zurück zur Startseite Schrift & Rede, Forschungsgruppe dt. Sprache    FDS - In eigener Sache
Diskussionsforum Archiv Bücher & Aufsätze Verschiedenes Impressum      

Theodor Icklers Sprachtagebuch

Die neuesten Kommentare


Zum vorherigen / nächsten Tagebucheintrag

Zu den Kommentaren zu diesem Tagebucheintrag | einen Kommentar dazu schreiben


01.04.2009
 

Folgekosten
Geographische Namen und Rechtschreibreform

Wolfram Metz hat im Diskussionsforum auf die Umstellung geographischer Namen hingewiesen. Ich zitiere dazu aus meinem Kritischen Kommentar von 1997:

»(3.2) Für Eigennamen (Vornamen, Familiennamen, geografische Namen und dergleichen) gelten im Allgemeinen amtliche Schreibungen. Diese entsprechen nicht immer den folgenden Regeln.

Kommentar:
Hiernach sollte man meinen, daß sich die Reform auf geographische Namen nicht ohne weiteres auswirkt. Die neuen Wörterbücher und Lexika sowie Atlanten scheinen sich jedoch einig zu sein, daß Rußland und Elsaß neuerdings mit ss geschrieben werden, während sich Preßburg zunächst nicht änderte; erst im Duden von 2004 ist es zu Pressburg geworden. Nach Auskunft der Dudenredaktion sind Rußland und Elsaß keine amtlich festgelegten Namen und können daher der Neuschreibung unterworfen werden; hier scheint jedoch eine gewisse Willkür zu herrschen.
Eine genauere Untersuchung1 hat ergeben, daß allein in Deutschland viele tausend topographische Namen (Flurnamen usw.) sich aufgrund der Reform ändern müßten, die meisten wegen der neuen ss-Schreibung, mehrere hundert aber auch wegen rauh > rau (Raue Alb usw.). Wegen des zu erwartenden Nebeneinanders geschützter und zu ändernder Namen kommt Karl August Seel abschließend zu der Empfehlung:
„Alle geographischen Namen sind historisch überlieferte und schützenswerte Toponyme. Sie sollten daher wie amtliche Namen und Eigennamen von der Rechtschreibreform ausgenommen und nicht abgeändert werden.“«
(Literaturhinweis: Karl August Seel: „Auswirkungen der Rechtschreibreform auf geographisch-topographisches Namensgut“. Kartographische Nachrichten 5, 1998, S. 186-188.)

Diese Mahnung hat naturgemäß nichts genutzt, obwohl die Geographen keineswegs verpflichtet waren, sich der Reformschreibung zu unterwerfen. Die behauptete Regelungsgewalt des Staates in diesem Bereich entstammt ja nur der Phantasie der Reformer.

Wolfgang Denk hat in seiner Untersuchung der Folgekosten auch die Umstellung der Kartenwerke usw. berücksichtigt, aber die Datengrundlage ist schmal.

Ob die Revisionen der Reformregeln noch weitere Auswirkungen in diesem Bereich gehabt haben, kann ich zur Zeit nicht sagen.



Diesen Beitrag drucken.

Kommentare zu »Folgekosten«
Kommentar schreiben | älteste Kommentare zuoberst anzeigen | nach oben

Kommentar von Chr. Schaefer, verfaßt am 30.07.2020 um 01.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#44003

Zu: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43996

Die Schweden haben erst vor rund 15 Jahren den Buchstaben W offiziell in ihr Alphabet übernommen. Man sieht es mittlerweile überall, auch auf Kfz-Kennzeichen.

In Stockholm scheint es niemanden zu stören, daß das Vasa-Museum direkt am Wasa-Hafen liegt.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 29.07.2020 um 05.20 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43999

Wenn man Gemeinderatssitzungen und ähnliche Veranstaltungen aus eigener Erfahrung kennt, wundert man sich über nichts mehr. Es ist nicht schwer, allerlei Gutgemeintes oder Wohlklingendes durchzusetzen, vor allem, wenn es nicht viel kostet.

Die Gruppendynamik führt dazu, daß die Menschen immerzu etwas tun, was sie eigentlich nicht wollen. Die Rechtschreibreform hat uns das noch einmal vorgeführt. Man kann sich eine Zeitlang wehren, aber irgendwann streckt man die Waffen.

