Kreis ist der Unterricht nicht nur angenehmer, sondern auch wesentlich produktiver.

Zum Leistungsdruck der Schüler: Den gibt es, aber es hängt natürlich wesentlich vom Umfeld eines Schülers ab, wie stark er ihn spürt. Meiner Erfahrung nach spüren diesen Druck besonders die ohnehin schon guten Schüler, während andere gänzlich andere Gruppenwerte und -ideale finden können.
Vor einigen Monaten bin ich auf diesen kurzen Artikel einer überforderten Schülerin gestoßen: www.zeit.de/2011/34/P-Schule/komplettansicht (die meisten Kommentare dazu triefen nur so vor Ignoranz).
Diejenigen, die in der Schule richtig gut sind, leiden oft auch am meisten darunter – das kann ich bestätigen. Mir fiel das Lernen in der Schule immer leicht, spätestens ab der 9. Klasse habe ich alles darüber hinaus aber weniger ernst genommen (was am System am frustrierendsten ist, ist, dass man für die Fächer am meisten tun muss, die einem am wenigsten liegen, anstatt den Großteil seiner Zeit dem widmen zu können, was einen tatsächlich interessiert). Ich kenne jedoch genügend Leute (meine langjährige Freundin – unglaublich intelligent – wäre an der Schule beinahe zerbrochen), die diese Gelassenheit nicht erreicht haben.

Es gibt sehr viel, was man tun kann, um die Qualität der Schulbildung zu verbessern – dazu sollte man sich aber stärker als bisher an den tatsächlichen Problemen der Schüler orientieren und prüfen, inwiefern diese systemisch bedingt sein könnten.
Einige mehr oder weniger offensichtliche Punkte:
* Bessere Lehrer. Die Problematik besteht dabei offensichtlich darin, zu bestimmen, was "besser" ist. M.E. wird noch immer zu viel Wert auf die Akademisierung der Lehrer gelegt – dabei müssen Lehrer aber viel zu viel lernen, was im Unterricht später überhaupt keine Rolle mehr spielt (was soll z.B. ein Deutschlehrer mit Valenztheorie, Diskursanalyse und mittelhochdeutschen Verbparadigmen anfangen?). [Darunter leidet m.E. übrigens auch die Ausbildung des eigentlichen akademischen Nachwuchses – wie viel tiefer könnten manche Themen in Hauptseminaren behandelt werden, wenn man nicht noch die Lehramtsstudenten mitziehen müsste?]
* Leistungsdruck oder -anreize für verbeamtete Lehrer. Es tummeln sich deutlich zu viele Lehrer an den Schulen, die wissen, dass sie nichts oder sehr wenig zu befürchten haben, egal, wie schlecht ihr Unterricht ist. Mindestens 30-50% meiner Lehrer hätte man wegen fachlicher oder pädagogischer Imkompetenz vor die Tür setzen müssen, aber selbst wenn Schüler und Eltern sich fortlaufend beschwerten, änderte sich nichts (im schlimmsten Fall war der betreffende Lehrer deshalb frustriert und ließ es an den Schülern aus).
* Kleinere Klassen.
* Mehr Übung in der Schule, weniger zu Hause (dafür sind offensichtlich wiederum kleine Klassen die beste Voraussetzung). Koordinierung bei den Hausaufgaben (Lehrer müssen mitbekommen, welche Aufgabenmengen und welches Lernpensum ihre Kollegen den Schülern bereits abverlangen, und sich entsprechend abstimmen, um Spitzen zu vermeiden).
* Späterer Unterrichtsbeginn. M.W. werden Ergebnisse der Schlafforschung bislang weitgehend ignoriert. (Ich selbst war während der Schulzeit permanent übermüdet.) Das darf nur nicht bedeuten, dass sich der Unterrichtsschluss weiter nach hinten verschiebt – Schule darf nicht den kompletten Tag bestimmen. (Ja, im G8-System hätte ich nicht so viel spielen und faulenzen können – ich hätte aber auch erheblich weniger Zeit zum Lesen gehabt, hätte mir wahrscheinlich nicht selbst das Programmieren beibringen können, hätte meine künstlerischen Fähigkeiten nicht weiterentwickeln können, usw. – all das wirkt sich ja auch darauf aus, was man später studiert und in welchem Bereich man später arbeitet.)
* Schulinterne Förderung sowohl besonders guter (davon habe ich in meiner Schulzeit gar nichts mitbekommen, von Büchergutscheinen einmal abgesehen) als auch besonders schwacher Schüler. Individuelle Förderung wird durch kleinere Klassen bereits erleichtert, aber es darf grundsätzlich nicht sein, dass es vom Geldbeutel der Eltern abhängt, ob ein Schüler, der (nur) in einigen Fächern Probleme hat, gezielte Nachhilfe bekommt oder nicht.
* Weniger Bildungsbulimie. Fakten, Daten und Methoden zu lernen, ist etwas anderes, als Zusammenhänge und Strukturen zu erkennen und dieses Wissen praktisch anzuwenden. Blöderweise lassen sich Fakten besser (und objektiver) prüfen als Verständnis. Deshalb ist hier die Qualität der Lehrer enorm wichtig – den Pfad geben aber die Lehrpläne vor.
* Frühere Schwerpunktsetzung. Ich halte ein möglichst breites Allgemeinwissen auch für unheimlich wichtig, aber wer feststellt, dass er bspw. mit Chemie oder Physik absolut nichts anfangen kann, sollte nicht dazu gezwungen werden, sich mehrere Jahre damit herumzuquälen (es reicht dann u.U., übrige Kerninhalte dieser Fächer populärwissenschaftlich zu behandeln – in Physik muss man z.B. nicht gleich alles berechnen können (hatte ich übrigens als zweiten Leistungskurs, das nur am Rande), jeder sollte einmal mit der Evolutionstheorie konfrontiert worden sein, muss aber nicht unbedingt die Bestandteile der Zelle auswendig gelernt haben, usw.). Das heißt: Nach und nach sollten Schwerpunkte zulasten der übrigen Fächer gewählt werden können (beginnend etwa ab der 7. oder 8. Klasse?), bis man sich in den letzten zwei Jahren nur noch auf die Fächer beschränkt, die einem am meisten liegen (das ist ein Aspekt des britischen Schulsystems, den ich für kopierenswert halte). Damit ist natürlich die grobe(!) Richtung eines möglichen Studiums auch bereits vorgegeben.