Es gab und gibt zwar Ansätze, dieses Thema zu bearbeiten, aber es wird weit unterschätzt. Philosophen beschäftigen sich lieber mit eleganten Demokratietheorien usw. Wichtiger wäre es, die Gesellschaft vor ihrenen eigenen Beschlüssen zu schützen, aber dazu muß man sich mit der schmuddeligen Wirklichkeit beschäftigen.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 28.07.2020 um 21.47 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43998

Die Frage bleibt, warum verschiedene Orte das Eszett aus ihrem Namen verbannt haben. Mußte einfach mal was Neues her? Hielten die Verantwortlichen das Schriftzeichen für unmodern? Wollte man der Reformdiskussion einen Schub verleihen, indem man mit »gutem« Beispiel voranging?
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.07.2020 um 20.33 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43997

Ich hatte es schon mal (963#11926) erwähnt:
Dürrröhrsdorf (bei Dresden) wurde schon vor der Reform immer mit drei r geschrieben, nie (zumindest im letzten Jahrhundert) umbenannt.
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 28.07.2020 um 14.23 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43996

Auch Neuß, Eßlingen und Saßnitz haben die offizielle Schreibweise ihrer Namen geändert. (So wie auch Günter Graß, lange vor seinem Widerstand gegen die Rechtschreibreform.)

Am kuriosesten ist vielleicht, daß die Dänen immer mal wieder an der Schreibung der Namen ausgerechnet ihrer beiden größten Städte geschraubt haben, zuletzt 2010.
 
 

Kommentar von Manfred Riemer, verfaßt am 28.07.2020 um 00.14 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43990

Ganz in der Nähe von Assmannshausen wurde ja im Asbach Uralt der Geist des Weines gefunden.
Asmannshausen hätte aber wohl schon den Markenschutz verletzt. (Eher ein scherzhafter Erklärungsversuch.)
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 27.07.2020 um 23.13 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#43988

In einem Reiseführer lese ich über Assmannshausen: »Bis 1970 hieß die Rotwein-Metropole offiziell noch Aßmannshausen, ehe die Rechtschreibreform dem Ortsnamen einen weiteren Buchstaben einbrachte.« Im Wiki-Eintrag zu Assmannshausen wird auf den entsprechenden Beschluß des hessischen Innenministers vom 16. Dezember 1970 verwiesen, in dem aber nur lapidar festgestellt wird, daß und wie, aber nicht warum die Schreibweise der Gemeinde geändert wird.

Eine allgemeine Rechtschreibreform hat es 1970 nicht gegeben, und die Umbenennung eines einzelnen Ortes als Rechtschreibreform zu bezeichnen erscheint mir stark übertrieben. Warum wurde die Schreibweise geändert? Hat es mit der Zusammenlegung mit Nachbargemeinden im selben Jahr zu tun? Wollte man den amerikanischen Touristen kein Eszett mehr zumuten? (Andererseits könnte die neue Schreibweise bei dieser Klientel wiederum ganz andere Irritationen auslösen.) Weiß jemand Genaueres?
 
 

Kommentar von R. M., verfaßt am 07.10.2016 um 08.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#33479

Im Falle von Preßburg dürfte klar sein, daß der Vokal kurz zu sprechen ist. Bei Straßburg ist das weniger eindeutig.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 07.10.2016 um 08.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#33478

Noch einmal zu Preßburg:

Die FAZ schreibt heute Preßburg.

Die Bundesregierung dagegen:

Hauptstadt ist Bratislava (Preßburg). (https://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/Europa/documents/slovakia.html)

Duden online:

Pressburg
Eigenname
(...)
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 01.11.2010 um 16.51 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#16995

Neulich stieß ich auf die "Raue Alb". Gibt man das bei Google ein, wird man gefragt: "Meinten Sie 'Rauhe Alb'?"
Es gibt aber tatsächlich Menschen, die den Namen ihrer Landschaft ändern zu müssen glaubten, nur weil Augst und ein Handvoll Sprachdidaktiker dies für richtig hielten.
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 03.06.2010 um 06.24 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#16286

In der Zeitung wird das "Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydografie" erwähnt. Amtlich heißt es aber "Hydrographie". Wann die drei fff in die "Seeschifffahrt" aufgenommen wurden, kann ich leider nicht feststellen, es war zweifellos ein teurer Spaß.
 
 

Kommentar von Bernfried Janas, verfaßt am 13.08.2009 um 20.57 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14907

Was soll man von der Wortwahl "unterworfen" halten?
Personennamen sind amtlich festgelegt, das schützt sie vor Unterwerfung unter die – obzwar gleichfalls amtliche – Neuschreibung, aber eben nur die Namen. Die Personen selber unterwerfen sich im Schriftgebrauch ohne Not ganz freiwillig, auf den Gebrauch des eigenen Verstandes wie seit je verzichtend. Hätte Kant das doch noch erleben können... Der kritischen Intelligenz unserer Tage ist die Sache gleichwohl eine Nummer zu klein.
 
 

Kommentar von Hans-Jürgen Martin, verfaßt am 13.08.2009 um 20.23 Uhr   Mail an
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14906

Zu: "Nach Auskunft der Dudenredaktion sind Rußland und Elsaß keine amtlich festgelegten Namen und können daher der Neuschreibung unterworfen werden."

Was heißt denn "daher"? Eigennamen sind doch nicht erst dann Namen (also Eigennamen im Gegensatz zu Appellativa), wenn sie "amtlich" sind ...
 
 

Kommentar von Germanist, verfaßt am 21.06.2009 um 14.27 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14667

Ein "Verzeichnis der historischen Namen von Bratislava" findet man bei sk.wikipedia.org/wiki/Zoznam_historických_názvov_Bratislavy
 
 

Kommentar von Theodor Ickler, verfaßt am 21.06.2009 um 11.05 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14663

Preßburg ist zwar nicht die amtliche Eigenbezeichnung der slowakischen Hauptstadt, aber wenn ich es recht verstehe, doch irgendwie amtlich im Sprachgebrauch der Bundesregierung, onomastisch gesehen auch unzweifelhaft ein Eigenname. Die Umbenennung in Pressburg scheint mir daher über die Befugnisse hinauszugehen. Auch die Dudenredaktion hat wohl zuerst nicht recht daran glauben wollen, daß man so weit gehen würde.
 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.04.2009 um 21.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14234

In den »Empfehlungen und Hinweisen für die Schreibweise geographischer Namen für Herausgeber von Landkarten und anderen Veröffentlichungen« des Ständigen Ausschusses für geographische Namen heißt es unter 1.1.7.2:

»Geographische Namen in Zusammensetzung mit Alt-, Neu-, Groß-, Klein-, Ober-, Unter-, Nieder-, Mittel-, Zentral-, Haupt-, Neben- u.a. werden in der Regel zusammengeschrieben (sofern nicht – im Falle eines Siedlungsnamens – eine andere Schreibweise amtlich festgelegt ist).

Beispiele:
Oberpfalz
Niederlausitz
Neustadt

NEU: Nach der neuen Rechtschreibregelung können derartige Wortzusammensetzungen auch mit Bindestrich geschrieben werden.

Beispiele:
Neu-Ulm
Groß-Gerau«

Das erscheint mir abwegig. Weder schrieb oder schreibt man klassisch Neuulm oder Großgerau, noch käme irgend jemand auf die Idee, Neustadt in Neu-Stadt aufzulösen.

In einer Schlußbemerkung stellt der Ausschuß fest:
»Grundsätzlich bleibt den zuständigen Stellen das Recht vorbehalten, selbst über die Schreibung geographischer Namen zu entscheiden. Es wird aber dringend empfohlen, die neue Rechtschreibung anzuwenden.«

Aha. Hochinteressant auch das, was dann folgt:
»Um möglichen Missverständnissen […] vorzubeugen, gibt der StAGN nachstehenden ergänzenden Hinweis:

Die Empfehlung des StAGN bedeutet nicht, dass alle bereits bestehenden geographischen Namen von den jeweils dafür zuständigen Institutionen (Staat, Länder, Gemeinden, Ämter) der neuen Rechtschreibung angepasst werden müssen, sondern dass das amtliche Regelwerk nur dann verbindlich ist, wenn neue geographische Namen geschaffen werden oder wenn die dafür zuständigen Institutionen es für zweckmäßig erachten, die Schreibweise bestehender geographischer Namen zu ändern.«

Besonders erhellend finde ich diesen Hinweis nicht. Im Gegenteil, er wirft weitere Fragen auf. So ist mir, bei allem Respekt vor den Bemühungen des Ausschusses, nicht klar, warum dessen Empfehlungen für irgendwen, zumal für Herausgeber von Landkarten und »anderen Veröffentlichungen«, verbindlich sein sollen. Und wo (außer in diesem Hinweis) steht geschrieben, daß Stellen, die selbst über die Schreibung geographischer Namen entscheiden dürfen, dieses Recht nur in bezug auf bereits bestehende Namen besitzen? Rätselhaft ist auch die Feststellung, die Neuregelung sei dann verbindlich, »wenn die […] zuständigen Institutionen es für zweckmäßig erachten, die Schreibweise bestehender geographischer Namen zu ändern«. Soll das heißen: Wenn man die Schreibung eines Namens im Sinne der Reform ändern will, dann gefälligst strikt nach dem amtlichen Regelwerk und nicht nach irgendwelchen Privatregeln? Oder sind auch Änderungen gemeint, die nichts mit der Reform zu tun haben? Wenn ja, dann würde das zum Beispiel folgendes bedeuten: Sollte man es in Dresden für zweckmäßig erachten, den Namen des Ortsteils Roßthal in Roßtal zu ändern, so könnte diese Änderung nur dann rechtsgültig vorgenommen werden, wenn zugleich das Eszett durch ss ersetzt würde.