Ich kam etwas vom eigentlichen Thema ab, mea culpa.
 
 

Kommentar von Erich Virch, verfaßt am 12.02.2012 um 10.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20043

"Hunderttausende Kinder gedopt" heißt es hier (n-tv). Untertitel: "Der Druck in den Schulen wächst, der Konkurrenzkampf um Noten und gute Abschlüsse bestimmt immer mehr den Alltag deutscher Schüler und Studenten." Genau diesen Schmarrn will die Elternschaft lesen, die sich "Disziplin", "Drill", "Leistungsdruck" und "Selektion" verbittet und den anstrengenden Nachwuchs stattdessen mit Pillen ruhigstellt. Abends hockt man dann gemeinsam vorm Fernseher und nickt, wenn einem verzweifelten Kind in einer Casting-Show vor versammelter Nation erklärt wird: "Deine Leistung hat uns nicht überzeugt, du scheidest aus."

Dieselbe Elternschaft fordert bei jeder Gelegenheit kleinere Klassen. Tatsächlich wird die Bedeutung der Klassengröße für den Lernerfolg weit überschätzt. Am entscheidendsten ist die Qualität der Lehrkraft.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 12.02.2012 um 08.35 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20041

Nach meinen Erfahrungen kommt es so gut wie gar nicht auf die Klassenstärke an. Ich habe aber nicht dazu geforscht und will deshalb nichts weiter sagen. (In der Realschule waren wir jahrelang 42 Schüler, in der Volksschule zuvor noch mehr, Disziplinprobleme gab es nicht. Daran kann ich mich noch erinnern, weil mich nach dem Wechsel aufs Gymnasium die Ungezogenheit und Unruhe in den kleineren Klassen sehr störte. Allerdings war das eine reine Jungenschule, was einiges erklärt.)

Die FAS vom 12.2.12 bringt passenderweise einen großen Artikel über Ritalin. Rund 1,8 Tonnen davon werden jährlich an deutsche Kinder, meist Jungen, verfüttert. ADHS heißt die erfundene Krankheit, die es heilen soll. Jeder zehnte Junge soll daran leiden. Ein ganzes Volk vergiftet seinen männlichen Nachwuchs. Ich habe die Reportage nur mit großer Wut lesen können.
 
 

Kommentar von Marco Mahlmann, verfaßt am 11.02.2012 um 16.37 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20030

Disziplin muß den Schülern heutzutage abgerungen werden, das stimmt schon. Sie zwingen den Lehrer, so zu sein, wie er es eigentlich nicht will: streng, strafend und schroff. Bei manchen Schülern hilft auch nur die Strafarbeit oder das Nachsitzen. Gespräche mit den Eltern bringen meist nur kurzfristig etwas.

Was aber heißt »weitere Verkleinerung der Klassen«? Die Klassen werden eher größer, damit weniger Lehrer gebraucht werden. Erst ab 35 Schülern pro Kurs wird geteilt; Klassengrößen von 30, 32 Leuten sind gang und gäbe. Natürlich wäre es eine klare Verbesserung, natürlich könnte man sich besser um den einzelnen Schüler kümmern, und natürlich wäre auch die Disziplin besser kontrollierbar, wenn nur zwanzig Schüler zu unterrichten wären.
 
 

Kommentar von Kohl, verfaßt am 10.02.2012 um 15.25 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1496#20026

Eine leider nur zu typische Situation. Ich kann diese Schilderungen sehr gut nachempfinden, als ich noch in der Unterstufe war, ging es dort genauso zu. Jetzt, in der Oberstufe, ist es zwar schon besser, aber in manchen Kursen herrscht immer noch ein großes Durcheinander. Bei manchen meiner Mitschüler frage ich mich da, wo die Kinderstube geblieben ist. Im Zweifel ist sowieso immer der Lehrer schuld; daß es eigentlich, egal, wer sich davorne hinstellt, im Klassenzimmer immer ruhig sein müßte, das nehmen weder Schüler, noch Eltern, noch Lehrer als selbstverständlich an (in meinem Duden von 1954 steht noch, daß vor aufzählenden Bindewörtern außer 'und' und 'oder' ein Beistrich stünde, wenn mehr als zwei Aufzählungsglieder miteinander verbunden würden; im 91er Duden finde ich diese Regel nicht mehr, braucht man sie also nicht mehr anzuwenden?).
Zurück zum Thema: Eigentlich müßte es völlig normal sein, daß die Schüler, unabhängig von der Autorität und Strenge (wie wär's, das mit 'ä' zu schreiben, kommt ja vom Strang...) des Lehrers, im Unterricht ruhig zu sein hätten. Aber das wäre ja zuviel verlangt.
 
 

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