Übrigens können die Verantwortlichen in Gemeinden mit dem Bestandteil -thal im Ortsnamen, denen die Tilgung des h zufällig nicht zweckmäßig erscheint, aufatmen. Unter Punkt 1.5 der Empfehlungen liest man: »Sonstige Schreibweisen von Namen, die hinsichtlich der Laut-Buchstaben-Zuordnung bereits bisher nicht der Rechtschreibregelung gefolgt sind, sollten wie bisher beibehalten bleiben«. Deshalb dürfen wir auch künftig Thüringen und Frankenthal schreiben. Wenigstens das.

 
 

Kommentar von Wolfram Metz, verfaßt am 02.04.2009 um 08.42 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14233

Herr Lamm ist uns wohlbekannt. Er hat auch hier schon Überzeugungsarbeit zu leisten versucht.
 
 

Kommentar von Glasreiniger, verfaßt am 02.04.2009 um 08.39 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14232

Allein der in Herrn Lamms "Wirken" in der Wikipedia dokumentierte Kollateralschaden der RSR müßte zu denken geben. Sein Motto lautet: "Man darf nie aufgeben, überkommenen Unsinn zu beheben." Und er gibt nicht auf...
 
 

Kommentar von K.Bochem, verfaßt am 02.04.2009 um 00.40 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14231

Wikipedia und "Riß/Riss"

Der Vollständigkeit halber: Die korrekte Schreibung mußte recht mühsam verteidigt werden. Ein gewisser "Ulamm" versuchte gegen alle Vernunft und Einsicht über längere Zeit eine Änderung durchzusetzen.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 01.04.2009 um 19.31 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14230

Da ich das heutige Datum stets in der rechten unteren Ecke meines Computers vor Augen habe, braucht mir nun also kein Eseltreiber zu sagen, daß Wieland tatsächlich aus Oberholzheim kommt.

Struthion dachte mit dem Esel auch dessen Schatten gemietet zu haben und ich dachte bei der Reichsstadt Biberach auch an alle kleinen Dörfer, die damals zu dieser Stadt gehörten. Ein Prozeß erübrigt sich deshalb.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 01.04.2009 um 18.46 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14229

Lieber Herr Westrich,

ohne Ihren Hinweis hätte ich tatsächlich weder an Musils "Törleß" noch den Braunschweiger Nußberg gedacht. Ich meinte übrigens, Herr Eversberg hätte schon längst einmal darauf hingewiesen, was aber wohl nicht so ist.

Das – eigentlich eher an einen Aprilscherz erinnernde – Thema paßt nun so gut in diesen Strang zu den Folgekosten, weil man Texte mit diesen Namen nicht einfach blind einem Rechtschreibprogramm oder – um auf Stang hinzuweisen – einem stur schematisch arbeitenden Postbeamten überlassen kann. Zeit- und kostenaufwendig muß hier beim Wolfenbütteler Schloßplatz, dem Schloß Werningerode und der Stadt Biberach an der Riß (nebenbei auch die Geburtsstadt von Wieland) aufgepaßt werden, ganz egal ob nun ein "Fluss" durch die Stadt fließt, "Nussbäume" dort am Hügel stehen oder das "Schloss" im Abendschein glänzt.
 
 

Kommentar von Paul Westrich, verfaßt am 01.04.2009 um 18.28 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14228

Lieber Herr Höher,
wie Sie vielleicht bemerkt haben, habe ich gestern abend - ebenfalls im Forum - auf eine ähnliche Problematik hingewiesen, nämlich auf die Diskrepanz zwischen der offiziellen Schreibweise der Stadt "Biberach an der Riß" und dem Fluß "Riss", an dem jetzt diese Stadt aufgrund der Anpassung geographischer Namen an Heyse liegen soll. Wikipedia.de schreibt aber ausschließlich "Riß" und zwar auch in diversen zusammengesetzten Wörtern wie z.B. "Rißeiszeit". Ich nehme nicht an, daß der Text von einem Gegner der RSR verfaßt wurde, denn mehrfach findet sich das Wort "Fluss" in der Heyseschen s-Schreibung.
 
 

Kommentar von Oliver Höher, verfaßt am 01.04.2009 um 16.32 Uhr  
Adresse: http://www.sprachforschung.org/ickler/index.php?show=news&id=1132#14226

Die von Herrn Ickler genannten Beispiele Elsaß und Rußland zeigen sehr schön die Willkür der Reformer, die Neuschreibung geographischer und topographischer Namen offensichtlich nach dem Lotterieprinzip vornehmen.

Hier in Braunschweig gibt es im Prinz-Albrecht-Park einen Hügel mit dem pompösen Namen „Nußberg“, der sich auch im Jahre 12 der neugeschriebenen Zeitrechnung noch so schreibt (und schreiben darf). Nach den Forschungen Buchardt Warneckes geht der Name auf den urkundlich belegten Braunschweiger Patrizier Nottberg zurück. Wikipedia erwähnt deshalb auch – wie ich finde triumphierend –, daß der Name mit „Nussbäumen“ nichts zu tun habe. Die dort erwähnte Broschüre von Warnecke ist übrigens inzwischen in 5. Auflage erschienen (Braunschweig: Appelhans Verlag). Entsprechend darf sich die Nußbergstraße, so lange sie nachweisen kann, daß sie sich vom gleichnamigen Hügel ableitet, weiterhin nach Adelung schreiben. Erheiternd ist, daß Wikipedia eine historische Karte des Prinz-Albrecht-Parks zeigt, auf der das Hügelchen ganz eindeutig Nussberg heißt.

Ich kenne keine Grundschullehrer, so daß ich nicht sagen kann, wie den lieben Kleinen bei einem winterlichen Klassenausflug mit Schlitten zu besagtem Hügel dieses Dilemma erklärt wird. Ob sich sechs- bis siebenjährige Braunschweiger Schüler wohl schon für Patrizier interessieren, bzw. überhaupt wissen, was ein Patrizier ist?

Etwas chaotischer geht es im benachbarten Wolfenbüttel zu, dessen Schloß bis 1754 immerhin die Residenz der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg war. Das „Schloss“, wie es sich nun in allen Broschüren der Stadt schreibt, liegt am „Schloßplatz“, der sich noch genau so nach Adelung schreibt. Auf das vergleichbare Durcheinander in Werningerode (das „Schloß Werningerode“, auf das alle Hinweisschilder „Zum Schloss“ verweisen) habe ich schon einmal im Diskussionsforum hingewiesen.

Am ersten April scheinen mir diese Belanglosigkeiten allemal eine Erwähnung wert, zumal sie leider kein Aprilscherz sind.
 
 

nach oben


Ihr Kommentar: Sie können diesen Beitrag kommentieren. Füllen Sie dazu die mit * versehenen Felder aus und klicken Sie auf „Kommentar eintragen“.

Sie können in Ihrem Kommentar fett und/oder kursiv schreiben: [b]Kommentar[/b] ergibt Kommentar, [i]Kommentar[/i] ergibt Kommentar. Mit der Eingabetaste („Enter“) erzwingen Sie einen Zeilenumbruch. Ein doppelter Bindestrich (- -) wird in einen Gedankenstrich (–), ein doppeltes Komma (,,) bzw. ein doppelter Akut (´´) werden in typographische Anführungszeichen („ bzw. “) umgewandelt, ferner werden >> bzw. << durch die entsprechenden französischen Anführungszeichen » bzw. « ersetzt.

Bitte beziehen Sie sich nach Möglichkeit auf die Ausgangsmeldung.
Für sonstige Diskussionen steht Ihnen unser Diskussionsforum zur Verfügung.
* Ihr Name:
E-Mail:
(Wenn Sie eine E-Mail-Adresse angeben, wird diese angezeigt, damit andere mit Ihnen Kontakt aufnehmen können.)
* Kommentar:
* Spamschutz:   Hier bitte die Zahl einhundertvierundfünfzig (in Ziffern) eintragen.
 


Zurück zur vorherigen Seite | zur Tagebuchübersicht


© 2004–2018: Forschungsgruppe Deutsche Sprache e.V.

Vorstand: Reinhard Markner, Walter Lachenmann, Jan-Martin Wagner
Mitglieder des Beirats: Herbert E. Brekle, Dieter Borchmeyer, Friedrich Forssman, Theodor Ickler, Michael Klett, Werner von Koppenfels, Hans Krieger, Burkhart Kroeber, Reiner Kunze, Horst H. Munske, Adolf Muschg, Sten Nadolny, Bernd Rüthers, Albert von Schirnding, Christian Stetter.

Webhosting: ALL-INKL.COM